Feuilleton | |
E. Dieter Fränzel / Jazz AGe Wuppertal (Hrsg.)
sounds like whoopataal Die Welt des Jazz in WuppertalVon Stefan SchmöeMitunter entsteht bedeutende neue Kunst abseits der großen Metropolen in der (vermeintlichen?) Provinz. Womöglich ist es einfacher, mit dem Etablierten zu brechen, wenn man eine gewisse Distanz dazu hat. Eine Keimzelle des Freejazz jedenfalls liegt in Wuppertal, wo Ende der 60er-Jahre Peter Brötzmann begann, das Saxophon gegen alle Regeln zu spielen und bald mit dem kongenialen Peter Kowald am Bass die Jazzwelt neu eroberte. Ohne eine gewachsene Tradition, ohne ein insgesamt kunstfreundliches Klima (immerhin begann und etablierte Anfang der 70er Pina Bausch ihr revolutionäres Tanztheater ebenfalls an der Wupper) wäre das vielleicht unmöglich gewesen. Grund genug, eine Jazzgeschichte der Stadt Wuppertal zu schreiben, ist das allemal. Der üppig ausgestattete Band sounds like whoopataal verzichtet allerdings darauf, Gründe für die Bedeutung von Wuppertal in der Welt des Jazz (so der Untertitel des Buches) zu suchen. Die Perspektive ist vielmehr von innen nach außen: Persönlichkeiten, die an der Jazzgeschichte der Stadt wesentlich mitgewirkt haben, erzählen davon allen voran Herausgeber E. Dieter Fränzel, der als Organisator seit rund vier Jahrzehnten Jazz im Wupper-Tal möglich gemacht hat. Neben Fränzel tragen Mitherausgeber Rainer Widmann (dem Gründer und Vorsitzenden der Jazz Age Wuppertal), der Musiker und Schriftsteller Dietrich Rauschtenberger, der Journalist und Pädagoge Heiner Bontrup sowie Dirk Peters, Autor und Mitinhaber des von Peter Kowald mitbegründeten CD-Labels Free elephant die Hauptlast des umfangreichen und kenntnisreichen Textes. Auch die Künstler kommen zu Wort, und ergänzt wird der großformatige Band durch eine Reihe von Beiträgen namhafter Journalisten der Jazz-Szene (darunter auch OMM-Mitarbeiter Frank Becker). Eine systematische chronologische Darstellung haben die Herausgeber bewusst vermeiden wollen; dennoch orientiert sich das Buch an den verschiedenen Epochen, beginnend mit dem Ende des 1.Weltkriegs. Ein umfangreiches Kapitel ist dem 1912 geborenen, heute fast vergessenen Ernst Höllerhagen gewidmet, der vielen als bester deutscher Klarinettist seiner Zeit galt und der sich 1956 als Mitglied des legendären Hazy Osterwald Sextetts während einer Tournee das Leben nahm. Besser im Bewusstsein verankert, wenn auch wegen seiner Hinwendung zum Schlager ist der erblindete Pianist und Sänger Wolfgang Sauer, der sinnbildhaft für das Musikbedürfnis der Nachkriegsjahre steht. Im weiteren aber legt der essayistische Zugang selbst sein Thema fest: Allein durch die wiederholte Nennung von Namen wird der Kreis um Peter Brötzmann und Peter Kowald und deren internationale Wirkung (hinzu kommt mit einigem Abstand der eigenwillige Gitarrist Hans Reichel, der sich ein eigenes Streichinstrument das Daxophon erfand) zum Schwerpunkt und zweifellos spannendsten Teil, der den Band über lokales Interesse hinaus lesenswert macht. Ein weiteres gewichtiges Argument, sounds like whoopataal durchzublättern ist die großartige Auswahl der Bilder. Von dem durch seine Kinderbücher berühmt gewordenen Wolf Erlbruch etwa ist eine wunderbare Zeichnung Peter Kowalds abgedruckt, bei der zuerst die ungeheure Massigkeit auffällt - wie auch auf den Fotos des riesigen Mannes, der fast unbeholfen vor seinem Bass zu stehen scheint und doch ungeheure Energie ausstrahlt: Ein sensibles Kraftpaket, dessen allzu früher Tod 2002 eine empfindliche Lücke geschlagen hat (und dem das Buch in Wort und Bild ein eindrucksvolles und einfühlsames Denkmal setzt). Bild und Text ergänzen sich hervorragend, was für den gesamten Band gilt, der aber trotz der 605 Abbildungen keineswegs zum Bilderbuch wird. Jedes Kapitel wird durch eine treffende Zeichnung des Wuppertaler Grafikers Jorgo Schäfer eingeleitet. Die Nähe zur bildenden Kunst ist ohnehin ein Merkmal der Wuppertaler Jazz-Szene (Peter Brötzmann, Peter Kowald und Hans Reichel sind selbst als Zeichner und Maler hervorgetreten) da passt es, dass eine vom Daxophonisten Hans Reichel entwickelte Schrifttype mit dem klingenden Namen Daxline verwendet ist. Vervollständigt wird das Buch durch eine CD mit Musikbeispielen, die naturgemäß in ihrer Zusammenstellung zu bunt schließlich sollen möglichst viele Künstler, immerhin in der Regel mit zwei Stücken, vorgestellt werden - und trotz ihrer 77 Minuten viel zu kurz ist. Eine knappe Discographie hilft neugierig gewordenen Lesern weiter; ausführlichere Informationen gibt es im Internet auf der Website zum Buch: www.jazzbuch-wuppertal.de.
Ihre
Meinung |
Weitere
Informationen unter: |
- Fine -