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Baden-Baden im Glück Von Christoph Wurzel Die erste Überraschung war bereits einen Tag vor Beginn der Pfingstfestspiele perfekt: Simon Rattle wird 2013 mit den Berliner Philharmonikern zu Ostern von Salzburg nach Baden-Baden abwandern. Damit wird es im badischen Musentempel eine fünfte Festspielsaison geben: Osterfestspiele, die nur von den Berliner Philharmonikern und Simon Rattle bestritten werden. Die geplanten Opernproduktionen sind bereits bekannt: Zauberflöte (2013), Manon Lescaut (2014), Rosenkavalier (2015) und Tristan und Isolde (2016). Daneben soll es Konzerte und ein umfassendes Education-Programm geben. Ein Glücksfall sicherlich für beide Seiten: komfortable fünf Wochen Probemöglichkeit winken den Künstlern und das Festspielhaus gewinnt ein Weltklasseorchester mit ihrem Stardirigenten als regelmäßigen Gast . Und das Wichtigste: Es werden regelmäßig Produktionen entstehen, die das Label „made in Baden-Baden“ mit Fug und Recht verdienen. Denn Originalproduktionen gehörten bisher, trotz Festspielweihen, eher seltener zum Baden-Badener Repertoire. Nur einen kleinen Wermutstropfen gibt es bei den nunmehr bekannt gewordenen Plänen: Der eigentlich für 2013 geplante Ring des Nibelungen mit Christian Thielemann (ein Regisseur ist anscheinend noch nicht gefunden) wird auf die längere Bank geschoben, denn Thielemann springt nun seinerseits samt neuem Orchester, der Dresdner Staatskapelle, in Salzburg in die von Rattle hinterlassene Lücke. Da bleibt für die Baden-Badener Pläne vorerst kein Platz. Offiziell verlautet, dass man in Baden-Baden erst einmal das Wagnerjahr 2013 mit dem erwartungsgemäß damit verbundenen Ring-Boom abwarten wolle. Doch das kann eher als charmante Ausrede in einer gewissen Bredouille gelten. Der Ring aber werde kommen und zwar mit Thielemann, so Festspielhaus-Sprecher Rüdiger Beermann.Im vollen Glanz der Sonne: Die Eingangshalle zum Festspielhaus Baden-Baden (historischer Alter Bahnhof) (Foto: Christoph Wurzel) Zu diesen alles in allem glücklichen Fügungen standen auch die diesjährigen Pfingstfestspiele selbst unter einem außergewöhnlich guten Stern. Als szenische Opernproduktion wurde eine vor allem musikalisch packende Salome gegeben, die hier auch als echte Premiere gefeiert werden konnte, daneben gab es die konzertante Aufführung von Mozarts Idomeneo als wirklich würdigen Auftakt des Festivals. Die in den folgenden Tagen präsentierten Konzerte schlugen einen weiten Angebotsbogen vom Solorecital (Hélène Grimaud) über Kammermusik (Quatuor Ebéne) bis hin zu großer und allergrößter Sinfonik (Mahlers Achte) und sogar zum Jazz (erneut das Quatuor Ebéne). Es zeigte sich in überzeugender Weise, dass dieses große Haus mit seinen zweieinhalbtausend Sitzplätzen bestens geeignet ist, für alle musikalischen Genres angemessene Spielstätte zu sein, vorausgesetzt es sind derart hochklassige Künstlerinnen und Künstler am Werk, wie es in diesem Jahr der Fall war. Für besondere Gelegenheiten sucht man sich zusätzlich reizvolle Ausweichmöglichkeiten andernorts, wie z.B. das Museum Frieder Burda, einen herrlichen lichtdurchfluteten Bau des amerikanischen Architekten Richard Meier, für das „Musikalische Morgenerwachen“ oder das historische E-Werk für eine Jazz-Nacht. Baden-Badens
Festspielprogramme sind bewusst nicht auf Konzepte festgelegt. Devise
ist: „Wer Vieles bringt, wird manchem etwas bringen“. Mit einem breiten
Angebot ist man bemüht, höchsten Anforderungen zu entsprechen. Nur so
lässt sich wohl auch ein Haus dieser Größe wirtschaftlich betreiben,
obendrein noch ohne Subventionen. So müssen allein die Attraktivität
der großen Namen und die künstlerischen Spitzenleistungen den Erfolg
garantieren. Auch in Baden-Baden gibt es mitunter Schwankungen, doch
die Pfingstfestspiele bewegten sich gerade 2011 fast
ausnahmslos ganz oben in der Spitzenklasse. Intensive Gestik auch im Gespräch: Der Cellist Raphael
Merlin (links) und der Bratschist Mathieu Herzog beim Künstlergespräch
im Foyer des Festspielhauses (Foto: Christoph Wurzel) Auch als Meisterin der intimen Liedkunst stellte sich Elina Garaça nun in Baden-Baden vor, wo sie schon mehrmals in Opernrollen (schon ganz zu Anfang ihrer Karriere als Adalgisa neben der Gruberova) brilliert hatte. Auch sie hatte Alban Berg in ihrem Programm und zeigte den Komponisten mit seinen Sieben frühen Liedern in seiner ganzen melodischen Emphase, wie sie sie in den Versen „Da sind im Hall und Widerhall die Rosen aufgesprungen“ weit strömen ließ. Gerade hier beim frühen Berg zeigte auch Roger Vignoles mit reich chargierenden Klangfarben seine große pianistische Begleitkunst. Mit einer ganzen Reihe von Schumann-Liedern, darunter beziehungsreich einige, die von Liebes- und Mutterglück schwärmen (Frauenliebe und –leben), bewies Garança ihre berückende Gesangskultur und beglaubigte ihren Ruf als gegenwärtig vielleicht beste Mezzosopranistin im lyrischen Fach. Franz Liszt und Gustav Mahler als in diesem Jahr besonders gedenkwürdige musikalische Persönlichkeiten standen gleich mit mehreren Werken auf diesem Festspielprogramm. Außer seiner h-Moll-Sonate (Grimaud) war Liszt mit beiden Klavierkonzerten vertreten, die Daniel Barenboim am Pfingstsamstag zusammen mit „seiner“ Berliner Staatskapelle spielte. Der Chef also am Klavier und Pierre Boulez am Dirigentenpult – das gab zwei höchst inspirierte und inspirierende Konzertstunden. Ein temperamentvoller, stellenweise direkt exaltierter Barenboim am Flügel und der maßvoll und exakt Zeichen gebende Boulez, zwei Freunde unterschiedlichen Temperaments erweckten die ganze Spannweite Lisztscher Ausdrucksmusik zu vollem Leben. Die Staatskapelle war hervorragend disponiert, was sie auch unter Boulez’ sorgsam formulierendem Dirigat bei Wagners Faust-Ouvertüre (mit dichter Innenspannung) und dem klanglich sensibel ausgewogenen Siegfried-Idyll mit eleganten Bläserakzenten unter Beweis stellte. Inspirierende Partnerschaft: Daniel Barenboim und Pierre
Boulez mit der Berliner Staatskapelle Gustav Mahler kam zum Einen
mit Liedern zu musikalischen Ehren: Waltraud Meier sang erfrischend
unprätentiös, aber im Ausdruck umso intensiver seine Rückert-Lieder, deren emotionale
Tiefenschichten („Ich bin der Welt abhanden gekommen“) zutiefst
anrühren konnten. Ihre nicht unbedingt große, dafür aber noch
erstaunlich klangvoll runde Stimme konnte sich unter Stefan Solteszs
umsichtiger und einfühlsamer Stabführung dann auch besonders in Isoldes Liebestod verströmen und
ließ Meiers großartige Gestaltung dieser Rolle auf der Bühne erahnen,
wobei das Deutsche Sinfonieorchester den orchestralen Untergrund dazu
in aller klanglichen Fülle lieferte. (Foto:pr Festspielhaus) Schon allein mit der Salome
stand Richard Strauss im Mittelpunkt der Pfingstfestspiele. Das hierbei
wirkende Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) präsentierte auch im
Konzert ein Werk von ihm, seine Alpensinfonie,
ein bombastisches Stück Musik, eigentlich keine Sinfonie, sondern eher
musikalische Kolportage eines vorgestellten Tages in den Alpen zwischen
Morgendämmerung, Bergaufstieg, Gewitter und Abendstimmung – viel
musikalische Klangmalerei, bisweilen wenig Tiefe, aber ein gefundenes
Fressen für ein Orchester, das virtuos spielen kann. Und derart
geeignete Spielkultur, Klangraffinesse und Virtuosität stellte das DSO
mit diesem auch Werk eindrucksvoll unter Beweis. Suggestives Dirigieren: Sylvain Cambreling mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg bei Beethovens Neunter Für Sylvain Cambreling war dieses Konzert eines der letzten in seiner Amtszeit als Chefdirigent des SWR- Sinfonieorchesters und er beschloss damit eine weitere große Ära in der Geschichte dieses Orchesters, das sich schon unter seinem Vorgänger Michael Gielen (der mit der gleichen Programmkombination Beethoven / Schönberg 1986 seine Chefdirigententätigkeit begonnen hatte) zu einem der Besten überhaupt entwickelt hatte; hervorragend angelegte Rundfunkgebühren im Übrigen! Cambreling erweiterte das Repertoire um französische Facetten (Berlioz, Messiaen) und beschied auch immer wieder gerade dem Baden-Badener Publikum beglückende Konzerteindrücke. So auch nun mit der außerordentlich expressiven Deutung von Beethovens Neunter, zu der nicht zuletzt auch ein exzellentes Sängerquartett (Martinpelto, Fujimura, Dean Smith und Selig) sowie der höchst intensiv artikulierende David Wilson-Johnson als Erzähler im Schönberg-Monodram beitrugen. Auch die beiden Chöre (Rundfunkchor Berlin und SWR-Vokalensemble) hoben diese Aufführung weit über den gewohnten Standard hinaus. So geriet alles in allem das Abschlusskonzert zur vollendeten Abrundung dieser zehn glücklichen Pfingstfestspieltage. FAZIT Künstlerisch auf höchstem Niveau: Baden-Baden im Glück. Unsere Opernrezensionen von den Pfingstfestspielen 2011:
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9. Juni 2011 Wolfgang Amadeus Mozart Idomeneo 10./13./16. Juni 2011 Richard Strauss Salome 11. Juni 2011 Staatskapelle Berlin Pierre Boulez, Dirigent Daniel Barenboim, Klavier Richard Wagner Faust-Ouvertüre Siegfried-Idyll Franz Liszt Klavierkonzerte Nr. 1 und 2 12. Juni 2011 Quatuor Ebéne Sergej Prokofjew Streichquartett Nr. 1 Alexander Borodin Streichquartett Nr. 2 12. Juni 2011 Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Stefan Soltesz, Dirigent Waltraud Meier, Mezzosopran Gustav Mahler Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert Richard Wagner Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ Isoldes Liebenstod Richard Strauss Eine Alpensinfonie 14. Juni 2011 Hélène Grimaud, Klavier Wolfgang Amadeus Mozart Sonate a-Moll KV 310 Alban Berg Sonate op. 1 Franz Liszt Sonate h-Moll Belá Bartók Sechs Rumänische Volkstänze Sz 56 17. Juni 2011 Elina Garança, Mezzosopran Roger Vinoles, Klavier Robert Schumann Lieder aus „Myrten“ op. 25 Frauenliebe und –leben op. 42 Alban Berg Sieben frühe Lieder Richard Strauss Sechs Lieder 18. Juni 2011 Bamberger Symphoniker Jonathan Nott, Dirigent Chor der Bamberger Symphoniker Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn Aurelius Sängerknaben Calw Manuela Uhl, Sopran Michaela Kaune, Sopran Marisol Montalvo, Sopran Lioba Braun, Alt Birgit Remmert, Alt Michael König, Tenor Detlef Roth, Bariton Albert Dohmen, Bass Gustav Mahler Sinfonie Nr. 8 Es-Dur 19. Juni 2011 SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg SWR – Vokalensemble Stuttgart Berliner Rundfunkchor Sylvain Cambreling, Dirigent Hillevi Martinpelto, Sopran Mihoko Fujimura, Mezzosopran Robert Dean Smith, Tenor Franz-Josef Selig, Bass David Wilson-Johnson, Sprecher Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 Arnold Schönberg Ein Überlebender aus Warschau op. 46 Nicht rezensiert: Quatuor Ebéne Jazznight mit Arrangements und Improvisationen über Musik von Miles Davis und Wayne Shorter Musikalisches Morgenerwachen Mit Texten von Oscar Wilde und Musik mit dem Berliner Oboenquartett Alfred Brendel über Franz Liszt. Ein Vortrag mit Musik |
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