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Slapstick-Chaos in der EinbaukücheVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)
Germano (Paolo Bordogna, vorne links) belauscht Blansac (Simone Alberghini, Mitte) und Dorvil (Juan Francisco Gatell, rechts). Den großen Erfolg bei dem diesjährigen Rossini Opera Festival verdankt dieses Werk vor allem der hervorragenden Personenführung des Regisseurs Damiano Michieletto, dem sehr fantasievollen und ausgeklügelten Bühnenbild von Paolo Fantin und einem darstellerisch und musikalisch hervorragend aufgelegten Ensemble, das diese Produktion zu einem Knüller des Festivals werden lässt. So wird nicht nur Giulias komplette Wohnung mit jugendlich modernen Möbeln während der Ouvertüre von Statisten aufgebaut, sondern eine schräg von der Bühnendecke nach hinten verlaufende Spiegelwand ermöglicht auch den Blick auf den Grundriss der Wohnung, der die Türen und Wände zeigt, die zwar nicht real vorhanden sind, von den Solisten aber peinlichst genau bei ihren Gängen durch die Wohnung eingehalten werden, so dass das Versteckspiel in den einzelnen Räumen und das Belauschen der anderen auch ohne Wände wunderbar funktioniert. Das auf dem Boden eingezeichnete Dach hinter dem Fenster vermittelt ferner den Eindruck, dass man sich dort wirklich in dem oberen Stockwerk eines Hauses befindet und Dorvil auf der seidenen Leiter, die aus einem riesigen weißen Tuch besteht, das zu einem stabilen Strick geformt ist, in die Wohnung klettern muss. Außerdem ermöglicht die Spiegelwand auch den Blick hinter die Einbauküche in die Abstellkammer, so dass die Solisten jederzeit auf der Bühne in jedem Winkel präsent sind. Giulia (Hila Baggio), Dorvil (Juan Francisco Gatell, linke Seite) und Blansac (Simone Alberghini, rechte Seite) machen Germano (Paolo Bordogna, auf dem Schrank) für das Durcheinander verantwortlich. In diesem Ambiente lässt Michieletto die Solisten regelrechte Slapstick-Einlagen vollziehen, allen voran den Buffo-Bass Paolo Bordogna, der bereits im Vorjahr in der Adriatic Arena als Don Magnifico in La Cenerentola das Publikum mit seinem komödiantischen Spiel begeisterte. Als Dienstbote Germano mit Prinz-Eisenherz-Frisur stolpert er wie der junge Jerry Lewis von einem Missgeschick ins nächste. Dabei ist bemerkenswert, wie beweglich er zum Takt der Musik auf den Einbauschrank hüpfen oder unter dem Tisch regelrechte Kabinettstückchen vollbringen kann. Auch als Jongleur mit den Toilettenpapierrollen im Badezimmer macht er eine gute Figur. Zusätzlich verfügt er über einen sehr beweglichen Bass, der sowohl in den Höhen genügen Durchschlagskraft besitzt, als auch in den Tiefen das erforderliche Volumen aufweist. Bei solch einer Hyperaktivität kann dem Zuschauer beinahe schwindelig werden. Jedenfalls macht Bordogna sehr deutlich, dass dieser Dienstbote an dem Chaos der Handlung nicht unschuldig ist. Hinzu kommt, dass Bordogna entgegen dem Libretto und den Übertiteln den Namen des Verehrers Blansac jedes Mal verdreht. Zu Recht gebührt diesem grandiosen Sängerdarsteller am Ende der größte Applaus. Blansac (Simone Alberghini) bandelt mit Lucilla (José Maria Lo Monaco) an. Doch auch die anderen Solisten können sehr gut mithalten. Hila Baggio gibt mit strahlendem Sopran Giulia, das kokette Mündel, das bereits ohne das Wissen ihres Vormundes mit Dorvil verheiratet ist und ihn jede Nacht über die seidene Leiter in ihrer Wohnung empfängt. Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit gelingen ihr die sauberen Koloraturen auch dann, wenn sie dabei Turnübungen durchführt. Ihr komödiantisches Talent spielt sie aus, als sie, von ihrem Gatten beim vermeintlichen Flirt mit Blansac überrascht, hektisch die Silikonkissen aus ihrem Büstenhalter entfernt. Juan Francesco Gatell gibt den eifersüchtigen Ehemann Dorvil betont lässig als Schönling in Motorradkluft, der stets darauf bedacht ist, dass sein schwarzer Helm fleckenlos glänzt, und der in jedem anderen Mann sofort einen Rivalen wittert. Mit auch in den Höhen sehr geschmeidigem Tenor zeigt auch er großes komisches Talent, wenn er sich in der Besenkammer wegen der vermeintlichen Untreue seiner Gattin zunächst mit Waschmittel vergiften will und dann von der Waschmaschine springt. Vollständige Konfusion kurz vor dem Ende: (linke Seite von vorne nach hinten: Dormont (John Zuckerman), Dorvil (Juan Francisco Gatell), Blansac (Simone Alberghini), vor dem Tisch: Germano (Paolo Bordogna), rechts daneben: Giulia (Hila Baggio), außen rechts: Lucilla (José Maria Lo Monaco)). Simone Alberghini glänzt mit sehr profundem Bass als Blansac, der in weißem Anzug mit Macho-Allüren einen regelrechten Don Juan darstellt, dem es völlig egal ist, welche Frau er am Ende erobert. Seine Arie "Alle voci dell'amore" nach der Pause, mit der er seine Zuversicht besingt, dass ihn alle Frauen lieben, war von Rossini ursprünglich nicht für diese Partie vorgesehen. Es wird gemutmaßt, dass der Interpret der Uraufführung nicht über die erforderlichen gesanglichen Qualitäten verfügt hat und deshalb keine eigene Arie erhalten hat. Da es aber aus der Entstehungszeit der Oper eine dreiteilige Arie Rossinis für einen unbekannten Bass existiert, die inhaltlich genau auf Blansacs Charakter passt, wurde diese Arie in die kritische Ausgabe aufgenommen und gibt Alberghini die Möglichkeit, wie die anderen Solisten mit einer Soloarie zu glänzen. Einen weiteren choreographischen und gesanglichen Höhepunkt vollbringt er mit Bordogna, Baggio und Gatell vor der Pause in dem Quartett "Tu sei causa bestia matta", in dem Dorvil, Giulia und Blansac dem Dienstboten Germano die Schuld an der ganzen Verwirrung geben. José Maria Lo Monaco gibt mit sehr voluminösem Mezzosopran Giulias Kusine Lucilla, die sich von einer spröden Jungfer in einem lila Kostüm mit strengem Dutt im Duett mit Blansac zu einem männermordenden Vamp entwickelt. Auch für sie gibt es am Schluss ein glückliches Ende mit ihrem Angebeteten. John Zuckerman bleibt in diesem Rahmen als Vormund Dormont etwas blass, wobei aber anzuführen ist, dass diese Rolle nicht allzu viele Möglichkeiten zur großen Entfaltung bietet, so dass er von den anderen nahezu an die Wand gespielt wird. Abgerundet wird die sehr kurzweilige Aufführung von dem grandios aufspielenden Orchester Sinfonica G. Rossini unter dem Dirigat von José Miguel Pérez-Sierra, der die differenzierten Tempi der Partitur sehr sauber ausleuchtet und somit den so leicht und spielerisch wirkenden Rossini-Klang wunderbar zur Geltung bringt.
FAZIT Michieletto zeigt, dass mit einem stimmigen Regiekonzept und exzellenten Sängerdarstellern auch den Frühwerken des Pesaresen großer Unterhaltungswert abgewonnen werden kann.
Weitere Rezensionen zu dem Rossini
Opera Festival 2011 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungJosé Miguel Pérez-Sierra Regie Bühne und Kostüme Licht
Solisten
Dormont
Giulia
Lucilla
Dorvil
Blansac
Germano
|
- Fine -