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Liebesgeschichten dieser Art sind noch meistens schlecht ausgegangenVon Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Musikdirektor der Bayreuther Festspiele darf sich Christian Thielemann seit ein paar Monaten nennen. Der Titel prangt sogar an seinem persönlichen Parkplatz am Festspielhaus. Damit ist die Rangfolge unter den Dirigenten in Bayreuth ja wohl geklärt, nachdem in den Vorjahren doch eher Kirill Petrenko mit seinem umjubelten Ring-Dirigat im Vordergrund stand (jener Petrenko, den dann auch noch die Berliner Philharmoniker an Stelle Thielemanns zum Chefdirigenten wählten). Wobei Bayreuth und sein Publikum sich glücklich schätzen dürfen, in diesem Jahr noch einmal zwei solcher Ausnahmedirigenten nebeneinander zu erleben (Petrenko wird sich danach erst einmal vom grünen Hügel zurück ziehen).
Wie soll man bei so vielen schlecht beleuchteten Treppen zueinander kommen? Tristan (oben), Isolde (rechts) und Brangäne im ersten Aufzug
Thielemanns Klangbild, das er mit dem ganz ausgezeichneten Festspielorchester zeichnet, ist weniger analytisch als bei Petrenko, setzt stärker auf einen weichen Mischklang, zu dem die einzelnen Instrumente verschmelzen, ist weniger pointiert im Detail als mehr auf den ganz großen Bogen ausgerichtet – eine (in der Binnendifferenzierung ungeheuer nuancierte) Klangwelle, die das Stück trägt. In gewisser Hinsicht hört man ein fortdauerndes „romantisches Sehnen“, ein Fließen auf einen fernen Punkt hin - ganz große Festspielkunst. Auch sängerisch ist das, mit kleinen Abstrichen, ein großer Abend. Imponierend vor allem Stephen Gould als heroisch dunkler, kraftvoller, in der Höhe strahlender Tristan mit ungeheurer Kondition. Wenn man am Ende kleine Anzeichen der Ermattung mehr ahnt als hört, dann wohl deshalb, weil Gould in der Riesenpartie allzu verschwenderisch mit Forte und Fortissimo umgeht, da ließe sich auch anders haushalten. Evelyn Herlitzius, aus nicht näher genannten Gründen kurzfristig für Anja Kampe als Isolde in die Produktion eingestiegen, ist eine Heroine mit gewaltigem dramatischem Furor und außerordentlicher Intensität. Bei aller dramatischer Kraft mischt sich die Stimme mit dem nicht unkontrollierten, aber doch prägenden Vibrato im Duett des zweiten Aufzugs nicht allzu gut mit der ihres Partners, und auch der dritte Aufzug mit dem vergleichsweise lyrisch komponierten Liebestod liegt ihr nicht besonders. Da fällt dann doch auf, wie oft sie den Ton (viel) tiefer ansetzt und sich dann aufschwingt. Das nimmt nur einen winzigen Moment in Anspruch, meist leuchtet der Ton dann auch schön auf, aber hat man erst einmal angefangen darauf zu achten, stört das doch. Trotzdem: Das ist schon ein stimmlich begnadetes Liebespaar.
So ähnlich wiederholt sich das bei ihren Sekundanten: Iain Paterson ist ein robuster, großformatiger Kurwenal, in dem der Wotan (den er im nächsten Jahr im Rheingold singen wird) anklingt, stimmlich sehr präsent, ein wenig pauschal vielleicht im Ausdruck. Christa Mayer singt die Brangäne ohne Rücksicht auf Verluste – schön klingt das nicht immer, die Stimme hat Volumen und dramatische Kraft, ist aber im Forte ziemlich ungenau fokussiert (was den Großteil des jubelnden Publikums offenbar nicht weiter stört). Ganz anders ist das bei Georg Zeppenfelds unprätentiös schlankem (aber nicht kleinem), sehr genau und differenziert singendem Marke. Der solide Melot von Raimund Nolte bleibt nicht groß in Erinnerung; Tansel Akzeybeks leichter und heller, entwicklungsfähiger Tenor - er singt den jungen Seemann und den Hirten – wirkt im Forte noch suchend, gestaltet im Piano schöne und tragfähige Legato-Bögen.
Der sterbende Tristan hat Visionen. Kurwenal (rechts) und Kumpane beratschlagen derweil im Sitzkreis
Jetzt müsste es zu dieser musikalisch hochkarätigen Angelegenheit noch die passende Szene geben, die zumindest nicht weiter stört. Die Ambitionen von Hausherrin Katharina Wagner gehen aber offensichtlich weiter, da soll schon etwas ganz Neues kommen. Das ist ja an sich ehrenvoll und formuliert den Anspruch, in jeder Hinsicht (also auch inszenierungsgeschichtlich) Wagner-Maßstäbe zu setzen. Nur müsste die zündende Idee her. Bleiern lastet dieser Anspruch über der Regie. Im ersten Aufzug zeigt sich das darin, dass Tristan und Isolde von Beginn an unverhohlen zueinander drängen (und das in einem labyrinthischen System aus Treppen ohne Ziel), und den ersten leidenschaftlichen Kuss gibt’s lange vor dem vermaledeiten Trank – der wirkungsvoll gemeinsam ausgekippt statt getrunken wird. Radikal neu ist das nicht unbedingt, verschiebt aber die Akzente. Der ziemlich lange Disput zwischen den beiden wirkt jetzt wie ein vorweg genommener Ehestreit: Ja, wie lieben uns, aber da gibt es ein paar Dinge, die müssen unbedingt noch geklärt werden. Das macht die Angelegenheit eine Nummer kleiner und spießbürgerlicher als von Wagner gedacht. Das verstärkt sich im zweiten Aufzug noch um einiges. Das nächtliche Rendezvous findet nicht heimlich im Garten, sondern in einer Art Verlies statt, unter strenger Beobachtung (oben stehen die Wachposten mit Suchscheinwerfern), und der reichlich halbherzige Versuch des gemeinsamen Selbstmords liefert Marke den Vorwand, Tristan von Melot geradezu hinrichten zu lassen. Den dritten Aufzug darf man wohl als eine Art Zeitraffer auffassen, Visionen eines Sterbenden (eigentlich überflüssig in dieser Sichtweise und mit diversen Isolde-Erscheinungen in pyramidenartigen Zelten mittelprächtig bebildert), der zuletzt aufgebahrt wird für ein halbwegs anständiges Begräbnis, denn den Schein des Anstands wird Despot Marke wohl wahren wollen. Isolde darf ihren Liebestod wie ein Konzertstück singen, wird dann aber unbarmherzig am Arm ihres Gatten abgeführt. Weiterleben als Höchststrafe.
Das hat ein paar beklemmende Momente, die unter die Haut gehen – aber der Preis dafür ist hoch, denn in ungleich längeren Momenten geht das vor allem auf die Nerven, weil weder Text noch Musik passen. Katharina Wagner erzählt nicht die Geschichte von Tristan und Isolde neu, eher erzählt sie eine neue Geschichte von Tristan und Isolde. Das Verfahren hatte sie bei ihrer Antrittsinszenierung in den Meistersingern von Nürnberg durchexerziert, was als Überraschungscoup zunächst ziemlich gut geklappt hatte (und danach, als der erste Schock vorüber war, zu Unrecht immer mehr in Ungnade gefallen war). Damals waren die Voraussetzungen allerdings gänzlich andere: Bei den Meistersingern inszenierte sie gegen die unselige Familien- wie Rezeptionsgeschichte an und fand darin die Rechtfertigung, das Stück (das bis dahin in Bayreuth seine vergangenheitsvergessene Butzenscheiben-Gemütlichkeit zäh verteidigt hatte) kräftig gegen den Strich zu bürsten. Tristan und Isolde aber ist in Bayreuth in den Vorgänger-Inszenierungen von Heiner Müller und Christoph Marthaler bereits entrümpelt worden, und überhaupt widersetzt sich dieses geradezu anarchistische Paar den gesellschaftlichen Konventionen im Stück wie im übertragenen Sinn (und auch den Regisseuren) stärker als jede andere Wagner-Oper - fast unmöglich, da einen gesellschaftskritischen Ansatzpunkt zu finden, der über das gesamte Stück trägt. Hier stülpt ihnen die Regie wenig überzeugend eine arg konventionelle Story über: Eine arrangierte Hochzeit mit unglücklicher Braut, deren Liebhaber kurzerhand beseitigt wird. Da wird das Musikdrama auf seinen vordergründigsten Nenner gebracht.
Die Unmöglichkeit einer Liebe allzu sehr geerdet: Aus Tristan und Isolde ist bei Katharina Wagner ein banaler Opernkrimi im musikalischen Luxusgewand geworden.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Choreinstudierung Solisten
Tristan
Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Hirt
Ein Steuermann
Ein junger Seemann
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- Fine -