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Nora Gomringer
Sag doch mal was zur Nacht

Verbale Geniestreiche - Absolut kein Ärgernis!

Von Frank Becker

Für den Literatur-Gourmet: Texte - zum selber Lesen, Schmunzeln, Genießen, in Worten und Sprache schwelgen. Für den Ohrenschmaus: Texte auf CD - zum erst amüsierten, dann faszinierten Hören und Aufderzungezergehenlassen zwischen Amboß und Hirn. Für den schlemmerischen Gourmand, über den wir hier nicht den Stab brechen wollen: Beides. Zugleich. Handtke kann (sollte) endgültig einpacken.  Jandl würde sich vor den verbalen Geniestreichen gewiß tief verneigen. Peter Bichsel muß bekennen, nicht mehr allein zu sein, und Franz Hohler wird Respekt zollen, vielleicht sogar den einen oder anderen Text leihweise übernehmen (oder ein Programm mit der Verfasserin machen?). Und: Professionelle Sprecher, die auf Aufträge warten, lassen die Hoffnung fahren.

Nora Gomringer hat diese außergewöhnlich klugen, witzigen, intelligenten Texte geschrieben, heiter und ernst, dramatisch, kritisch, punktgenau und im bewundernswerten Besitz der Sprache. Gibt es das sogenannte "absolute Gehör", mit dem sich im Bereich der Musik der eine oder andere brüstet, auch in der Literatur? Nora Gomringer hätte es, gäbe es das denn, und sie hat ihre Texte selbst - wohl niemand vermöchte es wohl so gut wie sie - teils live für eine dem schmalen, nichtsdestoweniger inhaltsreichen Band  beigelegte CD gelesen, gesungen (z.B. für Odysseus, das "Amazing Grace" oder in "Family Thing", "Mia"), geplaudert, geplappert. Sie hat Hexameter skandiert, gerappt, in atemlosem Stakkato Ohr und Hirn gefordert, gesäuselt, geflüstert. Sie ist eine Sirene - aber verstopfen sie nicht ihre Ohren mit Wachs!

Sie bekommen nämlich göttliche "Annahmen über Michael Lentz", "Grenzland"-Reflexionen, ein Morgenstern-taugliches, nein, das Morgenstern-überwältigende "Ärgernis" über eine Schnecke, die viel mehr stört, als sintemalen das Huhn auf dem Bahnsteig. Dazu ein englischsprachiges "Family Thing" und ein ebensolches "Balance Baby". Nora Gomringer ist auch hier eine Meisterin der Sprache, ihre vier Jahre USA erscheinen wie ein halbes Leben. Kompakt, reif, gestopft voll von US-Anstandsregeln, Coffeeshops und "God bless America". Ihr Blick ist wach, diesseits und jenseits der wüsten See - nehmen sie das getrost ambivalent.

Unter dem Strich? Vergnügen! Unerhörtes Vergnügen! Was ich hier von Nora Gomringer gelesen und gehört habe, ist so ziemlich das Beste, was mir in den letzten Jahren an junger Lyrik überhaupt zu Ohren gekommen ist. Ein glücklicher Umstand hat es mir ins Haus geweht. Dem Klappentext des mir von meinem in Bamberg studierenden Kusinchen verehrten Buches ist zu entnehmen, daß Nora Gomringer bereits zwei weitere Bücher veröffentlicht hat. Wieso hat mir davon noch niemand was erzählt? Wieso hat mir die noch keiner geschenkt? Wieso weiß ich davon gar nichts? Wenigstens Eugen G. hätte mir das berichten können. Hat er aber nicht. Fragen über Fragen. Wurscht - jetzt (zum vierten Mal) Nora Gomringers CD hören.



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Nora Gomringer
Sag doch mal was zur Nacht

Sprechtexte  (auch schon mal live gesungen)

Voland & Quist, 2006
78 Seiten, Klappenbroschur
mit CD
12,80 Euro

Titelliste CD:
1. Ursprungsalphabet   1:52
2. Leids getan   0:58
3. Und es war ein Tag. Und der Tag   2:01
4. New York Tar   2:12
5. Annahmen über Michael Lentz   0:56
6. Annahmen über die Stadt   1:51
7. Daheim   0:24
8. Family Thing   1:50
9. Ein Ärgernis   1:49
10. High Noon   2:30
11. Und er zog sich aus   1:17
12. Mia, bring mia was mit, wenn   2:40
13. Balance Baby 2:12
14. Du baust einen Tisch 1:30
15. Sag doch mal was zur Nacht   2:06

Gesamtzeit:  26:16


Weitere Informationen unter:
www.voland-quist.de



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