Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur Homepage Zur Festspielseite E-Mail Impressum



Samstag 7. September 2002, Beethovenhalle Bonn

Internationales Beethovenfest Bonn 2002



Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15
Pascal Dusapin: A quia Konzert für Klavier und Orchester (Uraufführung, Auftragswerk der Int. Beethovenfeste)
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 5 c-Moll op. 67


Christoph Eschenbach, Klavier
Jan Pace, Klavier
Orchestre de Paris

Leitung: Christoph Eschenbach

Gelungener Auftakt des Beethovenfestes

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos: pr



Wenn das neue Beethovenfest in Bonn so fortfährt, wie es begann, darf man gespannt sein. Dabei war die Wahl des Programms mit einer Uraufführung bei sonst nur Beethoven sicherlich gelungen.

Doch bevor die Musik um 20.17h endlich beginnen durfte, waren 3 Reden anzuhören; ähnlich lautende Grußworte der Stadt, des Landes NRW sowie der französischen Republik, letzteres dabei klar am inhaltsreichsten, stellten den Rahmen für ein ausgeprägtes Stück deutsch-französischer Freundschaftspflege, spielte doch ein französisches Orchester mit deutschem Chefdirigenten die Uraufführung eines französischen Komponisten in Deutschland; die Komplettierung europäischer "Großmächte" durch den britischen Pianisten blieb dabei auffällig unauffällig.

Das Klavier-Konzert, nachdem es nun endlich beginnen durfte, zeigte Beethoven in seiner Gewordenheit; gerade in der langen Einleitung vor dem Einsatz des Flügels meinte man fast, Haydns 105. in etwas zu groß geratener Besetzung zu vernehmen.
Der Dirigent am Flügel, was wir außerhalb der engeren Barockensembles schon lange nicht mehr gesehen haben, präsentierte sich technisch durchaus brillant, ohne zu laut zu werden. Bei überwiegend verhaltenem Ausdruck nahm Eschenbach fast die ganze Durchführung piano, was seiner analytischen Dirigierform ideal korrespondierte.
Dialog im fortgeschrittenen Sinne wurde im Largo sehr viel deutlicher; Eschenbach entfaltete gleich doppelt bei durchaus kräftigen tutti, wie man sie gerne öfters hören würde, überaus empfindsame Stimmung gleich einem nocturno aus späterer Ära.
Das Finale nahm Eschenbach sehr rasch, wobei eine auch hier wie schon zuvor eine erstaunlich gute Übertragung der Tempi trotz stark eingeschränkter Sicht als Folge der besonderen Anordnung gelang. Die Anlage des Werkes zum echten Dialog statt bloßen Zusammenspiel konnte sich hier deutlich zeigen, wie man ebenfalls zu hören meinte, dass dieses Werk noch für eine Bauart Clavier geschrieben worden war.

Pascal Dusapin Foto links:
Komponist Pascal Dusapin

Dem 1.Klavierkonzert des 'genius loci' folgte als gemeinsames Auftragswerk des Beethovenfestes, des Orchestre de Paris und des Festivals Musica Strasbourg ein ebensolches des gegenwärtigen und im Saale anwesenden Erfolgskomponisten Pascal Dusapin zur Uraufführung.
Mit seinen 28' Dauer schien es den Erwartungsrahmen einiger Konzertbesucher überfordert zu haben, denen freilich auch die Lektüre des - im übrigen sehr gelungenen - Programmheftes Kenntnis über die 3-Sätzigkeit des Werkes vermittelt hätte, was sie vor peinlichem Dazwischenklatschen bewahrt hätte!
"A quia" bedeutet demnach jene Sprachlosigkeit, die einem Disputanten zurzeit der Scholastik zustieß, wenn seine Argumente verbraucht waren, er nicht mehr weiter wusste und ins stotternde Stammeln geriet. Eine derartige Haltung vermochte die Musik glaubhaft auszudrücken, so dass bei aller berechtigten Kritik an der Ausdrucksästhetik hier doch ein Feld gefunden schien, das dem modernen Menschen in seiner Zerrissenheit sehr passend zugesichte steht. Der 'Drohung' des Artikels im Programmheft zufolge war eine "jeglichem Intellektualismus ablehnend gegenüber" stehende Musik á la W.Rihm zu befürchten, doch war das Ergebnis sehr viel anhörbarer.

Zunächst einmal schien der Compositeur es hörbar zu genießen, einen so großen und belastbaren Klangkörper als Auftraggeber zu haben, dem er Gehöriges abverlangt und dabei Klangfarben ausreizt, die keineswegs von jedem beliebigen Orchester ähnlich deutlich zu produzieren wären. Schon der Schlagwerker hatte hier mehr zu tun als sonst an manch langem Abend insgesamt und avancierte dabei zum wichtigsten Dialogpartner des Solisten.

Jan Pace

Foto rechts:
Pianist Jan Pace beim Partiturstudium

Schon früh zeigte sich dabei jenes titelstiftende Stocken, derweil zu forttreibenden Blechattacken die Streicher flimmernde Klangteppiche ausbreiteten. Bisweilen meinte man, das Stöhnen durchzuhören, ein Gestammel in Tasten, klingende Sprachlosigkeit. Multiple Tonrepetition bei weitgehendem Verzicht auf Dynamik und auf nachvollziehbare Formgestalt erzeugt einen neuen Typ von Emotionalität durch Reduktion, der zugleich die Minimalisten links überholt. Auch wenn das Orchester stärker erwacht, tritt alles auf der Stelle wie in einem Migräneanfall, bis es in pianistischem Nichts verklingt.

Wie zur Genesung wurde nach der Pause reichlich akustische Medizin ausgeteilt. So mächtig war op.67 lange nicht gehört worden!

Christoph Eschenbach Foto links:
Christoph Eschenbach

Eschenbach wählte sehr rasche Tempi, als hätte er übersehen, dass erst das Finale Presto heißt; etwas mehr Ruhe wäre sicher auch der Präzision zugute gekommen. Die Hammerschläge freilich brutalisiert es enorm, wie es überhaupt erfreulich viel forte zu hören gab. Wo Beethoven am beethovensten ist, packte den Taktstockmagier entweder die Sympathie mit unseren schwerhörigen ZuhörerInnen oder unsere persönliche Vorliebe für kräftige Dynamik, vielleicht auch nur die Einfühlung in des Meisters Leiden zuzeiten der Komposition.
Das Andante gelang wundervoll zwischen hörbarem Formwillen und ungeschmälerter Expressivität, und noch im Finale war selten so viel Elan zu vernehmen, der hier durch krasse Beschleunigung in der Reprise bzw. der Coda zustande kam.
Der sonst fast bewegungsscheue Maestro vergaß alle Distinguiertheit, geriet in wilde Fuchtelei und wurde mit standing ovations unter Bravorufen gefeiert - wie wir meinen: zurecht!



Da capo al Fine

Zur Homepage Zur Festspielseite E-Mail Impressum

© 2002 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
Email: festspiele@omm.de

- Fine -