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39. Tage Alter Musik in Herne13.11.2014 - 16.11.2014 Le feste d'Apollo: Atto d'Orfeo
Letzter Akt der Festoper in einem Prolog und drei Akten Aufführungsdauer: ca. 1 h 25' (keine Pause) Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 16. November 2014 |
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Gelungener Festival-Abschluss Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Kost / WDR Die Geschichte um den thrakischen Sänger Orpheus, der mit seinem Gesang nicht nur wilde Tiere zu zähmen, sondern auch Pflanzen und Steine zu bewegen vermochte, ist seit den Anfängen der Oper untrennbar mit dieser Gattung verbunden und hat immer wieder Komponisten zu musikalischen Ausgestaltungen des Mythos inspiriert. Die bekanntesten Vertonungen stammen von Claudio Monteverdi, dessen L'Orfeo als die "Urform aller Opern" gilt, und von Christoph Willibald Gluck, dessen Ruf als Opernreformator vor allem auf seinem 1762 in Wien uraufgeführten Werk Orfeo ed Euridice basiert. Bekannt ist auch Glucks Pariser Fassung, die als Tragédie-opéra Orphée et Euridice 1774 Premiere feierte und neben einigen Erweiterungen wie beispielsweise dem "Air de Furies", das Gluck aus seinem 1761 komponierten Ballett Don Juan übernommen hatte, auch die Partie des Orpheus von einem Altkastraten in einen Tenor transponierte. Neben diesen beiden Varianten, aus denen in der Aufführungspraxis häufig eine Mischform verwendet wird, hat sich Gluck aber noch ein drittes Mal mit diesem Mythos beschäftigt und ihn zum dritten Teil einer Festoper gemacht. Anlässlich des Gluck-Jubiläums ist diese Fassung nun bei den 39. Tagen der Alten Musik in Herne als Abschlussveranstaltung zu erleben. Orfeo (Valer Sabadus) und Euridice (Sophie Marin-Degor) (rechts: Johanna Neß als Amore, im Hintergrund: ChorWerk Ruhr und die Münchener Hofkapelle unter der Leitung von Rüdiger Lotter) Für die Hochzeit der Erzherzogin Maria Amalia mit dem spanischen Infanten Herzog Ferdinand von Bourbon-Parma war Gluck 1768 von Maria Amalias Mutter, Maria Theresia, gebeten worden, eine Festoper zu komponieren, die im Rahmen der aufwendigen Feierlichkeiten in Parma 1769 zur Aufführung gelangen sollte. Dazu fügte Gluck unter dem Titel Le feste d'Apollo drei Einakter mit unterschiedlichen mythologischen Erzählungen zusammen, die alle einen allegorischen Bezug zur Hochzeit hatten. Der erste Akt mit dem Titel Atto di Bauci e Filemone versinnbildlicht am Beispiel von Philemon und Baucis das Ideal einer ewig andauernden Liebe. Der Atto d'Aristeo erzählt die Geschichte des Bienenzüchters Aristheus, der den Tod der Nymphe Eurydice verursacht hat und dafür mit einem großen Bienensterben bestraft wird. Erst als er den Göttern einige Stiere opfert, wird ihm verziehen, und der Hochzeit mit seiner geliebten Kyrene steht nichts mehr im Weg. Als letzten Teil wählte Gluck die unglückliche Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydice aus, die hier im Gegensatz zum Mythos ein gutes Ende nimmt. Amor hat mit Orpheus' Liebe, die über den Tod hinausgeht, Mitleid und führt den Sänger mit seiner Eurydice wieder im Diesseits zusammen. Musikalisch hat Gluck für diesen letzten Akt größtenteils seine Wiener Fassung übernommen, sie allerdings von drei Akten auf sieben Szenen ohne Pause verkürzt und die Stimme des Orfeo von einem Altkastraten in einen Soprankastraten transponiert. Schlussapplaus: von links Sophie Marin-Degor (Euridice), Valer Sabadus (Orfeo), Johanna Neß (Amore) und Rüdiger Lotter, dahinter die Münchener Hofkapelle) Mit Valer Sabadus verfügt man bei der Aufführung in Herne über einen Countertenor, der dieser Partie in jeder Hinsicht gewachsen ist. Während seine Mittellage über eine Wärme verfügt, die die Leidensfähigkeit des jungen Sängers regelrecht spürbar macht, strahlt seine Stimme in den Höhen und wirkt dabei nahezu überirdisch. Schon wenn er zum Trauerchor in der ersten Szene der Oper verzweifelt "Euridice!" ausruft, vereinen sich leuchtende Spitzentöne mit der tiefen Trauer eines jungen Mannes, der gerade die über alles geliebte Frau verloren hat. Bei dieser Stimme nimmt man es Orpheus auch ab, dass er die Furien der Unterwelt zu besänftigen vermag, und sie ihm den Weg in die Elysischen Gefilde freigeben, wo Eurydice unter den Schatten wandelt. Großartig setzt Sabadus auch Orpheus' anschließenden Kampf um, in dem er verzweifelt versucht, Amors Gebot Folge zu leisten und sich auf dem Weg zurück auf die Erde nicht nach der Gattin umzudrehen. Doch Eurydices ständige Klagen lassen ihn dann doch das auferlegte Gebot brechen, und so ist Eurydice für ihn zunächst für immer verloren. An dieser Stelle folgt nun die berühmteste Arie der Oper "Che farò senza Euridice", die von Sabadus mit großer Intensität interpretiert wird. Da verwundert es beinahe nicht, dass Amor erneut einlenkt und das für die damaligen Opernkonventionen erforderliche Lieto fine ermöglicht, zumal es außerdem für die Feierlichkeiten einer Hochzeit geschmacklos gewesen wäre, diese Geschichte, mit der der großen Liebe des Hochzeitspaares gehuldigt werden soll, mit dem Tod der Braut enden zu lassen. Sophie Marin-Degor begeistert als Eurydice mit strahlendem Sopran und kräftigen Höhen. Wenn sie in der fünften Szene in der Unterwelt wieder auf ihren Gatten trifft, wandelt sich ihre Freude über das unerwartete Wiedersehen schnell in ein bohrendes Misstrauen, warum der Geliebte sie auf dem Weg zurück ins Leben nicht ansehen will. Stimmlich drückt Marin-Degor hervorragend aus, wie Eurydices Klagen immer vorwurfsvoller werden, bis sie sich schließlich so ereifert, dass sie sich geschwächt auf einen Felsen stützen muss. Nun hält es Orpheus nicht mehr aus und blickt zurück. Mit leise verklingender Stimme lässt Marin-Degor Eurydice erneut in die Unterwelt entschwinden. Johanna Neß stattet den Liebesgott Amor mit jugendlichem Sopran und einer Leichtigkeit aus, die vor allem in ihrer Arie "Gli sguardi trattieni" zum Ausdruck kommt, wenn sie Orpheus verbietet, sich auf dem Weg zurück auf die Erde nach Eurydice umzudrehen. Das Vokalensemble ChorWerk Ruhr wird mit homogenem Klang den unterschiedlichen Chören mehr als gerecht. Während das Ensemble in der ersten Szene die Trauer um Eurydices Ableben spürbar macht, überzeugen die Sängerinnen und Sänger als Furien der Unterwelt mit einem absolut bedrohlichen Klang. Grandios unterstützt werden sie dabei von der Münchner Hofkapelle unter der Leitung von Rüdiger Lotter, der die unterschiedlichen Stimmungen der Musik mit größter Präzision herausarbeitet. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten. FAZIT Den Tagen Alter Musik in Herne gelingt mit dieser Fassung des Orpheus-Stoffes in einer großartigen musikalischen Besetzung ein würdiger Festival-Abschluss, zumal damit gleichzeitig auch noch der diesjährige Jubilar Christoph Willibald Gluck geehrt wird.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Choreinstudierung
Münchener Hofkapelle
Solisten
Orfeo Euridice
Amore
Weitere |
- Fine -