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Bregenzer Festspiele 2005

Der Troubadour (Il trovatore)
Oper in 4 Akten von Giuseppe Verdi
Dichtung von S. Cammarano und L. E. Bardare

Seebühne
Premiere am 21. Juli 2005
Besuchte Aufführung am 23. Juli 2005

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden (keine Pause)


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Bregenzer Festspiele
(Homepage)

Feuer, Wasser, Luft und Erdöl

Von Bernd Stopka / Fotos von Karl Forster, Bernd Hofmeister, Achim Mende,

Was macht die Mächtigen mächtig? Die Herrschaft über kostbares Gut. Was ist ein kostbares Gut? Zum Beispiel Erdöl. Und um kostbare Güter wird auch schon mal Krieg geführt.

So einfach erklärt sich die riesige, schmutzig-rote Ölraffinerie auf der Bregenzer Seebühne, auf der in diesem und dem nächsten Jahr Verdis „Troubadour" gespielt wird. Ein Krieg um Herrschaft und Macht bildet den Hintergrund der Handlung dieser Oper. (Im Vordergrund steht natürlich die Liebe. Was auch sonst).


Vergrößerung in neuem Fenster (Foto Achim Mende)

Bühnenbildner Paul Steinberg hat eine geradezu archetypische Industrieanlage entworfen, die mit ihren vier riesigen Ecktürmen an eine mittelalterliche Burganlage erinnern soll, und damit einen Bezug zum Originalschauplatz des Damma lirico enthält. Miruna Boruzescus Kostüme sind brandaktuell und so entstehen Bilder in denen Regisseur Robert Carsen die Geschichte als eine Geschichte von heute erzählt. Und das gelingt ihm ziemlich gut.

Leonora ist eine reiche Dame, die sich im schwarzen Mercedes zur extravaganten Party fahren lässt. In glitzernden Abendgarderoben trifft sich eine dekadente Gesellschaft zum ultimativen Event. Der letzte Kick: schick in die Fabrik.


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Zigeunerchor
(Bild Achim Mende)

Flüchtlinge, die keiner haben will, die aber doch irgendwohin müssen, stellen die Randgruppe dar, die bei Verdi noch Zigeuner hießen. Sie kommen aus den Zugängen zur Zuschauertribüne überschreiten auf ausfahrbaren Stegen das Wasser und sammeln sich auf schmutzigen, verschlammten Ölfässern vor der Fabrik. Keine Hammerschläge auf Ambosse, sondern aggressives Schlagen mit Waffen und Steinen an den Hochsicherheitszaun, der inzwischen das Raffineriegelände abgrenzt, begleiten den berühmten Zigeunerchor bevor die Vertriebenen mit Sack und Pack Zuflucht in der Kanalisation suchen. Abgang durch den Abfluss. Vielleicht eine ein bisschen sehr holzhammerartige Gesellschaftskritik.


Vergrößerung in neuem Fenster Zigeunerchor
(Bild: Karl Forster)

Schwerst traumatisiert lebt Azucena in ihrer eigenen Welt. Wann immer sie ein Feuer sieht, lebt in ihr das alte Drama wieder auf. Wie sie damals das aus Rache für den Feuertod ihrer Mutter geraubte Grafenkind mit ihrem verwechselte, das eigene Kind ins Feuer warf und dann das fremde Kind als ihr eigenes aufzog. Darüber kann man schon mal wahnsinnig werden, keine Frage.

Dieses Kind, kämpft nun als erwachsener Manrico gegen seinen eigenen Bruder, den Grafen Luna. Und zwar gleich auf zwei Kampfplätzen: Um die politische und wirtschaftliche Macht und um Leonora, die Frau, die beide lieben. Die Begegnung der beiden Rivalen artet in die erwartete Gewalt aus, allerdings nicht als Mantel-und-Degen-Duell, sondern eher als kleine Klopperei.

Was macht eine Frau in dieser Situation, wenn sie sich in einer italienischen Oper befindet? Sie geht ins Kloster. Zumindest versucht sie es, wird aber von beiden Verehrern davon abgehalten und verschwindet mit des Grafen Motorboot, aber mit Manrico in den Weiten des Bodensees.

Eindrucksvoll erschien zuvor der Nonnenchor in einem kerzenbeschienenen Gang durch das Ölheiligtum, bevor sich jede andächtig vor ein Ölfass stellt, das so verdächtig einem Altar ähnelt. Da bekommt, der Rohstoff einen religiösen und oder esoterischen Aspekt. „O Erdöl, erbarme Dich unser“.


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Auch eine Explosion darf nicht fehlen
(Foto Bernd Hofmeister)

Diese Produktion ist ein echtes Spektakel mit Soldatenballett und Explosionen und mit vielen weiteren pyrotechnischen Effekten, die vielleicht noch etwas gewinnen könnten, wenn sie nicht gar so offensichtlich auf den musikalischen Punkt choreographiert wären. Orchesterschlag = Feuersäule, aber andererseits zeugt der punktgenaue Synchronismus von handwerklichem Können. Die mächtige Feuerwand als Schlussbild verfehlt ihre Wirkung jedenfalls nicht.


Vergrößerung in neuem Fenster Soldatenballett
(Foto Karl Forster)

Das Feuer des Scheiterhaufens auf dem Azucenas Mutter verbrannt wurde und in das Azucena ihren eigenen Sohn warft, zieht sich als virtuelles Leitmotiv durch die Szene, spektakulär, aber doch sinnfällig. Robert Carsen schafft es mit einer deutlichen, aber nicht überdeutlichen Aktualisierung spannende Aspektes dieses kruden Dramas mit Feuerschein zu beleuchten. Dabei hält er sich im Zaum und schießt nicht über das Ziel hinaus. So erschreckt er ein bisschen mit Aktualität, aber er verschreckt nicht.

Bei der Beurteilung der musikalischen Seite ist Vorsicht geboten, da man keinen Ton original hört sondern nur über die Beschallungsanlage. Dirigent und Orchester werden aus dem Festspielhaus live übertragen. Per Bild an die äußeren Beleuchtungstürme - die weit genug von der Bühne weg stehen, so dass es nicht stört - und per Ton über die exzellente Beschallungsanlage. Das Zusammenspiel funktioniert glänzend, die Balance meistens auch (manchmal ist das Orchester etwas zu laut, was aber hier die Tontechnik angeht, nicht den Dirigenten).
Diese neue, heuer erstmals eingesetzte Anlage vermittelt den Eindruck, dass man die Sänger von der Stelle hört, an der sie gerade auf der Bühne stehen. So wirken sie sehr präsent, zumindest klangtechnisch.


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Graf Luna allein
(Foto Bernd Hofmeister)

George Petean gelingt es höchst eindrucksvoll mit seiner Arie vor dem Kloster, oder besser: dem Ölheiligtum, trotz der riesigen Dimensionen von Bühne, See und 7000 Menschen im Publikum, eine Intimität zu beschwören, die den Grafen Luna eben nicht nur als Bösewicht erscheinen lässt. Als Leonora verfügt Katia Pellegrino über eine reich blühende Mittellage, in der Höhe stören im Forte aber immer wieder einige Rauigkeiten. Die Koloraturen in der großen Arie des 4. Aktes gelingen ihr dagegen sehr eindrucksvoll. Patrizia Patelmos Azucena fehlt das Dämonische, das Packende, dass das Schicksal dieser Frau lebendig werden läßt. Die Azucena bleibt blass, wenn sie allzu gradlinig gesungen wird. Da könnte die Sängerin etwas von ihren stärkeren Momenten im letzten Akt über die ganze Partie verteilen. Den Manrico singt Dario Volontà mit viel Kraft, was ihn - gegen Ende deutlich hörbar – einige Anstrengung kostet. Er schmückt seine sängerische Leistung aber immer wieder mit einem strahlenden Spitzenton. Aus den kleineren Partien ragt Deanne Meek als Ines mit ihrem gleichmäßig geformten, sehr kultivierten Mezzo hervor.


Vergrößerung in neuem Fenster Ines (Deanne Meek) und Leonora (hier: Sondra Radvanovsky)
(Foto Karl Forster)

Dirigent Fabio Luisi legt neben großen Effekten viel Wert darauf, dass die lyrischen und zarten Momente nicht verloren gehen. Dadurch gelingt es ihm, die Oper nicht im Rausch des Riesenseebühnenspektakels untergehen zu lassen. Makellos spielen die Wiener Symphoniker und ebenso singt der wohleinstudierte Chor.


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Finale Feuerwand
(Foto Bernd Hofmeister)


FAZIT

Mit einem Opern-Open-Air, bei dem man nur über eine Beschallungsanlage hört, mögen Opernpuristen ihre Probleme haben. Aber die Bregenzer Seebühne hat andere Intensionen und Qualitäten. „Spektakel müssen sein!“ und erst recht, wenn sie soviel Vergnügen bereiten.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabio Luisi

Regie
Robert Carsen

Bühne
Paul Steinberg

Kostüme
Miruna Boruzescu

Lichtdesign
Patrick Wodroffe

Akustikdesign
Wolfgang Fritz

Choreographie
Philippe Giraudeau

Dramaturgie
Ian Burton



Kammerchor Moskau
(Leitung: Vladimir Minin)

Bregenzer Festspielchor
(Leitung: Markus Landerer)

Dancers, Special Group,
Statisterie der
Bregenzer Festspiele

Wiener Symphoniker


Solisten


* Besetzung der rezensierten Aufführung

Graf Luna
George Petean*
Zeljko Lucic
Scott Hendricks

Leonora
Katia Pellegrino*
Sondra Radvaovsky
Tatjana Serjan

Azucena
Patrizia Patelmo*
Marianne Cornetti
Larissa Diatkova

Manrico
Dario Volontà*
Zwetan Michailov
Alfredo Postilla

Ferrando
Markus Marquardt*
Clive Bayley
Giovanno Battista Parodi

Ines
Deanne Meek*
Katharina Peetz

Ruiz
André Post*
José Luis Ordonez

Ein alter Zigeuner
Dimitriy Belosselskyi


Weitere Informationen
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Da capo al Fine

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