Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Größe, die sich nichts beweisen muss Von Christoph Wurzel / Fotos: Manilopress Der Pianist steuert zielstrebig das Instrument an, setzt sich nach knapper Verbeugung nieder und beginnt sofort zu spielen. Vom ersten Moment an spürt man: Hier geht es allein um die Musik. Kein glamouröser Tastenlöwe, kein wilder Feuerkopf, aber auch kein selbstverliebter Grübler sitzt da am Flügel, mit nüchterner Eleganz und seriöser Souveränität ist Grigory Sokolov unvermittelt mitten in der Musik und vermag sein Publikum sofort in Bann zu ziehen. Selten ist eine solche Konzentration unter den Zuhörern zu spüren, selten wohl stellt sich ein derart beglückendes Live-Erlebnis so rasch und so intensiv im Konzertsaal her, wie es bei diesem Konzert in Baden-Baden zu erleben war, und zwar trotz der beträchtlichen Größe des dortigen Saales. Grigory Sokolov Sokolovs Programm umfasste nicht gerade Ungewöhnliches, so wie er sich bei den wenigen Aufnahmen, die er bisher veröffentlicht hat, ebenfalls auf eher auf das gängige Repertoire beschränkt: von Bach über Beethoven, Brahms zu Chopin und ein paar russische Komponisten. Im Konzert hat er in Baden-Baden auch schon einmal eine Suite von Rameau gespielt. An diesem Abend stehen „nur“ drei Werke auf dem Zettel, nach denen Sokolov aber noch fast eine Stunde lang sechs Zugaben spielt, darunter Impromptus von Schubert und Mazurken von Chopin. Und auch gerade in den Zugaben zeigt sich in konzentrierter Form die Klasse dieses Pianisten, seine ungemein hohe Kunst der klangkoloristischen Feinzeichnung, seiner subtilen Dramaturgie der Dynamik und der weit ausschwingenden melodischen Spannungsbögen. In Bach entdeckte er den Melodiker. Das Präludium der B-Dur-Partita war ein einziger Melodiebogen, auch in der Allemande dominierte Gesanglichkeit vor Rhythmus. Berauschender Schwung trug in wiegendem Takt die Corrente voran, die Sarabande versenkte sich ganz in ihre geheimnisvoll melancholische Melodie. Die beiden anschließenden Menuette erinnerten nur noch fern an die traditionellen höfischen Tänze und wurden in Sokolovs Interpretation zu heiteren Formspielen, bis im rasanten Vierertakt die Gigue diese Klaviersuite beendete. Beethovens Sonate op. 10 Nr. 3 bestach besonders in ihrem zweiten Satz, einem ausschweifenden Largo, durch die intensive Expressivität, mit der Sokolov diese Sonate spielte. Mit präzisem Gespür für die zerrissene Gefühlswelt dieser Musik ließ der Pianist erahnen, wie weit Beethoven darin schon auf die Romantik voraus weist. Nach der düsteren Einsamkeit des Largos erschien in Sokolovs Lesart die Freundlichkeit des anschließenden Menuetts wie ein mühsam abgerungenes Lächeln und das abschließende Rondo als ein Spiel mit immer neu sprühenden Gedankenblitzen. Chopins dritte Klaviersonate in h-Moll strahlte unter Sokolovs Händen in klassischer Klarheit, virtuos und kraftvoll, zugleich vollendet klangschön. Hier war die emotionale Spannbreite der Musik kontrolliert und fein justiert. In den Vordergrund stellte der Pianist die Klangbalance und immer wieder den subtil gehaltenen Spannungsbogen des melodischen Flusses. FAZIT Nichts in seinem Spiel dient dazu, einen Star auf den Sockel zu heben, sondern Grigory Sokolov bezieht sein enormes Charisma aus einer wie selbstverständlich wirkenden Natürlichkeit. Hinzu kommt eine technische Überlegenheit, die auch durch zwei oder drei falsch gegriffene Töne als Preis allerhöchster Konzentration diesen Eindruck nicht im Mindesten trüben können. Weitere Rezensionen zu den Herbstfestspielen 2014: Musik und Literatur: Auf Schostakowitschs Spuren
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ProgrammJohann Sebastian BachPartita Nr. 1 B-Dur BWV 825 Ludwig van Beethoven Sonate Nr. 7 D-Dur op. 10 Nr. 3 Frédéric Chopin Sonate Nr. 3 h-Moll op. 58
Grigory Sokolov, Klavier |
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