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Französische Leichtigkeit statt schwerlastigem LiebestodVon Ursula Decker-Bönniger, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Da kommt er in die moderne Datenwelt, der Holländer
Im vierten Jahr ist Der fliegende Holländer in der Inszenierung von Jan Phillip Gloger in Bayreuth zu sehen - in einer Aufführung von knapp zweieinhalb Stunden und, Wagners eigentlichem Wunsch entsprechend, ohne Pause. Da ist schon ein gehöriger Spannungsbogen notwendig, um die Aufmerksamkeit des Publikums nicht abreißen zu lassen.
Gloger greift den auch für das 21. Jahrhundert gültigen Zeitgeist des kapitalistischen, Gewinn maximierenden Wirtschaftens auf. Christof Hetzers Bühnenbild zum ersten Akt zeigt dazu ein plakativ die Bühne dominierendes, gerüstartiges Netzwerk aus ununterbrochen weiterlaufenden Zahlen. Unten am Boden ein winziges Schiff, in dem Daland und sein Steuermann Platz finden. Der Matrosenchor bleibt in diesem Akt unsichtbar. Im zweiten Akt folgen bewegte Bilder von eintönigen, sich wiederholenden Tätigkeiten - die Spinnstubenszene hat sich in eine Packabteilung einer Ventilatoren produzierenden Firma verwandelt, was einen humorvollen Seitenblick auf die mehr als sommerlichen Temperaturverhältnisse im Festspielhaus wirft.
Auf diesem Hintergrund entwickelt sich eine in der Regie spannungslose Auseinandersetzung um Kapitalvermehrung und menschliche Werte, in der mehr Wert auf geheimnisvolle oder aufblitzende Licht- und Drehbühneneffekte gelegt wird denn auf Gestaltung der Protagonistencharaktere. Senta, klang- und kraftvoll interpretiert von Ricarda Merbeth, verkörpert ganz im Sinne des Komponisten keine verträumt sentimentale Tochter, die gehorsam, naiv den Wünschen des Vaters Folge leistet. Geflügelt, wie eine heroische Jeanne d'Arc, winkt sie während der Sentaballade geradezu bedrohlich mit einer geheimnisvollen Skulptur, in der nicht das Abbild der Holländerfigur zu erkennen ist. Er, der sagenumwobene Fremde, scheint den wilden Exzessen seiner früheren Lebensphasen überdrüssig. Mit einer ordentlichen und im dritten Akt einer zusätzlich rasierten Frisurhälfte betritt er die Bühne auf der Suche nach Erlösung und ausgestattet mit einem Koffer voller Geld - zur Freude Dalands und des Steuermanns. Samuel Youn interpretiert diese Rolle klar, mit verführerisch klangvollen Farben und bassbaritonalen Tiefen ohne Schwärze. Kwangchul Youn stellt einen stimmgewaltigen Daland dar. Klar und lang den Schlusston der melodischen Phrase aushaltend singt Benjamin Bruns das Lied des Steuermanns an seine in der Ferne weilende Freundin.
Produktionsstätte: Mary und Frauenchor im 2. Aufzug
Tomislav Muzek überzeugt als Erik mit differenzierter Gestaltung, klangschönen, gebundenen melodischen Phrasen und kraftvoller Höhe. Seine Versuche, die Verlobte in letzter Sekunde von der Einlösung ihres Treueschwurs abzuhalten, scheitern auch bei Philip Gloger. Senta und der Holländer haben sich - der Menge entrückt, jeweils auf einen eigenen Kistenberg zurückgezogen. Es gibt keinen Liebestod und doch leben sie nach geschlossenem und wieder geöffneten Vorhang als zur Skulptur erstarrtes Liebespaar weiter.
Nachhaltigen Eindruck hinterlassen der absolut homogene und subtil gestaltende Chor und das Orchester unter der Leitung Axel Kobers. Ihm gelingt es, ohne extreme Lautstärken, die faszinierende, besondere Akustik des Festspielhauses hörbar zu machen. Verführerisch und mit großem Spannungsbogen scheint die gewaltige Meeressinfonie in der Ouvertüre sich wie von fern, aus der Tiefe des "mystischen Abgrunds" zu entfalten, das Spinnlied im zweiten Akt schwebt geradezu in müheloser Leichtigkeit und das Matrosenlied im dritten Akt atmet - statt stampfender, erdverbundener Rhythmik - Tanz und französische Grazie.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Choreinstudierung
Dramaturgie Solisten
Holländer
Daland
Senta
Erik
Mary
Steuermann
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- Fine -