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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Despinas ApfelVon Christoph Wurzel / Foto von Andrea Kremper Die
Geschichte von Evas Apfel ist so alt wie die Menschheit. Ohne sie wären
wir gar nicht da und Opern gäbe es ohne den beherzten Biss in die
verlockende Frucht auch nicht. Drehen sich doch fast alle um dessen
Folgen: Begehren, Verführung, Lust, Sünde, Schmerz – Stoff für die
Oper, seit es sie gibt. Eine der psychologisch Wahrhaftigsten
darunter ist Mozart/da Pontes Cosi fan tutte, in der zu diesem Thema
fast alles gesagt wird. Mit einem Apfel beginnt es daher auch in der
Neuinszenierung von Philipp Himmelmann jüngst in Baden-Baden. ![]() Alles beginnt mit dem Apfel: Mojca Erdmann (Despina) mit Chor Hier
lockt Despina, die schon viel von der Liebe weiß, mit dieser Frucht.
Und schon beginnt unter den jungen Leuten einer munteren Gartenparty
unterm blühenden Apfelbaum das Spiel „Wer mit wem?“, bei dem sie
gemeinsam mit Alfonso die Spielmacherin ist. Ein bisschen abweichend
vom Original stimmen alle zu, dass die Erprobung der Treue „nur“ ein
Spiel sein soll. Es werden die Frauen von den Männern also nicht in die
Falle gelockt. Das macht die Angelegenheit aber nicht leichter, denn im
Verlauf der Handlung kippt die Laborsituation in bittere Wirklichkeit
um, ganz so wie es da Ponte und Mozart in dieser genialen Komödie
über die Liebe mit einem Wehmutsakzent auch vorführen. Philipp
Himmelmann zeigt dies einfallsreich in einer glänzend pointierten
Bühnenaktion, die das Gleichgewicht zwischen Komik und Ernst
genauestens wahrt. Und auch die Verpflanzung in die heutige Zeit
funktioniert hervorragend. Sind es bei Mozart gerade mal erwachsen
gewordene junge Patrizier, die auf den Gefühlswegen der Liebe
umherirren, so stellen in dieser Inszenierung gleichermaßen
leichtlebige wie leichtsinnige Yuppies mal eben ihre Paarbeziehungen
zur Disposition. Ansonsten bleibt die Situation, wie sie ist.
Himmelmann hat sie deutlich herausgearbeitet: Don Alfonso changiert
undurchschaubar zwischen Realist und Zyniker, die beiden Paare
schlittern zuerst forsch in das Abenteuer, schwanken dann mehr und mehr
zwischen Zweifeln, Verdrängen, Angst und Scham. Im Quintett des 1.
Aktes („Du schreibst mir doch auch jeden Tag...“) entlassen sie sich
schon recht unsicher in den verabredeten Reigen zum gegenseitigen Test
der Partnertreue. ![]() Die Fiktionen der
Albanergeschichte oder des falschen Arztes benötigt die Regie zur
Täuschung der beiden Schwestern nicht mehr, als Erfindungen in der
Spielanordnung werden sie aber clever zu komischen Bühneneffekten
genutzt. So setzt Despina als verkleideter Wunderdoktor hier keinen
Mesmerschen Magnetismus mehr ein, um die scheinbar vergifteten
Jungs wieder auf die Beine zu bringen, sondern ganz natürliche
Kräfte - eine gehörige Portion Sexappeal nämlich.
Da sich ja alles um das eine Thema dreht, wird das Repertoire der Verführungskunst auch eifrig weiter genutzt. Außer der charmant durchtriebenen Despina, die hier ein bisschen an Mozarts Bäsle erinnert, legt Guglielmo draufgängerisch in seiner Arie „Seid doch nicht so spröde“ einen gelenkigen Männerstrip hin, bis schließlich zum Finale des 1. Akts alle von der Erotik narkotisiert sind. Was bis dahin noch
offensichtlich ein Spiel mit durchaus möglicher Distanzwahrung gewesen
ist, verdichtet sich im 2. Akt zur echten Gefühlsverwirrung. Nach den
etwas gröberen erotischen Mitteln im 1. Akt schlägt die Regie nun
zartere, gefühlvolle Töne an: Die Gartenszene stellt ein Maskenfest im
lieblichsten Rokokostil dar, samt Mondlampion und romantischer
Beleuchtung. Das öffnet nun alle Gefühlsschleusen und Despinas Apfel
tut seine Wirkung, aber nicht ohne das eigene Zutun der Beteiligten.
Ihr gewecktes Begehren beweist ihnen das Gegenteil des Erhofften. Sie
verlieben sich tatsächlich „über Kreuz“. Aber der anfängliche Reiz
oberflächlichen Vergnügens bekommt nun einen bittersüßen
Beigeschmack. Die geplante Doppelhochzeit, in den meisten Aufführungen
ein eher schnöder Gag, wird hier zum Wendepunkt und sie begreifen, was
mit ihnen geschehen ist. Folgerichtig stehen sie am Schluss
buchstäblich im Regen.
![]() Zum
szenischen Gelingen der Aufführung trägt neben der ausgefeilten Regie
von Philipp Himmelmann das stimmige Bühnenbild von Johannes Leiacker
bei, der ähnlich wie bei seiner Bregenzer Tosca-Kulisse des alles
beherrschenden Auges auch hier das Bühnenbild auf ein wesentliches
Symbol konzentriert hat, den Apfelbaum. Davy Cunnighams atmosphärisch
intensive Lichtregie und die schönen Kostüme von Florence von
Gerkan runden die Sache zudem eindrucksvoll ab. ![]()
Am
Pult des hervorragend spielenden Balthasar-Neumann-Ensembles feilte
Teodor Currentzis aus der Partitur auch die kleinsten Nuancen deutlich
heraus, ließ Mozarts musikalische Charakterisierungskunst heraushören,
die hier auch ironische Brechung (wie eben der halsbrecherische Absturz
in Fiordiligis Arie) nicht ausspart. Das Spiel auf Originalinstrumenten
ließ neben einem höchstdifferenzierten Klangbild auch schöne
Klangfarben vor allem bei den hervorragend disponierten Bläsern hören.
Currentzis schlug zumeist zügige Tempi an und sorgte für einen
spannungsreichen musikalischen Bogen. Bei so glänzend spielenden
Instrumentalisten waren auch feinste dynamische Abstufungen möglich,
zwischen kristallklaren Pianissimi und martialischen
Fortissimo-Märschen spannten sie den musikalischen Ausdrucksfächer
souverän auf – ein Triumph des historisch informierten Musizierens.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungTeodor Currentzis Inszenierung SolistenFiordiligi Véronique Gens Dorabella Silvia Tro Santafé Guglielmo Stephan Genz Ferrando Steve Davislim Despina Mojca Erdmann Don Alfonso Konstantin Wolff
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- Fine -