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Musikfestspiele
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Pfingstfestspiele 2009

Der Freischütz
Text von Johannes Kind
Einrichtung der Dialoge von Wolfgang Wiens
Musik von Carl Maria von Weber


Premiere im Festspielhaus Baden-Baden am 30. Mai 2009

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 30 Minuten (eine Pause)


Homepage

Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Kleider machen Leute

Von Joachim Lange / Foto von Lesley Leslie-Spinks

Obwohl es Pfingstfestspiele in beiden Orten gibt, ist Baden-Baden etwas anderes als Salzburg. Im südwestdeutschen Nobelkurort gibt es zwar nur ein, wenn auch großes und originelles, Festspielhaus, aber es verteilt seine Melange aus Oper, Konzert und Ballett in Galaverpackung auf gleich mehrere Festspielpakete übers ganze Jahr. Dabei versteht sich der Hausherr Andreas Mölich-Zebhauser nicht nur virtuos auf den Glamourfaktor eines Nobelfestivals, die private Geldbeschaffung und das Marketing. Auch sein programmatischer Balanceakt hat Baden-Baden in den letzten Jahren Rückhalt beim Publikum und einen Stammplatz in den Feuilletons verschafft.


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Agathe - das Kleid

So wie jetzt zu Pfingsten, wo Robert Wilson mit nur zwei Aufführungen einer aufwendigen Freischütz-Produktion im wahrsten Sinne des Wortes funkelte und glänzte. Wozu ganz direkt auch die kolportierten rund 1,3 Millionen Swarovski-Kristalle beigetragen haben. Wenn sie sich denn nicht verzählt haben, dann haben die beiden künstlerisch ambitionierten, bereits Wilson-erfahrenen, jungen holländischen Modemache „Viktor & Rolf“ 160.000 davon allein für das opulent blumige Agathe-Kostüm verwendet.

Dabei wurde dieses Opernluxusunternehmen zwar vom Kultursender arte übertragen und für DVD aufgenommen, aber die Exklusivität wird, anders als immer häufiger in Salzburg, zumindest in diesem Falle nicht durch einen Koproduzenten für das Ganze (konzertant gab es eine Partnerschaft mit dem Konzerthaus Dortmund im Rahmen der NRW-Residenz des Mahler Chamber Orchestra) oder Nachverwertung eingeschränkt. Bislang jedenfalls. Wo kann man sich das, Krise hin, Krise her, schon leisten, ohne den Steuerzahler zu bemühen.


Vergrößerung in neuem Fenster im bunten Wald (Szenenbild aus dem 1. Akt)

Bekanntlich hat Robert Wilson den Freischütz-Stoff ja schon einmal vor knapp zwanzig Jahren mit leichter Musical-Hand und zur Musik von Tom Waits in seine Bildwelt übersetzt. Dieser „Black Rider“ war und ist ein durchschlagender Erfolg. Bei seiner jetzt nachgereichten Version des Originals von Weber macht Wilson natürlich, was er immer macht, wenn er Oper inszeniert. Er stellt vor allem stilisierte Figuren mit abgezirkelten Bewegungen auf die Bühne, lässt sie drüber trippeln, Gesten machen oder mit den Augen klimpern. Er schafft knapp skizzierte zweidimensionale Bühnenräume, zu deren eigentlich reizvoller, dritter Dimension das perfekte Spiel mit Licht und Farbe wird. In diesem bewährten und vorhersehbaren Rahmen erzählt er die Geschichte entlang an seinem Design der Oberfläche von Text und Musik und nimmt beides dabei mitunter auch mal augenzwinkernd auf die Schippe. Da wird dann Agathe zum singenden Pracht-Blütenbouquet und Ännchen zum trippelnden Persönchen im bunten Edel-Hänger. Der Jäger Max trägt seine Laubtarnung gleich als Riesenhalskrause immer mit sich herum, so wie ein anderes Exemplar Kilian mit großen Lettern als „BAUER“ ausweist.

Für Kasper schließlich werden die Ketten des Bösen, in denen er gefangen ist, gleich zum Ganzkörper-Accessoire. Samiel kommt teuflisch wie ein personifizierter, roter Blitz aus der Hölle, der Fürst in Galauniform und der Eremit als weißer Rauschebart. Haus und deutscher Wald bleiben Skizze, Agathes Stube durch ein knappes Gebälk gerahmt. Hier spult Wilson eine Bewegungs- und Gesten-Choreographie ebenso präzise ab, wie er seine Standbilder platziert oder mit exzessiven Lichtwechseln Farbe ins Spiel bringt.


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Wolfsschlucht

Die beiden Gassenhauer der Oper knackt er dann gekonnt mit Ironie und Witz und überzeugender als die sonstige „Personenführung". So kommen die Brautjungfern wie die RoboterInnen unter einem steifen Ganzköperschleier herein gewackelt. Aus dem Jägerchor macht er eine Rampenrevuenummer von weiß gekalkten Jungs im stilisierten Lederhosenlook und Blond-Perücken, die ihr Jägerlatein kraftmeierisch mit einem tänzelnden eins links, eins rechts, begleiten. Dass der Texaner dem deutschen Publikum bei ihrem wohl populärsten Opernchor mal etwas gönnen wollte, was sich die Italiener bei jeder Nabucco Aufführung erklatschen, nämlich ein „spontanes" Da Capo, scheiterte fast an der braven Zurückhaltung des Publikums. Es kam aber trotzdem und wurde dann auch entsprechend enthusiastisch bejubelt. Am Ende gibt's ein Tableau ganz in glitzerndem Weiß. Da sieht dann die deutsche Nationaloper schlechthin aus wie eine Schaufenster-Kreation beim Wiener Hofkonditor Demel. Bei dem fortgesetzten, ewigen Wilson-Experiment aber, ob sich ein Werk seiner artifiziellen Ästhetik einverleiben lässt, oder nicht, leistet der Freischütz ernsthaften Widerstand. Trotz Agathes Blumenkleid-Wunder und den effektvollen Wolfsschlucht-Blitze.


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Schlusstableau wie Zuckerwerk

So behält am Ende trotz des ganzen szenischen Aufwandes die Musik die Oberhand. Vor allem dank Thomas Hengelbrocks historisch ambitioniertem und genauem Hineinhören in die ja allzu oft als deutscher Alptraum- und Seelenreißer geschmetterte Nationaloper. Schon die Ouvertüre und der Spottchor verblüfften mit ihrer ungewohnten Originalität. Nicht nur die Nachrüstung des selbstbewusst dem bewährten Alte-Musik-Experten folgenden Mahler Chamber Orchesters mit einigen historischem Blech und Flöten brachte hier neue Farben in die ja sonst oft überlärmte Empfindsamkeit und eine geradezu liedhafte Musikalität. Bei den Sängern vermochten dem vor allem Julia Kleiters Ännchen und der liedhaft lyrische Max von Steve Davislim zu entsprechen, mit dem auch der mehr jugendlich, als profund düster klingende Kapsar Dimitry Ivashchenko korrespondierte. Während Matjaz Robavs einen soliden Kilian lieferte, Reinhard Dorn seinem Kuno sonore Würde verpasste und Klaus Kuttler als Ottokar auch stimmlich gute Figur machte, war der Eremit von Paata Burchuladze allzu brüchig. Leider konnte auch Juliane Banse die innigen Piani ihrer Agathe nicht wirklich überzeugend in ein Arien-Aufblühen steigern, das dem Luxus ihres Kostüms entsprochen hätte. Dagegen sie ohnehin keine echte Chance.


FAZIT

Das Festspielhaus Baden-Baden bot mit diesem Freischütz Oper als funkelnde Show jenseits der sonstigen Deutungspfade. Bei all' dem szenischen Aufwand behielten aber dennoch der Dirigent und sein Orchester die Oberhand mit einer interessanten musikalischen Lesart und machen Lust auf mehr nachbarocken Hengelbrock.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Hengelbrock

Inszenierung, Bühnenbild
und Licht
Robert Wilson

Kostüme
Viktor & Rolf

Co-Regisseurin
Ann-Christin Rommen

Chor
Walter Zeh

Dramaturgie
Wolfgang Wiens



Philharmonia Chor Wien
(Leitung: Walter Zeh)

Mahler Chamber Orchestra


Solisten

Ottokar
Klaus Kuttler

Kuno
Reinhard Dorn

Agathe
Juliane Banse

Ännchen
Julia Kleiter

Kaspar
Dimitry Ivashchenko

Max
Steve Davislim

Ein Eremit
Paata Burchuladze

Kilian
Matjaz Robavs

Brautjungfern
Christiane Jank
Martina König
Marina Spielmann
Dorothee Schlemm


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)




Da capo al Fine

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