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Wexford Festival Opera
22.10.2014 - 02.11.2014


Salomé

Tragédie lyrique in sieben Szenen
Text nach dem Schauspiel von Oscar Wilde
Musik von Antoine Mariotte

In französischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Premiere im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House am 22. Oktober 2014
(rezensierte Aufführung: 25.10.2014)



 

 

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Die Bedeutung der Zahl Sieben

Von Thomas Molke / Fotos von Clive Barda


Bei der Vertonung von Oscar Wildes Salome denkt man zwangsläufig an Richard Strauss' Oper, die auch heute noch zum Standard-Repertoire gehört. Nur sehr wenige wissen, dass sich auch der französische Komponist Antoine Mariotte fast zur gleichen Zeit mit diesem Stoff beschäftigt hat. Wenn es allerdings nach Strauss und seinem Verleger Adolph Fürstner gegangen wäre, hätte es diese zweite Vertonung, die knapp drei Jahre nach Strauss' Fassung ihre Uraufführung erlebte, gar nicht gegeben. Zunächst versuchten Strauss und Fürstner nämlich diese Oper ganz zu unterbinden, da sie die alleinigen Aufführungsrechte beanspruchten. Nach einem langen Rechtsstreit ließen sie sich schließlich darauf ein, dass Mariottes Fassung ein einziges Mal gespielt werden dürfe und die Partitur anschließend öffentlich verbrannt werden müsse. An dieser Stelle konnte zum Glück der französische Musikwissenschaftler Romain Rolland vermitteln, der Strauss davon überzeugte, dass es zur Wahrung seiner Ansprüche durchaus reiche, wenn er mit 50 % an den Einnahmen aus Mariottes Oper beteiligt werde. Dabei hätte Strauss eine eventuelle Konkurrenz gar nicht fürchten müssen. Als nämlich beide Fassungen 1910 fast zeitgleich in Paris zur Aufführung kamen, erhielt seine Version von Presse und Publikum eindeutig den Vorzug. So verschwand Mariottes Vertonung sehr schnell von der Bühne, und bis zur diesjährigen Produktion beim Wexford Festival Opera sind nur drei weitere Produktionen, 1919 in Paris und 2005 in München und in Montpellier, belegt.

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Salomé (Na'ama Goldman) begehrt Iokanaan (Igor Golovatenko).

Wie Strauss folgt Mariotte inhaltlich mit geringfügigen Abweichungen der Vorlage von Oscar Wilde, wobei er natürlich die französische Originalfassung verwendet, während Strauss mit einer deutschen Übersetzung von Hedwig Lachmann arbeitete. Mariottes Oper ist in sieben Szenen unterteilt, und dieser Zahl Sieben scheint das Regie-Team um Rosetta Cucchi eine besondere Bedeutung einzuräumen. So besteht das Bühnenbild von Tiziano Santi aus insgesamt sieben großen Bögen, die durch die geschickte Lichtregie von D M Wood mit ihrem goldenen Glanz zunächst den Reichtum des Königs Hérode unterstreichen, später aber, wenn Hérode von Salomé gezwungen wird, ihr den Kopf des Iokanaan auf einem Tablett zu überreichen, in farblosem Grau eine marode Gesellschaft offenbaren, was noch dadurch bekräftigt wird, dass jeder einzelne Bogen bei Salomés unsäglicher Forderung nacheinander einreißt und der Palast somit einzustürzen droht. Auch beim Tanz der sieben Schleier wird Salomé von insgesamt sieben verschleierten Königen umgeben, von denen jeweils ein König mit jedem Schleier fällt. Lassen sich diese sieben Gestalten vielleicht noch mit den sieben Todsünden assoziieren, wird bei Hérodes Hofstaat allerdings nicht klar, wieso hier ebenfalls alle verschleiert sind und eine Krone tragen.

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Salomé (Na'ama Goldman, Mitte) mit ihrer Mutter Hérodias (Nora Sourouzian, rechts) (Wen der König auf der linken Seite darstellen soll, bleibt unklar.)

Die Zisterne, in der Iokanaan gefangen gehalten wird, befindet sich unter einer mit geschwungenen Formen schon beinahe erotisch anmutenden Öffnung in der Mitte der Bühne. Wenn er allerdings aus den Tiefen seines Gefängnisses das Verhalten des Königs und seiner Gattin verurteilt, sieht man ihn hinter den sieben Bögen an der Rückwand, an die gewissermaßen das Geschehen aus der Zisterne projiziert wird. Auch wenn Naaman hinabsteigt, um ihn zu köpfen, nimmt ein schwarzer Schatten auf diesem Bühnenhintergrund allmählich die Gestalt des sein Amt ausübenden Henkers an. Am Ende erhält Salomé allerdings nicht den Kopf des Täufers, sondern eine weitere Krone, die sie in ihrer Ekstase mit den Kronen der Könige, die bei ihrem Schleiertanz gefallen sind, hortet. Auch den fahlen Mond, auf den im Libretto an mehreren Stellen verwiesen wird, baut Cucchi als Metapher für Salomés Charakter als Projektion ein. Wieso allerdings der Page der Hérodias die ganze Zeit am vorderen Rand der Bühne sitzt, bleibt unklar. Cucchi nennt ihn in ihren Anmerkungen zur Inszenierung einen kommentierenden antiken Chor, was nicht ganz schlüssig scheint, da der Page nach dem Tod von Narraboth eigentlich nur noch auf sich selbst konzentriert am Bühnenrand sitzt und das Geschehen auf der Bühne gar nicht mehr wahrnimmt. Erst wenn Hérode am Ende den Befehl gibt, Salomé zu töten, erhebt sich der Page, und einen Moment lang erwartet man, dass er nun Salomé töten werde. Doch der Sklave hält kurz inne und geht dann einfach an Salomé vorbei. Ebenfalls unverständlich bleibt die Personenregie bei den beiden Soldaten, die den gefangenen Iokanaan bewachen und sich dabei immer wie wilde Tiere beäugen, die auch schon einmal aufeinander los gehen, wenn Narraboth ihnen nicht Einhalt gebietet.

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Salomé (Na'ama Goldman) spielt mit Hérodes Gefühlen.

Mariottes Musik lässt sich mit Strauss' Fassung nicht vergleichen, da sie wesentlich "glatter" gehalten ist. Der Tanz der sieben Schleier klingt zwar auch bei Mariotte äußerst verführerisch, enthält aber nicht die knisternde Erotik, die Strauss in seiner Oper umgesetzt hat. Die Titelpartie hat Mariotte nicht mit einer Sopranistin sondern mit einem Mezzo besetzt, um Salomé auch stimmlich dem von ihr verehrten Iokanaan, einem Bariton wie bei Strauss, näher zu bringen. Mit Na'ama Goldman hat man in Wexford eine optisch prädestinierte Besetzung für die Titelpartie gefunden. Mit erotischen Bewegungen macht sie aus dem Tanz der sieben Schleier einen Höhepunkt des Abends. Durch ein hautfarbenes Kostüm kann sie auch problemlos die sieben Schleier fallen lassen, ohne im Anschluss tatsächlich nackt auf der Bühne stehen zu müssen. Wenn sie nach dem Tanz in einem langen weißen Gewand den Kopf des Iokanaan fordert, wirkt sie optisch beinahe wie eine Heilige, was in absolutem Kontrast zu ihrem Ansinnen steht. Auch ihre Besessenheit mit dem Täufer wird von Goldman in eindringlichem Spiel umgesetzt. Stimmlich begeistert sie mit einem warmen Mezzo, der zu dramatischen Ausbrüchen in den Höhen fähig ist.

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Salomé (Na'ama Goldman) bei ihrem verführerischen Schleiertanz

Dass die Partie der Hérodias in Mariottes Fassung eher klein ausfällt, bedauert man an diesem Abend, da man von der großartigen Nora Sourouzian gern mehr gehört hätte. Mit kräftigem Mezzo begeistert sie in der Mittellage, wenn sie ihren Gatten Hérode verspottet, und macht mit voluminösen dramatischen Ausbrüchen ihre Eifersucht auf ihre Tochter einerseits und die Furcht vor Iokanaan andererseits deutlich. Auch darstellerisch wird Sourouzian durch eine eindringliche Interpretation dem dunklen Charakter dieser Königin mehr als gerecht. Scott Wilde glänzt als Hérode mit profundem Bass, der darstellerisch wunderbar zwischen willkürlichem Herrscher und von der Stieftochter besessenem Mann changiert. Großartig umgesetzt werden von ihm auch die Panikattacken, die ihn jedes Mal überkommen, wenn er die Stimme des Täufers aus dem Verlies vernimmt. Igor Golovatenko verleiht dem Iokanaan mit stimmgewaltigem Bariton eine glaubhafte Autorität. Bei seinem Spiel lässt sich gut nachvollziehen, welche Faszination er auf die Königstochter ausübt. Eamonn Mulhall stattet den syrischen Soldaten Narraboth mit weichem Tenor aus, der seine verschmähte Liebe zur Königstochter gut zum Ausdruck bringt. Emma Watkinson beweist als Page enorme Bühnenpräsenz, auch wenn man die Funktion dieser Figur in dieser Inszenierung nicht wirklich nachvollziehen kann, und gefällt mit warmem Sopran. David Angus kitzelt mit dem Wexford Festival Orchester die impressionistisch anmutenden Feinheiten der Partitur sauber heraus, so dass es Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Mit Mariottes Salomé ist dem Wexford Festival Opera eine interessante Ausgrabung gelungen, auch wenn sie musikalisch mit Strauss' Fassung nicht mithalten kann und somit wahrscheinlich nicht Eingang ins Repertoire finden wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Angus

Regie
Rosetta Cucchi

Bühne
Tiziano Santi

Kostüme
Claudia Pernigotti

Licht
D M Wood

Choreographie
Vittorio Colella

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des
Wexford Festival Opera

Chor des
Wexford Festival Opera


Solisten

Salomé
Na'ama Goldman

Hérode
Scott Wilde

Hérodias
Nora Sourouzian

Iokanaan
Igor Golovatenko

Le Jeune Syrien
Eamonn Mulhall

Le Page d' Hérodias
Emma Watkinson

Premier soldat
Nicholas Morris

Deuxième soldat
Jorge Navarro-Colorado

Naaman
Ian Gerard Whyte

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