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25.
Tage Alter Musik in Regensburg

29. Mai bis 1. Juni 2009


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Tage Alter Musik Regensburg
(Homepage)

Ein Vierteljahrhundert im Zeichen der Alten Musik
Die Tage Alter Musik Regensburg feierten
ihr 25-jähriges Bestehen

Von Ingo Negwer

Zum 25. Mal fanden am Pfingstwochenende in Regensburg die Tage Alter Musik statt. Wieder gab es von Freitag bis Pfingstmontag vierzehn Konzerte mit Musik vom Mittelalter bis zur Klassik. Die Faszination dieses Festivals ist auch nach einem Vierteljahrhundert ungebrochen: An die 10.000 Besucher kamen zu den fast immer ausverkauften historischen Spielstätten.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Altstadt von Regensburg.
Seit 25 Jahren eine prächtige Kulisse
für die Tage Alter Musik.

(Foto: Ingo Negwer)



Ein Highlight zu Beginn: Mozarts große Messe c-Moll

Das Eröffnungskonzert mit den Regensburger Domspatzen und dem L'Orfeo Barockorchester war selbst für die Tage Alter Musik ein herausragendes Ereignis. Über sechzig Techniker des Bayerischen Rundfunks haben die in barocker Pracht erstrahlende Alte Kapelle eine Woche lang für eine Fernsehaufzeichnung hergerichtet. Das Konzert wurde zudem live im Radio ausgestrahlt.

Das österreichische Barockorchester L'Orfeo spielte zum Auftakt Mozarts "Linzer" Sinfonie C-Dur. Unter der Leitung seiner Konzertmeisterin Michi Gaigg gelang eine äußerst frische Interpretation des wohlbekannten Werks, die bei aller kammermusikalischen Transparenz von kontrastreicher Dynamik und in den Ecksätzen von stürmischen Tempi lebte. Das Hauptwerk des Eröffnungskonzerts war jedoch Mozarts große Messe c-Moll KV 427. Die Regensburger Domspatzen, oft und mit Begeisterung bei den Tagen Alter Musik gehört, übertrafen sich in diesem Jahr noch einmal selbst. Unter der Leitung von Roland Büchner entwickelten sie eine für einen Knabenchor schier unglaubliche Klangpracht. Der Chor konnte zudem mit dramatisch düsteren Klangfarben überzeugen. In dieser bestechenden Form sind die Domspatzen kaum zu übertreffen. Gleiches gilt für die Solisten, allen voran Dorothee Mields, die mit glockenklarem lyrischem Sopran (etwa im "Et incarnatus est") Maßstäbe setzte. Siri Karoline Thornhill beeindruckte im "Laudamus te" mit brillanten Kolloraturen und einem auch in der Tiefe ausgewogenen Sopran. Die solistischen Männerstimmen sind in Mozarts Messe c-Moll leider nur mit einer Nebenrolle bedacht. Dennoch erwiesen sich Robert Buckland (Tenor) und Manfred Bittner (Bass) als ebenbürtige Partner innerhalb der Solistenriege.

Der Sendetermin der TV-Aufzeichnung stand während des Festivals noch nicht fest. Wer das Konzert verpasst hat oder noch einmal erleben möchte, sollte unbedingt auf der Website der Domspatzen (www.domspatzen.de) nachschauen!

Händels Feuerwerk

Nach dem von Publikum und Kritik gefeierten Auftritt von B'Rock vor zwei Jahren stellte sich bei den Tagen Alter Musik 2009 mit Les Muffati ein weiteres junges Barockorchester aus Belgien vor. Unter der Leitung von Peter Van Heyghen ließen Les Muffati Orchestermusik aus England von Matthew Locke bis Thomas Augustin Arne Revue passieren. Zunächst standen mit der Suite aus "The Tempest" von Matthew Locke und Robert Smith sowie Henry Purcells Suite aus "The Prophetess or The History of Dioclesian" zwei Werke der englischen Restaurationszeit auf dem Programm. Mit weichem Streicherklang, präziser Artikulation und tänzerischem Swing trafen Les Muffati sehr schön den am französischen Klangideal orientierten Stil dieser Musik. Brillanter, in hellen "italienischen" Farben kam nach der Pause John Stanleys Concerto h-Moll daher. In dieser 1742 entstandenen Komposition forderte die Virtuosität als ein weiteres neues Element ihr Recht, das ihr durch die souveränen Solisten Tuomo Suni, Marcin Lasia (Violinen) und Marian Minnen (Violoncello) gewährt wurde. Eine Rarität war das erfrischende Concerto d-Moll von Charles Avison nach Cembalosonaten von Domenico Scarlatti. Schließlich ging das Konzert von Les Muffati mit der Ouvertüre Nr. 3 G-Dur und der Sinfonie Nr. 1 C-Dur von Thomas Augustin Arne zu Ende - zwei Werke, die bereits den Weg zur Klassik vorzeichneten.

Das französische Ensemble Le Poème Harmonique und sein Leiter Vincent Dumestre (Laute) haben mit ihrem Engagement für die französische Musik der Renaissance und des Frühbarock bereits große Verdienste erworben. In ihrem Regensburger Konzert nahmen sie sich eines vergessenen Komponisten von Airs de Cour an: Charles Tessier. Der gebürtige Bretone war Kammermusiker König Heinrichs IV. von Frankreich, hielt sich aber für längere Zeit im Ausland auf, u.a. in England, und stand zeitweise auch in Diensten des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel. Entsprechend bunt und vielsprachig ist sein Oeuvre. Le Poème Harmonique folgte in der St.-Oswald-Kirche den Spuren Charles Tessiers auf seiner Reise durch Europa. Neben französischen Airs de Cour erklangen italienische Villanelle, ein Air espagnol und Chansons aus der Schweiz und sogar auf Türkisch. Kompositionen von Moritz von Hessen, Hans Leo Hassler und John Dowland ergänzten das unterhaltsame Programm, das von den hervorragenden Musikern kompetent und stilsicher dargeboten wurde.

Vergrößerung in neuem Fenster Das Zefiro Baroque Orchestra
mit Alfredo Bernardi (ganz rechts)

(Foto: Ingo Negwer)

Georg Friedrich Händels Tod jährt sich 2009 bekanntlich zum 250. Male. Das Händel-Jahr wurde selbstverständlich auch in Regensburg gebührend gefeiert. Das Zefiro Baroque Orchestra reiste aus Italien an und hatte Händels berühmte Spätwerke im Gepäck: die Concerti a due Cori F-Dur (HWV 333) und B-Dur (HWV 332), das Concerto grosso "Alexander's Feast" und "The Musick for the Royal Fireworks". Diese Musik scheint wie gemacht für die Akustik der großen Minoritenkirche mit ihren zwei bis drei Sekunden Nachhall. Sie entwickelte eine überwältigend majestätische Klangpracht und blieb durch das präzise, disziplinierte Spiel des Zefiro Baroque Orchestra unter der Leitung von Alfredo Bernardi dennoch transparent und schlank. Mit ansteckender Spielfreude und mit vorwärts drängender Frische nahmen sich die Italiener Händels Musik an. Die Feuerwerksmusik, von Zefiro in der Minoritenkirche nach der Pause entzündet, war ein schier atemberaubendes musikalisches Erlebnis und wird mir als eine der besten Aufführungen barocker Orchestermusik, die ich live miterleben durfte, in Erinnerung bleiben. Bravissimo!

Händel in Italien

Vergrößerung in neuem Fenster Lucy Fitz Gibbon (Ex Umbris)
(Foto: Ingo Negwer)

Eine Kerze in der Hand, einsam, ängstlich um sich schauend betrat am Sonntagmorgen Lucy Fitz Gibbon die Bühne des Leeren Beutel und stimmte die Broadside Ballad "Bar'ra Faustus' Dream" an. Die Melancholie in der Musik des elisabethanischen Zeitalters bildete den roten Faden des Konzerts von Ex Umbris. Das US-amerikanische Ensemble war zum wiederholten Male in Regensburg zu Gast, und konnte auch in diesem Jahr wieder mit einem kurzweiligen Programm, bei dem der Humor nicht zu kurz kam, überzeugen.

Vergrößerung in neuem Fenster Ex Umbris in Aktion (v.l.n.r.):
Lucy Fitz Gibbons, Paul Shipper,
Grant Herreid

(Foto: Ingo Negwer)

Mit großer Kompetenz, aber keineswegs akademisch trocken widmete sich La Chapelle Rhénane am Nachmittag in der St.-Oswald-Kirche dem Werk von Heinrich Schütz. Aurore Bucher, Tanya Aspelmeier (Sopran), Rolf Ehlers (Altus), Benoît Haller und Henning Kaiser (Tenor) sowie Benoît Arnould (Bass) bildeten ein ausgezeichnetes Vokalensemble, das von den Instrumentalisten mit einem ausgewogenen Klangbild unterstützt wurde. So gelang dem französischen Ensemble ein vitales musikalisches Plädoyer für den Altmeister der evangelischen Kirchenmusik.

Mit der Aufführung des Oratoriums "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" folgte am Sonntagabend der zweite Beitrag der Tage Alter Musik zum Händel-Jubiläum. Händels Jugendwerk und erster Beitrag zu dieser Gattung , 1707 in Rom uraufgeführt, steckt voller frischer Ideen. Der junge Komponist, soeben in Italien angekommen, maß seine Kräfte in neuer, anregender Umgebung. In der Regensburger Minoritenkirche nahm sich das italienische Barockorchester La Risonanza unter der Leitung von Fabio Bonizzoni des Werks an. Nuria Rial sang die Rolle der Schönheit (Bellezza) mit klaren Kolloraturen und quasi makellosen Höhen. Yetzabel Arias Fernandez' Sopran verfügt über ein dunkles, sinnliches Timbre, das sie überzeugend verführerisch in der Rolle des Vergnügens (Piacere) einzusetzen wusste. Elena Biscuola gab mit warmem, eindringlichem Alt eine mahnende Enttäuschung (Disinganno). Und Krystian Adam gestaltete mit seinem charaktervollen lyrischen Tenor die Rolle der Zeit (Tempo). Die vitale Interpretation durch La Risonanza und die hochkarätigen Solisten litt leider unter den schwierigen akustischen Bedingungen. Anders als noch am Vorabend bei der "Feuerwerksmusik" ging hier doch manches Detail der filigranen Textur im Nachhall verloren.

Monteverdis "Poppea": ein - nicht ganz "krönender" Abschluss

Überraschende Neuentdeckungen gab es fast jedes Jahr bei den Tagen Alter Musik Regensburg - man erinnere sich nur an Il Giardino Armonico oder Anonymus 4. Im diesjährigen Jubiläumsfestival zählt für mich La Rota zu diesen Entdeckungen. Unter dem Motto "Heu, Fortuna" präsentierte das junge kanadische Ensemble Musik aus der Zeit Philipps IV. des Schönen (1268-1314), also aus der Blütezeit des französischen Mittelalters. Sarah Barnes (Sopran), Tobie Miller (Flöte, Drehleier, Sopran), Esteban LaRotta (Laute, Harfe, Tenor) und Émilie Brûlé (Fidel) präsentierten die meist anonym überlieferten Kompositionen in sehr abwechslungsreichen, farbigen Interpretationen. Dabei wechselten ein- bis dreistimmige Vokalstücke mit virtuosen, teils improvisierten instrumentalen Einlagen ab. Auch in der strengen Kunst der isorhythmischen Motette (Philipp de Vitry), dreistimmig gesungen und instrumental begleitet, fühlen sich die kanadischen Musiker zuhause. Ein gelungener musikalischer Auftakt zum letzten Festivaltag. Bravo!

Noch einmal stand am Nachmittag Georg Friedrich Händel auf dem Programm, dieses Mal zusammen mit dem schwedischen Zeitgenossen Johann Helmich Roman. Musikantisch im besten Sinne, mit großer Spielfreude und sattem Orchesterklang zeichnete Concerto Copenhagen unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen (Cembalo) für diesen Festivalbeitrag verantwortlich. Neben drei Concerti grossi aus Händels Opus 3 und Romans Golovin-Suite beeindruckte vor allem das Konzert für Oboe d'Amore und Orchester D-Dur des schwedischen Barockmeisters, das schon deutlich frühklassische Züge trug. Frank de Bruine war der souveräne Solist dieses außergewöhnlichen Konzerts.

Den krönenden Abschluss der 25. Tage Alter Musik sollte das italienische Ensemble La Venexiana mit einer szenischen Aufführung der Oper "L'Incoronazione di Poppea" von Claudio Monteverdi gestalten. Dass es nicht der ganz große Wurf dieses Festivals wurde, lag nur zum Teil an den einmal mehr viel Durchhaltevermögen fordernden klimatischen Bedingungen im subtropischen Klima des Regensburger Velodroms. Wie so oft im modernen Regietheater war das Konzept der Inszenierung höchst fragwürdig. Paola Reggiani verlegte die Handlung aus dem antiken Rom des Kaisers Nero in das Japan der 1960-er Jahre. Dem besseren Verständnis einer Geschichte, die in längst vergangener Zeit spielt, diente diese "Aktualisierung" jedenfalls nicht. Vielmehr taten sich zwischen Text und Szene unüberbrückbare Risse auf, wenn beispielsweise die von Nero verstoßene Ottavia singt: "A Dio Roma, a Dio patria, amici a Dio" (Lebe wohl, Rom, lebe wohl, Heimatland, Freunde, lebt wohl). Für eine römische Kaiserin, die von ihrem Ehemann zum Verlassen der Heimat gezwungen wird, klingen diese Worte bedrückend und nachvollziehbar. Im (fiktiven) Japan der Nachkriegszeit ausgesprochen, wirken sie zumindest irritierend.

Vergrößerung in neuem Fenster v.l.n.r.: Roberta Mameli (Nero),
Claudio Cavina (Ottone & Ltg.),
Emanuela Galli (Poppea)

(Foto: Ingo Negwer)

Anspielungen auf berühmte Hollywood-Filme - Ottone mit Regenschirm ("Singing in the Rain"), Poppea im kostbaren Kostüm à la Audrey Hepburn ("Breakfast at Tiffany's") u.v.m. - führten auch nicht zu neuen Einsichten in Monteverdis Bühnenwerk, regten während der Pause allenfalls zum mehr oder weniger unterhaltsamen Vergleich mit dem Film-Glossar im Programmheft an. Das ist leider, abgesehen von einigen Slapsticks (Arnalta), auch schon alles, was ich Positives über diese Inszenierung zu berichten weiß. Ansonsten beschränkte sich Paola Reggianis Regieleistung auf ein schematisches Auf- und Abtreten der Darsteller; von Personenführung oder gar psychologischer Einfühlung in das dramatische Geschehen konnte keine Rede sein. So litt die gut dreieinhalbstündige Aufführung an schwer erträglichen Längen, die durch die gewohnt hohe musikalische Qualität von La Venexiana unter der Leitung von Claudio Cavina nicht aufgewogen werden konnte. Emanuella Galli (Poppea) und Roberta Mameli (Nero) bildeten ein stimmlich ausgezeichnet aufeinander abgestimmtes Liebespaar, dass leider auch im quälend langsam vorgetragenen Schlussduett "Pur ti miro" seine Leidenschaft nicht ausleben durfte. Claudio Cavina schlüpfte neben seiner "Hauptrolle" als Dirigent ebenfalls in die Rolle des Ottone. Seinem Countertenor merkte man in den Höhen die Doppelbelastung durchaus an. Ian Honeyman spielte die komische Rolle der alten Amme Arnalta mit offensichtlichem komödiantischen Spaß. Die Kaiserin Ottavia wurde von Xenia Meijer mit dunklem, seriösem Mezzosopran ebenso überzeugend dargeboten, wie der Philosoph Seneca von Matteo Bellotto, der sich mit profundem Bass in sein Schicksal fügte. Der Sängerriege stand ein ausgezeichnet besetztes Orchester mit großer Generalbass-Gruppe (3 Theorben, 2 Cembali, Harfe) aufmerksam zur Seite.

Vergrößerung in neuem Fenster Konzertpause. Grant Herreid und
Lucy Fitz Gibbon (Ex Umbris)
(Foto: Ingo Negwer)

Am späten Montagabend lagen schließlich wieder vier Tage, voll bestückt mit Konzerten Alter Musik, hinter dem Festivalbesuchern (und dem Rezensenten). Das Angebot war wieder so groß, dass ich leider nicht alles hören, geschweige denn von allen Konzerten berichten konnte. Der Eindruck, den die Tage Alter Musik Regensburg hinterlassen, ist dank der einmaligen Reichsstadt-Kulisse, vor allem aber dank der klugen Konzertauswahl durch das unermüdliche Pro Musica Antiqua-Team auch in der 25. Auflage immer noch überwältigend. Ohne "Regensburg" wäre die Alte-Musik-Szene deutlich ärmer. In diesem Sinne kann man den Veranstaltern für die Zukunft nur alles Gute wünschen.


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Da capo al Fine

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