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Göttinger Händel Festspiele 2006 Göttinger Händel Festspiele
27. Mai -7. Juni 2006


„Händel im Spiegel Mozarts“

Von Gerhard Menzel

Auch bei den Händel-Festspielen in Göttingen spielte dieses Jahr der 250. Geburtstag Mozarts für die Programmgestaltung die zentrale Rolle. Aus diesem Grunde waren die Festspiele auch unter eine deutsch-österreichische Doppelschirmherrschaft gestellt worden, die Christian Wulff, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, und Benita Ferrero-Waldner, EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und europäischer Nachbarschaftspolitik übernommen hatten.

Aber nicht nur Mozarts 250. Geburtstag wurde gefeiert, sondern auch die 275 Jahre zurückliegende Uraufführung von Händels Oper "Poro" in London, die nun zum ersten Mal in Göttingen zur Aufführung kam (und die ebenfalls eine - wenn auch entfernte - Beziehung zu Mozart aufweisen kann).

Zum ersten Mal in Göttingen zu erleben war auch das anlässlich des 75jährigen Bestehens der Göttinger Händel-Gesellschaft e.V. gegründete "Festspiel Orchester Göttingen". Nach den seit 1985 bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe musizierenden "Deutschen Händel-Solisten" und dem "Händelfestspielorchester" in Halle (einer Auswahl von Mitgliedern des Opernorchesters, die sich seit 1993 der "historischen" Aufführungspraxis widmen), stehen ab diesem Jahr nun auch den Gpttinger Händel-Festspielen ein eigenes Festspielorchester zur Verfügung, das auch außerhalb Göttingens das hohe Niveau der Festspiele in die Welt hinaus tragen soll. In diesem Festspielorchester vereinigen sich die besten Musiker aus 4 Kontinenten, 12 Ländern und den bedeutendsten Ensembles, die alle auf einer Wellenlänge mit ihrem künstlerischen Leiter Nicholas McGegan liegen.

Wie immer in Göttingen dient das Festival-Thema nicht nur als eingängiger Werbeslogan, sondern bezeichnet tatsächlich den thematischen Schwerpunkt der Festspiele, der durch die Konzerte, das Symposium und den Festvortrag in verschiedenster Weise beleuchtet wird.

Poro, Re dell'Indie
Poro, Re dell'Indie  
Foto von Dorothea Heise  


Poro, Re dell'Indie (Rezension)
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Kammerkonzert 3  
"Trio di Clarone"  
Sabine Meyer  
Reiner Wehle  
Wolfgang Meyer  
Foto: Gerhard Menzel  


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Dank Mozart wurde es dieses Jahr sogar möglich, dass im Rahmen der Händel-Festspiele auch das "Trio di Clarone" - mit Sabine Meyer, Reiner Wehle und Wolfgang Meyer - auftreten und die dunkle und warme Klangfarbe der von Mozart so besonders geschätzten Klarinetten und Bassetthörner präsentieren konnte (Kammerkonzert 3).

Neben Mozarts Auseinandersetzung mit Johann Sebastian Bachs "Wohltemperierten Clavier" in "Adagio und Fuge" in F-Dur (KV 404a) für Klarinette, Bassetthorn und Bassklarinette (im Original für Streichtrio) und mit Wilhelm Friedemann Bach in "Adagio und Fuge" in f-Moll (KV 404a) für Klarinette, Bassetthorn und Bassklarinette, erklang auch Mozarts Divertimento in F-Dur, dessen vier Arien-Bearbeitungen aus "Cosi fan tutte" - "Come scoglio immoto resta" (Fiordiligi), "In uomini, in soldati" (Despina), "Un'aura amorosa" (Ferrando), "Una bella serenata" (Ferrando, Don Alfonso, Guglielmo) - Rainer Schottstädt für drei Bassetthörner eingerichtet hatte.

Als Kontrast zu Carl Philipp Emanuel Bachs Duo in C-Dur (Wq. 142) für zwei Klarinetten wirkte die Sonate für zwei Klarinetten (1918) von Francis Poulenc (1899-1963) als moderner und sehr interessanter Farbtupfer.

Auch Händels einzige Komposition für Klarinetten stellte das wunderbar harmonierende "Trio di Clarone" vor, nämlich die Ouvertüre (Suite) D-Dur (HWV 424) für zwei Klarinetten und Corno da Caccia (arr. für Bassetthorn).

Dieses phantastische Ensemble auch einmal bei den Händel-Festspielen erleben zu können, war eine wirklich großartige Bereicherung!

Mozarts Beschäftigung mit den Werken Händels wurde vor allem durch den Kontakt mit dem Baron Gottfried van Swieten beeinflusst. Obwohl nach Händels Tod dessen Oden und Oratorien nicht nur in England weiterhin zur Aufführung kamen, war es van Swieten, der als musikbegeisterter Diplomat - zunächst als k. k. Gesandter am preußischen Hof, dann als Präfekt der Hofbibliothek in Wien (als eine Art Kulturstaatsminister Kaiser Josephs II.) - Händels und Bachs Werke nach Wien brachte und dort auch aufführte.

In diesem Zusammenhang beauftragte Gottfried van Swieten zwischen 1788 und 1790 Mozart, der ebenfalls den "associierten Cavaliers" für Aufführungen von Oratorien angehörte, Händels "Messias", "Das Alexanderfest", die "Ode auf St. Caecilia" und "Acis und Galathea" zu bearbeiten und zu dirigieren.

Während der diesjährigen Festspiele kamen so, abgesehen von "Acis und Galathea" (woraus nur zwei instrumentale Sätze erklangen). alle drei anderen von Mozart bearbeiteten und aufgeführten Werke Händels vollständig zur Aufführung.

Gemäß der Grundprinzipien der "associierten Cavaliers" wurden die englischen Texte ins deutsche übersetzt und die Aufführungen den gegebenen Umständen (Besetzung, Raum, Ausführende) und der aktuellen musikalischen Mode angepasst. Die Musik wurde zum Teil neu instrumentiert und Singstimmen (Soli-Chor) anders verteilt. Es wurden Bläserstimmen hinzugefügt, die auch die Orgelstimme übernahmen, Chorstimmen durch Posaunen verstärkt und eine generelle Vereinfachung der Chorstimmen vorgenommen, indem zum Beispiel die Sechzehntelnoten des Chores den Solostimmen übergeben wurden. Eine andere Verteilung der Noten im Orchester war unter anderem auch deswegen erforderlich, da zum Beispiel die Originalstimmen mit den zeitgenössischen Trompeten einfach nicht mehr spielbar waren.

All dieses und noch viel mehr komprimierte Informationen und Details präsentierten Experten aus Wissenschaft und Praxis beim Symposion in der Aula der Universität, das von Prof. Dr. Hans-Joachim Marx (Hamburg) geleitet wurde. Unter dem Motto "Händel in der Wiener Klassik" ging es um überlieferungs- und interpretationsgeschichtliche bzw. aufführungspraktische Fragen, die jeweils einen Komponisten der "Wiener Klassik" als Bezugspunkt hatten.
Prof. Dr. Andreas Holschneider (Baden-Baden) stellte die Beziehungen Mozart und Händel in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, deren praktische Auswirkungen der Bearbeitungen durch Festival-Chef Nicholas McGegan und der seit ihrem großen Erfolg als "Phartenope" in Göttingen bekannten Sopranistin Meredith Hall eindrucksvoll demonstriert wurden.
Dr. Annette Oppermann (Köln) betrachtete nicht nur Haydns Chorkomposition "Der Sturm" im Hinblick auf Händels Schaffen, sondern auch Haydns erheblichen Einfluss auf das Konzertleben in London. Mit der besonderen Beziehung und Verehrung, die Beethoven gegenüber Händel stets hegte und immer wieder zum Ausdruck brachte, beschloss Prof. Dr. Martin Staehelin (Göttingen) dieses informative und thematisch konzentrierte Symosion.

Der "rednerische" Höhepunkt der Festspiele folgte dann einen Tag später beim Festvortrag unter dem Motto "Unter den ältern Komponisten schäzte er am allerhöchsten aber Händeln". Der Leibnitz-Preisträger Prof. Dr. Ulrich Konrad (Würzburg) bot durch seine sehr lebendige und plastische Vortragsweise eine wahre Gala-Vorstellung, in der er sehr unterhaltsam, kompetent und mit sicht- und hörbarer Begeisterung verschiedene Facetten der Beziehung von Wolfgang Amadé Mozart zu Georg Friedrich Händel aufzeigte. Die deutlichsten Spuren führen dabei zu den geistlichen und dramatischen Werke Mozarts, die Konrad an den Kompositionen des "Regina coeli" KV 276, "Don Giovanni", der "c-Moll Messe" und des "Requiems" aufzeigte.

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Symposion  
Prof. Dr. Martin Staehelin (Göttingen)  
Dr. Annette Oppermann (Köln)  
Prof. Dr. Hans-Joachim Marx (Hamburg)  
Festival-Chef Nicholas McGegan  
Prof. Dr. Andreas Holschneider
(Baden-Baden)  
Foto: Gerhard Menzel  


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Festvortrag  
Prof. Dr. Ulrich Konrad (Würzburg)  
Foto: Gerhard Menzel  
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Nicholas McGegan  
bei der Übereichung der  
Ernennungsurkunde zum Honorarprofessor  
Foto: Gerhard Menzel  

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Der Messias  
Foto: Gerhard Menzel  

Bevor "Der Messias" in der Bearbeitung von W. A. Mozart (KV 572) in der Stadthalle Göttingen zur Aufführung kam, wurde Festspielchef Nicholas McGegan feierlich zum Honorarprofessor der Universität Göttingen ernannt. In Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater Hannover soll McGegan seine Arbeit auf die Schwerpunkte Aufführungspraxis von Opern des 17. und 18. Jahrhunderts, sowie Barockgesang und Dirigierkurse legen.

Die Mozart-Bearbeitung von Händels "Messias", der als Kooperation auch in der Galerie Herrenhausen (Hannover) aufgeführt wurde, ist allerdings, wie es Nicholas McGegan so schön formulierte, mehr als ein "colorized movie". Mozart fügte nämlich nicht nur neue Farben hinzu (z.B. Bläser), sondern nahm auch strukturelle und kompositorische Veränderungen vor. Das musste sich zwangsläufig auch auf die Tempi auswirken, was McGegan in seiner Interpretation eindrucksvoll umsetzte.

Merkwürdig erschien allerdings die etwas befremdende Zusammenstellung der Solisten, die nicht sehr homogen wirkten. Die Sopranstimme von Lisa Saffer klang hell und etwas zu hart, gerade für die eher zarten Passagen der "Pastorale". Die Alt-Partie wurde dagegen von Wilke te Brummelstroete mit rund und warm klingenden, ruhig und ebenmäßig geführten Alt gestaltete. Während Thomas Cooley mit seinem präsenten und sehr textverständlichen Tenor dem Tonfall Mozarts sehr nahe kam, wirkte der kräftige Bass von Nathan Berg manchmal etwas zu knorrig und brummig. Den Kontrast von erwartungsvoller Spannung bis zu stürmischer Dramatik setzte er allerdings gut um.

Dem erstmals auftretenden Festspiel Orchester Göttingen gelang unter der - wie immer - beeindruckenden Leitung von Nicholas McGegan ein blendender Einstand. Dieses "Auswahlorchester" stellte sich allerdings nicht als Händel- bzw. Barock-Orchester vor, sondern als ausgewiesenes Mozart-Orchester. Dieses unterscheidet sich nicht nur in Bezug auf die gewählten Instrumente und die Stimmung, sondern hat auch Auswirkungen auf die schon erwähnten Tempi, die Dynamik, die Artikulation und die Phrasierung.

Dieser spezifische "Mozart-Klang" des Orchesters stand allerdings in starkem Kontrast zum eher "romantischen" Chorklang des NDR Chores, den Ralf Popken für diese Aufführung einstudiert hatte. Der NDR Chor klang dabei jederzeit homogen, stimmgewaltig, nie forciert und auch im Piano immer tragfähig. Ob rhythmisch stark akzentuierend oder im großen Legato schwelgend, zeigte er sich in blendender Verfassung. Auch der "Halleluja"-Schlusschor des zweiten Teils und die große "Amen"-Fuge am Ende des Werkes waren in seinen Steigerungen von Nicholas McGegan sorgsam gestaltet.

Ähnliches gilt auch für Mozarts "c-Moll Messe" (KV 427). Nicholas McGegan präsentierte das Werk hier in der Rekonstruktion von Robert D. Levin, die ihre Uraufführung in dieser Version erst im Januar 2005 in der New Yorker Carnegie Hall erlebt hatte. Levin griff dabei sowohl auf die vorhandene Musik und Skizzen zur Messe selbst zurück, als auch auf die Kantate "Davide penitente" (KV 469), die Mozart aus Material der Messe zwei Jahre später komponiert hatte.

Wie schon beim "Messias" wirkte die Zusammenstellung der Solisten gar nicht homogen. Während Lisa Saffer (Sopran) und Meredith Hall (Alt) zum Teil etwas angestrengt klangen, überzeugten der sehr textverständliche Thomas Cooleys mit seinem frischen und präsenten Tenor sowie Nathan Berg, der seinen Bass hier etwas zurückhaltender einsetzte.

Das Festspiel Orchester Göttingen und der NDR Chor zeigten sich unter Nicholas McGegans engagiertem Dirigat auch hier von ihrer besten Seite.

Die beiden das Konzert eröffnenden A-cappella-Chöre von Alessandro Scarlatti: - "Adorna Thalamum", Motette für vier Stimmen (Rom,1708) und "Tu es Petrus", Antiphon für acht Stimmen (Rom 1708?) - waren allerdings in diesem Konzert völlig fehl am Platz. Sie verlängerten unnötig den Abend und die A-cappella-Qualitäten des NDR-Chores konnte man in dessen eigenen Chorkonzert wesentlich konzentrierter und intensiver aufnehmen.

Obwohl das Chorkonzert In der St. Jacobi-Kirche keinerlei Bezug zum Festspielthema aufwies, markierte es einen der absoluten musikalischen Höhepunkte der diesjährigen Festspiele. Bei diesem "Portraitkonzert" mit einem reinen A-cappella-Programm aus Romantik und Gegenwart präsentierte der NDR Chor den bedeutendsten Schwerpunkt seines Repertoires. Unter der Leitung von Robert Gritton, der seit 1986 mit dem Chor arbeitet, drei Jahre Chefdirigent war und seit 2005 ständiger Gastdirigent des Chores ist, erklangen die drei Motetten op. 110 von Johannes Brahms, Max Regers Motette "O Tod, wie bitter bist du" und je zwei Chorwerke für Frauenchor (von György Ligeti: "Magány", "Idegen földön") und Männerstimmen (von Paul Hindemith: "Eine lichte Mitternacht", "Der Tod"). Die Bearbeitung von Henry Purcells Ode "Hear my prayer" stammte von Sven David Sandström (geb. 1942), der zu den meistgespielten schwedischen Komponisten der Gegenwart gehört. Der 1937 in Liverpool geborene Edwin Roxburgh stellt in seiner Komposition "The beginning of sorrows" den von Johann Sebastian Bach vertonten Choral "Es ist genug" in Beziehung zu den Gräueltaten unserer Zeit; ein eindrucksvolles Bekenntnis der Schmerzen und des Erbarmens.

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Mozart: c-Moll Messe (KV 427)  
Foto: Gerhard Menzel  



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Chorkonzert  
des NDR Chores in der St. Jacobi-Kirche  
Foto: Gerhard Menzel  

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Auch das Vocalconsort Berlin präsentierte sich - wie der NDR Chor beim "Messias" von Ralf Popken einstudiert - in Händels "Alexander-Fest" (HWV 75) in vorzüglicher Verfassung. Immerhin kommt dem Chor in diesem Werk eine wichtige Funktion zu, da er zumeist die Arien zu einer geschlossenen Szene ergänzt und diese klangvoll abschließt. Für eine vokale Veredelung sorgten die Solisten Helena Juntunen (Sopran), Kobie van Rensburg (Tenor) und Nikolai Borchev (Bass).

René Jacobs präsentierte allerdings nur den instrumentalen Teil der Komposition in der Bearbeitung von W. A. Mozart (KV 591), da ihm die deutsche Übersetzung einfach nicht gefällt. Aber nicht einmal ein "Star" wie René Jacobs hat das Recht, bei Internationalen Festspielen, die ganz speziell auf ein Thema hin zugeschnitten sind, ohne Absprache mit der Festspielleitung, sich eigenmächtig über alle konzeptionellen Überlegungen hinwegzusetzen, um seinen eigenen Befindlichkeiten zu folgen! Besonders aberwitzig wurde diese Begebenheit dadurch, dass in der Werkeinführung noch dezidiert auf die Besonderheiten der deutschen Übersetzung von Karl Wilhelm Ramler hingewiesen wurde.

Unter der kompetenten und engagierten Leitung von René Jacobs sorgte auch die in bester Spiellaune musizierende Akademie für Alte Musik für ein ungetrübtes Hörvergnügen des von Mozart so abwechslungsreich instrumentierten Werkes.
Diesen hervorragenden Eindruck konnte das Orchester in der Oper Poro allerdings nur bedingt unter Beweis stellen.

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Händel: Alexander-Fest  
Foto: Gerhard Menzel  

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Galakonzert  
Nicholas McGegan und  
Cyndia Sieden (Sopran)  
Foto: Gerhard Menzel  


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Galakonzert  
Nicholas McGegan und  
Robert Hill (Hammerflügel)  
Foto: Gerhard Menzel  

Kompositionen, die von der Familie Mozart aufgeführt wurden, standen im Mittelpunkt des Galakonzerts mit Cyndia Sieden (Sopran) und Robert Hill (Hammerflügel). Nach den von Cyndia Sieden beeindruckend interpretierten Konzert-Arien, die Mozart für Aloysia Weber komponiert hatte - als Zugabe durfte die "Königin der Nacht" natürlich nicht fehlen - wurde bei der Interpretation von Mozarts Klavierkonzert in A-Dur (KV 488) durch Robert Hill deutlich, warum die damals gängigen - wie auch der in diesem Konzert benutzte - "Konzertflügel" nachgerüstet werden mussten.

Nicholas McGegan ließ mit dem Festspiel Orchester Göttingen die Musik Mozarts weder sanft und säuselnd, noch hart und schroff erklingen. Es schien so, als könne er alle Stimmungen neu ausleuchten und sie je nach Bedarf zu einem harmonischen und spannend gestalteten Ganzen neu zusammenfügen. Dem entsprechend erklangen die beiden Instrumentalstücke aus Mozarts Bearbeitung von Händels "Acis und Galathea" in einem pastoral warmen und weichen Klang.

Wie Mozarts Ouvertüre zu "Die Entführung aus dem Serail" (KV 384) ist auch Joseph Haydns "Militär-Symphonie" (HobI:100) unter der damals modischen Erscheinung der "Janitscharen-Musik" entstanden, deren Kolorit durch ein martialisches Schlagwerk geprägt war. Nicholas McGegan und dem Festspiel Orchester Göttingen gelang dabei eine ideale Balance zwischen Streichern, Holzbläsern, Blech und dem sehr farbigen Schlagwerk. In seiner jugendlich forschen Art und mit ungeheurem Elan zupackend akzentuiert sowie alle dynamischen und klanglichen Schattierungen nutzend, wurde hier deutlich hörbar, dass Haydn kein altehrwürdiger und braver "Papa Haydn", sondern ein jugendlich ausgefuchstes Schlitzohr war.

Diese verblüffende und effektvolle musikalische Interpretation führte sogar zu spontanem Applaus nach den einzelnen Sätzen, was allerdings durchaus den damaligen Konzertgepflogenheiten entspricht.

Einen Hochgenuss der ganz besonderen Art wurde auch den Besuchern des Solistenkonzerts mit dem Altus Andreas Scholl in der Aula der Universität zu Teil. Begleitet wurde er am Cembalo bzw. am Hammerflügel von Markus Märkl, der Scholl schon seit 13 Jahren begleitet und als Mitglied des Ensembles CordArte noch aus dem letzten Jahr in allerbester Erinnerung ist, mit dem er im Nachtkonzert 3 für einen Höhepunk der Festspielen sorgte (Göttingen Händel-Festspiele 2005).

Solistisch präsentierte er neben der Chaconne in G-Dur (HWV 435) aus dem Second Set (1733) von Händel, der in Italien zunächst als Claviervirtuose bekannt war, Mozarts Fantasia Nr. 3 in d-Moll für Hammerflügel (KV 397). Im Gegensatz zu Ludger Rémy, der diese Komposition auch im Kammerkonzert 1 spielte, interpretierte sie Markus Märkl eher in "romantischer" Manier.

Einen wesentlichen Programmteil bildeten Händels Kantaten "Vedendo amor" (HWV 175), "Lungi da me pensier tiranno" (HWV 125) und "Dolc'è pur d'amor l'affano" (HWV 109), die Andreas Scholl mit seiner warmen, weich und über die gesamte Tonskala hinweg geschmeidig tönenden Stimme bis in kleinste Schattierungen hinein sehr differenziert ausgestaltete.

Nach den mit Klavier begleiteten Liedern "Recollection" (Hob. XXXVIa:26), "Despair" (Hob.XXVIA:28) und "The Wanderer" (Hob. XXVIa:32) von Joseph Haydn, die zu seiner Zeit eine gute Einnahmequelle bildeten, beschloss Andreas Scholl das Programm mit Mozarts "Ah! Spiegarti, oh Dio" (KV 178) und der "Abendempfindung an Laura" (KV 523). Es war ein rundum beglückendes Konzert, das die hohe musikalische Qualität der Festspiele mehr als unterstrich.

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Solistenkonzert  
Markus Märkl und Andreas Scholl  
Foto: Gerhard Menzel  

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Kammerkonzert 1  
Dorothee Mields (Sopran) und  
Ludger Rémy (Hammerflügel)  
Foto: Gerhard Menzel  

"Musica da camera: Eine Kunst für Kenner" präsentierte das Kammerkonzert 2 mit dem Ensemble "Fiati Lubicensis": Diethelm Jonas (Oboe), Johannes Brüggemann (Oboe), Volker Tessmann (Fagott), Jörg Linowitzki (Kontrabass) und Hans-Jürgen Schnoor (Cembalo). Mit Musik für ein und zwei Oboen und Basso continuo schlugen sie eine musikalische Brücke von Händels Triosonate Nr. 5 G-Dur (HWV 384), über Johann Friedrich Faschs Triosonate g-Moll für 2 Oboen und Basso continuo, Carl Philipp Emanuel Bachs Sonate c-Moll (Wq 78) für Oboe und obligates Cembalo, bis zum allgegenwärtigen Jubilar Mozart und seinem Divertimento V (KV 439b) für zwei Englisch-Hörner und Fagott.

Das Kammerkonzert 1 gestalteten Dorothee Mields (Sopran), die mit ihrer hellen, klaren und leuchtenden Stimme und ihre sehr gute Textverständlichkeit wieder einmal Maßstäbe setzte, und Ludger Rémy, der sie feinfühlig an einem Hammerflügel (nach Johann Anton Walter, Wien um 1770) begleitete. Neben kleinen Kostbarkeiten aus "Herrn Professor Gellerts geistliche Oden und Lieder mit Melodien für Sopran und Fortepiano" (Wq 194) von Carl Philipp Emanuel Bach und einer Auswahl aus den "24 English Songs" (HWV 228) für Sopran und Basso continuo von Händel, präsentierten sie eine Auswahl aus den Original Canzonettas für Gesang und Klavier von Joseph Haydn, unter anderem den einzigen von Haydn vertonten Shakespeare-Text "She never told her love".

Unverständlicher Weise war dieses Kammerkonzert nur zwei Stunden vor der Opernpremiere angesetzt worden. Dieses war sowohl für die Ausführenden, die ein schon zur Pause sich dezimierendes Publikum beobachten mussten, als auch für das Publikum selbst eine mehr als unbefriedigende Situation. Ein Teil verließ schon zur Pause die Aula, um die Einführung zur Oper erreichen zu können. Die übrigen erlebten einen verkürzten zweiten Teil des Kammerkonzertes und ein kollektives Gehetze, um überhaupt noch rechtzeitig zur Premiere ins Deutsche Theater zu kommen.

Leider gab es dieses Jahr noch mehrere solcher zeitlicher Fehlkalkulationen, die das rechtzeitige Erreichen gerade der beiden hochkarätigen und interessanten Nachtkonzerte mit Carolyn Sampson (Sopran) und Robin Blaze (Altus) sowie Susanne Rydén (Sopran) und Lars Ulrik Mortensen (Cembalo) unmöglich machten. Der verständliche Ärger darüber (gerade auch bei von weither angereisten Besuchern, die ihre Karten für viel Geld erworben hatten) kam in zahlreichen Gesprächen deutlich zum Ausdruck! Dass dieses so "alten Hasen" wie der 75jährigen Händel-Gesellschaft passierte, ist wirklich unglaublich und wiederholt sich in den nächsten Jahren hoffentlich nicht mehr.

Viele weitere Veranstaltungen und Konzerte bereicherten das ohnehin schon üppige Festspielprogramm. Darunter waren "Händel Open-Air" am Kiessee, ein Fortepiano-Recital mit Robert Hill, Kinderkonzerte im Händel-Zentrum (Rote Str. 24), ein Konzert mit Robin Blaze (Altus) in der St. Martini-Kirche in Adelebsen, die "Ode auf St. Caecilia"/"Thamos, König in Ägypten" und eine "Geistlichen Motette" in der St. Johannis-Kirche, Orgelmusik in St. Jacobi, je zwei Burgkonzerte in Hardegsen und Schlosskonzerte im Rittersaal des Welfenschlosses Hann. Münden sowie ein Rathauskonzert und einem Klosterkonzert im Ursulinenkloster in Duderstadt.

Bei aller Ausweitung der Festspiele auf das Umland präsentierten sich die Göttinger Händel-Festspiele wieder einmal als ein nicht beliebiges Festival, bei dem allerlei "Highlights" eingekauft werden, sondern im Kern als eine freundschaftlich verbundene Schar von Künstlern, die immer wieder gerne in die atmosphärische Stadt kommen und innerhalb der "Festspiel-Familie" gemeinsam verschiedene Konzerte und Projekte realisieren.

Neben der Kooperation mit den Festwochen Herrenhausen ("Messias") kam dieses Jahr auch erstmalig eine mit den Salzburger Festspielen "Pfingsten + Barock" ("Alexander-Fest") zustande.

Erfreulicher Weise nimmt die Präsenz der Göttinger Händel-Festspiele in den Medien weiterhin zu. Neben der Oper "Poro", die vom NDR live übertragen wurde, hat der Sender noch zahlreiche andere Konzerte mitgeschnitten, die im Laufe des Jahres ausgestrahlt werden. Erstmals produziert der Fernsehsender arte eine einstündige Fernsehdokumentation, die neben einem Querschnitt der Oper "Poro" auch Informationen über die Produktion, über Händel und die Göttinger Händel-Festspiele bringen wird.

2007 lautet das Motto der Festspiele "Macht und Ohnmacht - Herrschergestalten im Werk Händels". Im Zentrum stehen dann Händels Oper "Giulio Cesare" (Igor Folwill inszeniert in der Stadthalle), sowie die Oratorien "Solomon", "Belshazzar" und das Pasticcio "Giove in Argo" (als Kooperation mit den Händel-Festspielen in Halle).

Neben Nicholas McGegan und dem Händel Festspiel Orchester Göttingen sollen der Winchester Cathedral Choir, Alan Curtis, Dominique Labelle, Diana Moore und Bob van Asperen dem umfangreichen Festspiel-Programm ganz besonderen Glanz verleihen.

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Brunnen vor dem Alten Rathaus  
Auch das Gänseliesel begrüßt  
die Fussball-Nationalmannschaft  
von Mexiko und die Gäste der  
Internationalen Händel-Festspiele  
Foto: Gerhard Menzel  



Neues von der Göttinger Händel-Gesellschaft


Rinaldo Göttinger Händel-Beiträge XI


In diesem Jahr erschien bei Vandenhoeck & Ruprecht auch der neueste Band der Göttinger Händel-Beiträge XI. Neben den Festvorträgen aus den Jahren 2004 und 2005 von Hans-Joachim Kreutzer und Hans-Joachim Meyer, erhält er auch Aufsätze von Donald Burrows, Nicolò Maccavino, Hans Joachim Marx, Steffen Voss, Hansjörg Drauschke, David Hunter, Angela Baier, Tassilo Erhardt, Reginald Sanders, Thomas Synofzik und Wolfgang Sandberger sowie Rezensionen und die Bibliographie der Händel-Literatur 2004/2005.

Für die Mitglieder der Göttinger Händel-Gesellschaft sind auch weiterhin die Mitschnitte von den Göttinger Händel-Festspielen erhältlich.




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