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Klangvokal
Musikfestival Dortmund
10.06.2011 - 02.07.2011

Il Corsaro

Melodramma tragico in drei Akten
Libretto von Francesco Maria Piave
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere im Konzerthaus Dortmund  am 10. Juni 2011

 

 

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Die Macht des Schicksals

Von Thomas Molke / Fotos von Johanna Fischer

Giuseppe Verdis dreizehnte Oper Il Corsaro, die er in seinen so genannten Galeerenjahren vollendete, einer Zeit, in der er verpflichtet war, Opern gewissermaßen am Fließband zu komponieren, steht in seiner musikalischen Struktur noch ganz im Zeichen der jungen Sturm- und Drang-Phase des aufstrebenden Komponisten, der seit dem großen Erfolg seines Nabucco unter so großem Erfolgsdruck stand, dass er mit Blick auf den tragischen Verlust seiner beiden ersten Kinder und seiner ersten Frau und seinen eigenen schlechten Gesundheitszustand zu dieser Zeit schon am liebsten aus dem Opernbetrieb wieder aussteigen wollte. Vielleicht lag es gerade daran, dass Lord Byrons dramatisches Gedicht The Corsair von 1814, das mit dem Adeligen Corrado, der alle gesellschaftlichen Konventionen verachtet und stattdessen als Korsar das abenteuerliche Piratenleben im Kampf gegen die Türken genießt, eine ideale Projektionsfläche für den noch jungen Komponisten bot, der wie eben jener Corrado gern aus seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen ausgebrochen wäre. Aber so wie der Korsar Corrado bei allen Freiheitsbemühungen der Macht seines Schicksals nicht entkommen kann und die Erlösung am Ende nur im Freitod findet, ist die Abhängigkeit des Individuums vom Schicksal ein Thema, das Verdi zeit seines Lebens nicht mehr loslassen sollte.

Dass die 1848 in Trieste uraufgeführte Oper heute ein Schattendasein in Verdis Oeuvre fristet, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen war die ursprünglich für 1845 geplante Oper vielleicht bei ihrer Uraufführung drei Jahre später schon nicht mehr ganz zeitgemäß, weil sich der Musikgeschmack in der damaligen Zeit sehr schnell änderte. So lagen die für 1845 noch aktuellen Belcanto-Anklänge an Donizetti und Rossini nicht mehr im Trend, und auch von der klassischen Nummernstruktur, der das Werk noch in großen Zügen folgt, begann man zu diesem Zeitpunkt allmählich, schon Abstand zu nehmen. Zum anderen wurde die Oper nicht wie ursprünglich geplant in London, sondern in Trieste uraufgeführt, was für die Verbreitung des Werkes nicht förderlich war, da Trieste nicht gerade als Kulturmetropole galt. Da der mangelnde Bekanntheitsgrad aber keineswegs auf die musikalischen Qualitäten dieses Werkes zurückzuführen ist, hat Torsten Mosgraber, der Direktor des Klangvokal-Musikfestivals, nicht nur eine Riege international gefeierter Stars für diese konzertante Aufführung im Konzerthaus versammelt, sondern diese Oper auch noch als Auftakt des diesjährigen Festivals ausgewählt in der Hoffnung, dieses Werk für die Zukunft mehr ins Blickfeld der Theater zu rücken.

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Dirigent Carlo Montanaro in seinem Element.

Die Oper beginnt fulminant am Strand einer Insel in der Ägäis. Carlo Montanaro lässt mit dem herrlich aufspielenden WDR Rundfunkorchester Köln in der Ouvertüre das Meer, das gegen steile Felsenriffe peitscht regelrecht sichtbar werden. Überhaupt wird die Natur in den orchestralen Zwischenstücken dieser Oper sehr bildhaft beschrieben. Das gilt genauso für den Harem im zweiten Akt, in dem die Flöten das Zwitschern der Vögel nachahmen, und das Feuer am Ende des zweiten Aktes, in dem die Streicher die züngelnden Flammen erlebbar machen. Dazwischen entlockt Montanaro dem Orchester einen sehr zupackenden flotten Verdi-Sound, der stets kräftig auftrumpft und exzellente Solisten verlangt, damit die Stimmen in dieser gewaltigen eruptiven Musik nicht untergehen. Diese stehen der Aufführung aber in jeder Hinsicht zur Verfügung. Nur der Chor der Musikakademie Minsk unter der Leitung von Inessa Bodyako hätte etwas umfangreicher besetzt sein können. Zwar bildet er einen sehr homogenen Klangkörper, bleibt aber zumindest bei den Männerstimmen im Vergleich zu dem fulminant aufspielenden Orchester ein wenig blass. Da hätte man sich von den freiheitsliebenden Korsaren vielleicht doch ein bisschen mehr Volumen und Feuer gewünscht. Vielleicht hätte man mit Blick auf die Zielrichtung des Festivals den Chor noch um weitere Choristen ergänzen sollen, um einen adäquaten Klang zu erzeugen.

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Schlussapplaus: von links: Florian Simson, Zvetan Michailov, Sebastian Catana, Elena Mosuc, Maria Guleghina und Carlo Montanaro mit dem WDR Rundfunkorchester Köln.

Für die Titelpartie war ursprünglich der junge Tenor Giuseppe Varano vorgesehen, der allerdings eine Woche vor der Aufführung aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Als dann am Tag der Generalprobe der gefundene Ersatz ebenfalls indisponiert war, wurde kurzfristig der bulgarische Tenor Zvetan Michailov eingeflogen, der den Corrado bereits 2004 beim Verdi-Festival in Parma gestaltet hatte, sich seitdem aber mit dieser Partie nicht weiter beschäftigt hatte. Dennoch hat er sich innerhalb eines Tages diese Rolle wieder sehr schnell erarbeitet und glänzt bereits mit Corrados Auftrittsarie im ersten Akt "Tutto parea sorridere", in der er von seiner enttäuschten Liebe spricht, mit einem sehr sauber geführten lyrischen Tenor, der problemlos über das Orchester kommt. Wer mit dieser verlorenen Liebe gemeint ist, wird im Libretto nicht klar, jedenfalls nicht Medora, von der er in der nächsten Szene Abschied nimmt, um gegen die Türken zu kämpfen. Elena Mosuc ist als Corrados Geliebte Medora eine absolute Belcanto-Spezialistin, die mit ihrer Romanze "Non so le tetre immagini", in der sie ihre dunklen Vorahnungen über Corrados Zukunft beschreibt, den Saal zum Toben bringt. Mit welchen Variationen sie diese einprägsame Kavatine umsetzt, dabei die Koloraturen so sauber und klar moduliert und der Interpretation gefühlvoll und mit viel Fantasie stets neue Facetten hinzufügt, ist absolute Weltklasse. Schade, dass sie nach dem Abschlussduett mit Corrado, in dem beide Stimmen eine hervorragende Symbiose eingehen, bis zum Ende der Oper nichts mehr zu singen hat.

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Zwei große Sopranistinnen unter sich: Elena Mosuc (links) und Maria Guleghina (rechts).

Dass Verdi dieses Werk für die besten Sänger seiner Zeit geschrieben hat, wird auch im zweiten Akt deutlich, wenn die nächsten beiden Stimmakrobaten mit ihren Paradestücken auftreten. Nachdem der Chor der Haremsdamen, der vom Volumen im Gegensatz zu den Korsaren im ersten Akt durchaus mit dem Orchester mithalten kann, Gulnara, der Lieblingssklavin des Paschas, ihre Vorteile ausgemalt hat, die es mit sich bringt, in der Gunst des Paschas zu stehen, präsentiert Maria Guleghina mit hochdramatischem Sopran ihre Kavatine "Vola talor dal carcere", in der sie ihrer Sehnsucht nach Freiheit und ihrer Verachtung des Paschas Ausdruck verleiht. Dabei begeistert Guleghina mit einem gewaltigen Stimmvolumen, das im tieferen Bereich sehr samtig getönt und weich klingt, in den Höhen jedoch so scharf werden kann, dass sie Glas zum Klirren bringen könnte. Sebastian Catana präsentiert sich als Pascha Seid in seiner Auftrittshymne "Salve, Allah", in der er bereits mit seinen Männern den bevorstehenden Sieg über die Korsaren feiert, mit sehr kräftigem Bariton, der Seids nahezu animalische Brutalität glaubhaft macht. Auch das nachfolgende Duett zwischen Seid und Corrado, das in das Finale des zweiten Aktes mündet, stellt einen weiteren musikalischen Glanzpunkt des Abends dar, wobei man sich bei der Rettung Gulnaras aus den Flammen und der anschließenden Festnahme Corrados vielleicht doch eine szenische Umsetzung gewünscht hätte, um der Handlung besser folgen zu können.

Im letzten Akt dürfen die vier Protagonisten noch einmal ihr ganzes vokales Können zum Besten geben, wobei sich ein Höhepunkt an den nächsten reiht. Zunächst glänzt Catana in Seids Arie "Cento leggiadre vergini", in der er seiner Eifersucht darüber Ausdruck verleiht, dass sich Gulnara wohl in Corrado verliebt habe. Es folgt ein großartiges Duett zwischen Guleghina und Catana, in dem sie sich gegenseitig verfluchen, bevor Gulnara im Stil einer Fidelio-Leonore den Pascha tötet und Corrado befreit. Gemeinsam kehren sie zu Medora zurück. Doch sie kommen zu spät, da diese mittlerweile Gift genommen hat, weil sie ihren Geliebten verloren glaubte. So stirbt sie in Corrados Armen, woraufhin dieser sich verzweifelt ins Meer stürzt und Gulnara zusammenbricht, das alles stimmlich von Guleghina, Mosuc und Michailov hochdramatisch und bewegend interpretiert.

In den kleineren Partien gefallen Adrian Sâmpetrean als Giovanni mit kräftigem Bassbariton und Florian Simson unter anderem als Diener Selimo mit starkem Tenor. Und so gibt es am Ende nicht enden wollenden Beifall für alle Beteiligte.

FAZIT

Eine lohnende Wiederentdeckung, auch wenn sie es aufgrund der dramaturgischen Schwächen im Libretto sicherlich nicht in die erste Reihe der Verdi-Opern schaffen wird.

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Carlo Montanaro

Chorleitung
Inessa Bodyako



WDR Rundfunkorchester Köln

Chor der staatlichen Musikakademie Minsk

Solisten

Corrado, Hauptmann der Korsaren
Zvetan Michailov

Medora, junge Geliebte von Corrado
Elena Mosuc

Gulnara, Seids Lieblingssklavin
Maria Guleghina

Seid, Pascha von Koroni
Sebastian Catana

Giovanni, ein Korsar
Adrian Sâmpetrean

Aga Selimo / Ein schwarzer Eunuch / Ein Sklave
Florian Simson

 

Weitere
Informationen

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Klangvokal Dortmund
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