Feuilleton | |
»Wer ist der Gral?« Geschichte und Wirkung eines Mythos Kat. 1
Gralskelch, Zeitgenössische Originalnachbildung des Gralskelchs der Parsifal-Uraufführung 1882, illuminierbar, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Nach dem großen Erfolg der Ring-Ausstellung im Sommer 2006 (Der Ring - Die Szene als Modell, siehe: OMM-Bericht) präsentieren das Richard-Wagner-Museum, die Bayreuther Festspiele und die Schloss- und Gartenverwaltung Bayreuth-Eremitage in der Festspielzeit 2008 erneut eine Ausstellung im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. Anlass war die Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels Parsifal bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen. Kat. 30
Paul von Joukowsky, Bühnenbildentwurf zu Parsifal, Gemälde ausgeführt von Max Brückner, 1882, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Im Gegensatz zu früheren Ausstellungen stand dieses Mal aber nicht die Entstehungs- oder Rezeptionsgeschichte eines Werkes - hier des Parsifals - im Mittelpunkt, sondern die Stoff- und Motivgeschichte des Grals. Kat. 39
Paul von Joukowsky, Requisitenentwurf zu Parsifal, Gralskelch Variante B, Aquarell auf Papier, 1882, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Der Gral ist nicht nur ein zentrales Symbol in Wagners Parsifal und Lohengrin, sondern er ist generell einer der zentralen Themenkomplexe in der europäischen Kulturgeschichte, vornehmlich der christlich orientierten. Dabei versinnbildlicht er auch die Suche nach der eigenen Identität und der Erlösung im Einswerden mit sich selbst und der Welt. Ein Aspekt der Ausstellung war der Motivgeschichte des Grals gewidmet, ausgehend von Wagners Hauptquelle Wolfram von Eschenbach einerseits und Chrétien de Troyes andererseits. Während Wolfram den Gral als wundertätigen Stein beschrieb und damit die katharisch-häretisch-gnostische Stoffgeschichte repräsentiert, ist der Gral bei Chrétien der Kelch des letzten Abendmahls, in welchen Joseph von Arimatheia das Blut aus der Seitenwunde des gekreuzigten Heilands auffing. Damit repräsentiert Chrétien den christlichen Zweig der Motivgeschichte. Aber auch der Komplex der Arthus-Thematik schließt an den Grals-Mythos an. Kat. 40
Paul von Joukowsky, Parsifal, Die große Gralsszene, Gouache, 1882, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Mit Richard Wagner erhielt diese Stoffgeschichte im 19. Jahrhundert einen nachhaltigen Auftrieb. Die Rezeption seiner Werke bewirkte eine „Grals-Konjunktur", die sich nicht zuletzt im Stil des bayerischen Hofes unter König Ludwig II. zeigt. Aber auch die kultische Überhöhung der Werke Wagners, die Identifikation des Bayreuther Festspielhauses mit dem Gralstempel, des Grünen Hügels mit Monsalvat, Bayreuths mit dem Gralsgebiet und der Festspielbesucher mit der Gralsritterschaft wurden hier aufgezeigt. Kat. 41
Alexander Frenz, Illustration zu Chamberlains Richard Wagner, Tusche auf Karton, o. J., Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Thematisiert wurden auch die Geschichte und Ikonographie des Motivs »Gral« ebenso wie die Rezeptionsgeschichte von Richard Wagners Parsifal und die Bedeutung und Funktion des Grals-Symbols im Kontext der NS-Ideologie. Kat. 42 Alexander Frenz, Illustration zu Chamberlains Richard Wagner, Tusche auf Karton, o. J.,
Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth Das Motiv des »Grals« wurde schließlich auch in die neuzeitliche Esoterik des »New Age«, die Fantasy-Welle und vor allem auch den Film übernommen. Als Beispiele dafür waren Filme wie „Excalibur“, „König der Fischer“, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ oder Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“, aber auch die eher mittelbar die Themen der Erlösung und des „reinen Toren“ thematisierenden Filme wie „Matrix“ oder „The green mile“ aufgeführt. Eingang gefunden hat das Motiv auch in die Belletristik (z.B. Die Nebel von Avalon usw., Der da Vinci-Code) sowie als Pokale und Schalen, mit denen Sieger im Sport ausgezeichnet werden, auch in die „Alltagskultur". Bleibt die Frage nach der Bedeutung des Motivs in der Gegenwart: Was verbinden wir heute mit dem Begriff der „Erlösung“? – Wonach suchen wir? – Wer ist der Gral für uns? – Was bedeuten in diesem Zusammenhang „Gemeinschaft“, „Gesellschaft“ und „Ich“? – Worin besteht unsere kollektive und individuelle Identität? Die Ausstellung war auf der Hauptbühne des Markgräflichen Opernhauses in Form eines langen, verschlängelten Flures aufgebaut, sodass die ganz regulären Multimediapräsentationen im Zusacherraum nicht beeinträchtigt wurden. Ein Audioführer mit beschreibenden Texten luden zum verweilen vor zahlreichen, ausgesuchten Ausstellungsstücken ein und ermöglichten so ein intensives Eintauchen in die "Welt des Grals". Begleitend zur Ausstellung erschien im Deutschen Kunstverlag ein Ausstellungskatalog mit zahlreichen meist farbigen Abbildungen. Gefördert wurde das Projekt mit Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Weitere OMM-Berichte über die
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»Wer ist der Gral?« - Ausstellung im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. »Wer ist der Gral?« Geschichte und Wirkung eines Mythos Hrsg. Sven Friedrich Erschienen Juli 2008 Mit Beiträgen von Sven Friedrich, Ulrike Kienzle, Peter Emmerich und Volker Mertens 80 Seiten mit 64 farbigen und 13 schwarzweißen Abbildungen, 21 x 29,7 cm, Broschur ISBN: 978-3-422-06838-4 Weitere
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