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Musikfestspiele
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Winterfestspiele 2011

Così fan tutte
ossia  La scuola degli amanti

Dramma giocoso in due atti, KV 588
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Lorenzo da Ponte

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer:  3 ½  Stunden – eine Pause

Aufführungen am 27., 29. (rezensiert) und 31.Januar 2011


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Festspielhaus Baden-Baden
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Despinas Apfel

Von Christoph Wurzel / Foto von Andrea Kremper

Die Geschichte von Evas Apfel ist so alt wie die Menschheit. Ohne sie wären wir gar nicht da und Opern gäbe es ohne den beherzten  Biss in die verlockende Frucht auch nicht. Drehen sich doch fast alle um dessen Folgen: Begehren, Verführung, Lust, Sünde, Schmerz – Stoff für die Oper, seit es sie  gibt. Eine der psychologisch Wahrhaftigsten darunter ist Mozart/da Pontes Cosi fan tutte, in der zu diesem Thema fast alles gesagt wird. Mit einem Apfel beginnt es daher auch in der Neuinszenierung von Philipp Himmelmann jüngst in Baden-Baden.

Vergrößerung in neuem Fenster

Alles beginnt mit dem Apfel: Mojca Erdmann (Despina) mit Chor

Hier lockt Despina, die schon viel von der Liebe weiß, mit dieser Frucht. Und schon beginnt unter den jungen Leuten einer munteren Gartenparty unterm blühenden Apfelbaum das Spiel „Wer mit wem?“, bei dem sie gemeinsam mit Alfonso die Spielmacherin ist. Ein bisschen abweichend vom Original stimmen alle zu, dass die Erprobung der Treue „nur“ ein Spiel sein soll. Es werden die Frauen von den Männern also nicht in die Falle gelockt. Das macht die Angelegenheit aber nicht leichter, denn im Verlauf der Handlung kippt die Laborsituation in bittere Wirklichkeit um, ganz so wie es da Ponte und Mozart in dieser genialen  Komödie über die Liebe mit einem Wehmutsakzent auch vorführen.

Philipp Himmelmann zeigt dies einfallsreich in einer glänzend pointierten Bühnenaktion, die das Gleichgewicht zwischen Komik und Ernst genauestens wahrt. Und auch die Verpflanzung in die heutige Zeit funktioniert hervorragend. Sind es bei Mozart gerade mal erwachsen gewordene junge Patrizier, die auf den Gefühlswegen der Liebe umherirren, so stellen in dieser Inszenierung gleichermaßen leichtlebige wie leichtsinnige Yuppies mal eben ihre Paarbeziehungen zur Disposition. Ansonsten bleibt die Situation, wie sie ist. Himmelmann hat sie deutlich herausgearbeitet: Don Alfonso changiert undurchschaubar zwischen Realist und Zyniker, die beiden Paare schlittern zuerst forsch in das Abenteuer, schwanken dann mehr und mehr zwischen Zweifeln, Verdrängen, Angst und Scham. Im Quintett des 1. Aktes („Du schreibst mir doch auch jeden Tag...“) entlassen sie sich schon recht unsicher in den verabredeten Reigen zum gegenseitigen Test der Partnertreue.


Vergrößerung in neuem Fenster Sind sich ihrer Fähigkeit zur Treue nicht ganz sicher: Ferrando (Steve Davislim), Fiordiligi (Véronique Gens), Guglielmo (Stephan Genz), Dorabella (Silvia Tro Santafé) und in der Mitte Don Alfonso (Konstantin Wolff)
 

Die Fiktionen der Albanergeschichte oder des falschen Arztes benötigt die Regie zur Täuschung der beiden Schwestern nicht mehr, als Erfindungen in der Spielanordnung werden sie aber clever zu komischen  Bühneneffekten genutzt. So setzt Despina als verkleideter Wunderdoktor hier keinen Mesmerschen Magnetismus mehr ein, um die scheinbar vergifteten Jungs  wieder auf die Beine zu bringen, sondern ganz natürliche Kräfte - eine gehörige Portion Sexappeal nämlich.
Da sich ja alles um das eine Thema dreht, wird das Repertoire der Verführungskunst auch eifrig weiter genutzt. Außer der charmant durchtriebenen Despina, die hier ein bisschen an Mozarts Bäsle erinnert, legt Guglielmo draufgängerisch in seiner Arie „Seid doch nicht so spröde“ einen gelenkigen Männerstrip hin, bis schließlich zum Finale des 1. Akts alle von der Erotik narkotisiert sind.

Was bis dahin noch offensichtlich ein Spiel mit durchaus möglicher Distanzwahrung gewesen ist, verdichtet sich im 2. Akt zur echten Gefühlsverwirrung. Nach den etwas gröberen  erotischen Mitteln im 1. Akt schlägt die Regie nun zartere, gefühlvolle Töne an: Die Gartenszene stellt ein Maskenfest im lieblichsten Rokokostil dar, samt Mondlampion und romantischer Beleuchtung. Das öffnet nun alle Gefühlsschleusen und Despinas Apfel tut seine Wirkung, aber nicht ohne das eigene Zutun der Beteiligten. Ihr gewecktes Begehren beweist ihnen das Gegenteil des Erhofften. Sie verlieben sich tatsächlich „über Kreuz“. Aber der anfängliche Reiz oberflächlichen Vergnügens bekommt  nun einen bittersüßen Beigeschmack. Die geplante Doppelhochzeit, in den meisten Aufführungen ein eher schnöder Gag, wird hier zum Wendepunkt und sie begreifen, was mit ihnen geschehen ist. Folgerichtig stehen sie am Schluss buchstäblich im Regen.

Vergrößerung in neuem Fenster Finem lauda: allseitige Ernüchterung (Véronique Gens, Steve Davislim, Konstantin Wolff, Mojca Erdmann, Stepahn Genz und Silvia Tro Santafé)
 

Zum szenischen Gelingen der Aufführung trägt neben der ausgefeilten Regie von Philipp Himmelmann das stimmige Bühnenbild von Johannes Leiacker bei, der ähnlich wie bei seiner Bregenzer Tosca-Kulisse des alles beherrschenden Auges auch hier das Bühnenbild auf ein wesentliches Symbol konzentriert hat, den Apfelbaum. Davy Cunnighams atmosphärisch intensive Lichtregie und  die schönen Kostüme von Florence von Gerkan runden die Sache zudem eindrucksvoll ab.

Dass Cosi fan tutte nicht allein eine der großartigsten Operngeschichten ist, sondern auch zu Mozarts größten musikalischen Würfen gehört, dies beglaubigten die Mitwirkenden  allen aufmerksamen Ohren. Das Sängerensemble stimmte hervorragend zusammen, wenn es gemeinsam agierte und sang. In den Arien enttäuschten Véronique Gens und Silvia Tro Santafé allerdings ein wenig: Erstere trotz sehr schönen Timbres mit zu geringer Tiefe (in der Felsenarie war der Absturz um eine Dezime klanglich nur wenig kraftvoll, in der Arie im 2. Akt „Verzeihung, mein Geliebter“ mangelte es an innerer Spannung); Letztere durch monochrome Färbung der Stimme und gelegentlich nicht vermiedene Schärfe. Vollkommen rollendeckende Stimmen präsentierten Stephan Genz (besonders in der furiosen Arie im 2. Akt „So treibt ihr’s doch mit allen“) und Konstantin Wolff als energischer Strippenzieher. Großen Sonderapplaus heimsten völlig zu Recht Steve Davislim nach der anrührend lyrisch gesungenen Arie „Un’ aura amorosa“ und Mojca Erdmann für ihre darstellerisch gewitzte und gesanglich  erfrischende Zofenrolle ein.


Vergrößerung in neuem Fenster Verzauberndes Maskenspiel:  Gartenszene im 2. Akt mit Véronique Gens und dem Balthasar-Neumann-Chor

Am Pult des hervorragend spielenden Balthasar-Neumann-Ensembles feilte Teodor Currentzis aus der Partitur auch die kleinsten Nuancen deutlich heraus, ließ Mozarts musikalische Charakterisierungskunst heraushören, die hier auch ironische Brechung (wie eben der halsbrecherische Absturz in Fiordiligis Arie) nicht ausspart. Das Spiel auf Originalinstrumenten ließ neben einem höchstdifferenzierten Klangbild auch schöne Klangfarben vor allem bei den hervorragend disponierten Bläsern hören. Currentzis schlug zumeist zügige Tempi an und sorgte für einen spannungsreichen musikalischen Bogen. Bei so glänzend spielenden Instrumentalisten waren auch feinste dynamische Abstufungen möglich, zwischen kristallklaren Pianissimi und martialischen Fortissimo-Märschen spannten sie den musikalischen Ausdrucksfächer souverän auf – ein Triumph des historisch informierten Musizierens.


FAZIT


In dieser flott inszenierten modernen Variante taugt Cosi fan tutte immer noch als eine „Schule der Liebenden“. Das Spiel mit Gefühlen kann zwar prickelnd sein, ist dann aber unweigerlich mit einem kräftigen Kater verbunden.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Teodor Currentzis

Inszenierung
Philipp Himmelmann


Bühnenbild
Johannes Leiacker

Kostüme
Florence von Gerkan

Licht
Davy Cunningham

Choreinstudierung
Johannes Günther

 

Balthasar-Neumann-Chor

Balthasar-Neumann-Ensemble

Continuo

Jory Vinikour
Hammerflügel
Michael Peternik
Violoncello


 


Solisten


Fiordiligi
Véronique Gens

Dorabella
Silvia Tro Santafé

Guglielmo
Stephan Genz

Ferrando
Steve Davislim

Despina
Mojca Erdmann

Don Alfonso

Konstantin Wolff


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)




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