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Bayreuther-Festspiele 2002

25. Juli - 28. August 2002


Festspielnotizen aus einer friedlichen Kleinstadt

von Stefan Schmöe

So friedlich ging es am Bayreuther Grünen Hügel seit Jahren nicht mehr zu: Entflammte in der Vergangenheit zuverlässig einige Wochen vor Festspielbeginn die Diskussion um die Nachfolge Wolfgang Wagners in der Festspielleitung, stets mit allerlei Handgreiflichkeiten aus dem Wagner-Clan angereichert, so herrscht dieses Jahr, zumindest an der Oberfläche, schönste Einigkeit. Wolfgang Wagner hatte schließlich rechtzeitig mit der Benennung von Klaus Schultz, Intendant des Münchner Gärtnerplatz-Theaters, einen des revolutionären Umstürzlertums unverdächtigen und gleichzeitig erfahrenen Theaterfachmann als Mitarbeiter der Festspiele benannt, der kurzfristig die Festspielleitung übernehmen könnte, und damit seinen Kritikern aus allen Lagern den Wind aus den Segeln genommen - zu Lebzeiten des auf Lebenszeit zum Festspielleiter berufenen Wagner-Enkels, so scheint es, ist die Nachfolgeregelung aus der Welt, und indes kann Tochter Katharina (24) am Würzburer Theater Regie-Erfahrung sammeln (sie wird dort den Fliegenden Holländer inszenieren).

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Festspieltaugliche Übersichtlichkeit: Die Öffnungszeiten der öffentlichen Toiletten

Also gilt's dieses Jahr ausschließlich, getreu dem Vergangenheits-Verdrängungs-Motto der ersten Neu-Bayreuther Festspiele von 1951, der Kunst. Und selbst die verhält sich friedlich: Die Neuinszenierung des Tannhäuser ist zwar einhellig von der Presse verissen worden, aber nicht wegen einer etwaigen provokativen Aussage, sondern wegen ästhetisch veredelter szenischer Öde. Nichts, was Anstoß erregen könnte; bestenfalls die ziemlich bunte Ausleuchtung, über die zu streiten lohnte. So dürfen sich Alt- und Jungwagnerianer in schönster Einigkeit langweilen über eine Inszenierung, die durch eine großzügige Spende des amerikanischen Millionärs Alberto Vilar bei gedanklicher Leere optisch protzen darf. "Möge seine Tat, die in der Festspielgeschichte einzigartig dasteht, anderen Förderern ein inspirierendes Beispiel geben!" heißt es zu diesem gut gemeinten, aber angesichts der gedanklichen Armut der Inszenierung zwiespältig stimmenden Beispiel von Mäzenatentum. Zu neuen Taten also ruft die Festspiellleitung die kunstfreudige Hochfinanz auf - in weiter Ferne ruft schließlich Filmregisseur Lars von Trier, der 2006 den Ring auf die Bühne bringen wird. Bis dahin muss die aktuelle Ring-Inszenierung von Jürgen Flimm herhalten, die trotz ihrem intellektuell engagierten Zugang kein ganz großer Wurf ist, aber durchaus auch ihre Vorzüge hat. Den Bayreuther Festspielfrieden stört sie dabei nicht.

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Bayreuther Kulturkalender: Flankierende Maßnahmen zum Gewinn bringenden Festspielgenuss

Im nächsten Jahr wird Claus Guth den Fliegenden Holländer inszenieren (Dirigent: Marc Albrecht), 2004 kehrt Pierre Boulez nach Bayreuth zurück und dirigiert Martin Kusejs Neuinszenierung des Parsifal. Mit dieser Programmplanung (hinzu kommt 2005 ein neuer Tristan, dessen Produktionsteam noch nicht benannt ist) hat Wolfgang Wagner ungebrochene Gestaltungskraft bewiesen - und milde stimmt den Kritiker das Versprechen, mit den Meistersingern die letzte eigene Inszenierung aus dem Spielplan zu nehmen. Bleibt in diesem Jahr noch der Lohengrin von Keith Warner mit Andrew Davis als neuem Dirigenten als belebendes Element der Festspiele.

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Noch über der Weltliteratur anzusiedeln: Signierstunden der Festspielsänger

Flankierende Ausstellungen zu den Festspielen gibt es in Bayreuth in diesem Jahr kaum. Der Karikaturist Matthias Ose stellt im Freimaurermuseum Karikaturen zu Tannhäuser aus, die aber mehr liebevoll den Schaffensprozess aufs Korn nehmen als das Sujet zu verspotten - nichts, was den Wagnerianer ärgern könnte. Die Villa Wahnfried präsentiert Ansichten der Wartburg, und im Neuen Rathaus ist im Rahmen einer "Erlebnisausstellung" (wohinter sich nicht mehr als ein überdimensionierter Messestand verbirgt) der Klaviermanufaktur Steingräber, die ihr 150. Geburtstag feiert, die originale Gralsglocke aus dem Parsifal von 1882 zu sehen - ein ziemlich grob ausschauendes Tasteninstrument mit arg begrenztem Tonvorrat. Mehr als nette Randerscheinungen sind das nicht, und das Richard-Wagner-Museum in der Villa Wahnfried beklagt den Verlust einer Gipsbüste Ludwigs II., die wohl durch einen ungeschickten Besucher in Schutt gelegt wurde. Ansonsten staubt die merklich in die Jahre gekommene Ausstellung im wahrsten Wortsinne vor sich hin.

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Enthüllet den Gral: Auch der Parsifal soll, auch was Unterwäsche betrifft, die (Kauf-)-Lust des Wagnerianers steigern.

Museumschef Sven Friedrich gibt sich, ganz im Gegensatz zur von ihm betreuten Sammlung, demonstrativ progressiv und medientheoretisiert wortgewaltig im Programmbuch der Festspiele über virtuelle Welten im Tannhäuser: tannhaeuser@venusberg.de ist sein wortgealtiger Beitrag überschrieben, der die Festspiele in den Cyberspace abheben lässt (das scheint in Bayreuth gerade in zu sein, denn die Kirche läd zum "chatten mit Gott" ein). Heikle Themen wie Geschichtsaufarbeitung oder Peinlichkeiten wie die schulmeisterliche Rechtfertigung des konservativen Wagnerianismus, die das schmucke Buch (das unverändert im schwer zu entsorgenden Umhängesack ausgeliefert wird) in der Vergangenheit an den Rand des Absurden führten, sucht man in diesem Jahr vergebens.

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Ökogisch verträglicher Wagner: Dieser Baum wird von der Festspielleitung persönlich vor rabiaten Fahrradfahrern geschützt

So durchlebt Bayreuth eine unaufgeregt heitere Festspielzeit. Der netteste Gastwirt, so möchte die Redaktion des OMM ganz subjektiv und ohne jeden Anspruch auf Repräsentativität dieser Feststellung mitteilen, ist auch in diesem Jahr der "Vogelwirt" in der Friedrichstraße, der uns auch nach Küchenschluss nicht darben ließ (und sich dabei darüber erregte, dass der gemeine Festspielgast seinen Biergarten nicht zu schätzen wisse). Es ist oft eben die eigentümliche Mischung aus fränkischer Gemütlichkeit und musikdramatischer Hochkultur, der den Charme der Bayreuther Festspiele ausmacht.

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