Fast ganz in Schwarz
Von Christoph
Wurzel
Im sommerlichen
Festspielbetrieb etwas abseits der Zentren musikalischer Festivals
haben sich die Opernfestspiele Heidenheim mittlerweile einen guten
Namen gemacht. In diesem Jahr gab es die 51. Ausgabe, die wieder ein
reiches Angebot an Konzerten, Kindertheater und als Höhepunkt
Verdis Macbeth bereit hielt.
In Heidenheim steht mit der Ruine einer Stauferburg, dem „Rittersaal“,
ein reizvoller Spielort für Opernaufführungen Open Air zu
Verfügung. In diesem heißen Sommer konnten auch im etwas
raueren Klima der württembergischen Ostalb fast alle
Aufführungen dort präsentiert werden. Ausgerechnet aber die
hier rezensierte vorletzte Aufführung musste wegen zu kalter
Abendtemperaturen im Saale stattfinden. In Heidenheim, wegen dreier
großer Weltfirmen kulturpolitisch auf der finanziellen
Sonnenseite, hat man aber für derlei Gelegenheiten ein
Kulturzentrum in ansprechend modernem Design zur Verfügung, das
sogar mehr Zuschauern Platz bietet als der Rittersaal.
Das
Kulturzentrum und Festspielhaus in Heidenheim (Foto: © Stadt
Heidenheim)
Sicherlich hat diese
Inszenierung im Ambiente der Ritterburg mehr Wirkung entfaltet als im
Saale. Auch wenn das Bühnenbild dasselbe ist, so ist die Kulisse
einer Burgruine unter freiem Nachthimmel für diese Oper bestimmt
erheblich beeindruckender. Macbeth,
Verdis vielleicht düsterste Oper überhaupt, wurde in
Heidenheim vom Würzburger Intendanten Hermann Schneider in
tiefstes Schwarz gegossen. Die Ausnahme bildet nur das Bankett am Hofe
Macbeths als neuem König im 2. Akt. Allein aus diesem Grund ist
von psychologisch motiviertem Spiel der Sängerdarsteller nur sehr
wenig zu sehen, sofern es überhaupt in der Inszenierung angelegt
sein sollte; denn der Regisseur setzt zumeist auf plakative
Szenen-Arrangements. Leider werden da auch Klischees nicht ausgelassen:
Macbeth in Rockerkluft, die Lady in schwarzem Leder, die Hexen wild
gestikulierend und -unvermeidlich- für die Soldaten Komissstiefel
samt Kalaschnikow. Alles wirkt ein bisschen wie aus den Kindertagen des
Regietheaters. Man hat von derlei Bildern mittlerweile genug gesehen.
Die konzeptionellen Ideen dagegen tragen nicht weit. Der teuflische
Ehrgeiz der Lady Macbeth wird als Kompensation von Kinderlosigkeit
behauptet. Gleich zu Anfang vergräbt eine Figur eine Kinderleiche
im schwarzen Sand des Bühnenbodens. Und Bancos Sohn, der ja
geflohen ist, um später einmal König zu werden, wird bei der
Königsproklamation von Macbeths Bezwinger Malcolm brutal ermordet.
Der Chor als geknechtetes schottisches Volk wird bei seiner
ergreifenden Klage patria
opressa in gelbe und blaue Müllsäcke gesteckt, Zeichen
dafür dass das Herrschaftssystem Macbeths Menschen als Müll
behandelt. Außer solchen überdeutlichen Fingerzeigen kommt
aber die Tiefenschicht der Personencharaktere in dieser Inszenierung
kaum zum Vorschein.
Schwarz bis zur Unkenntlichkeit:
Macbeth-Bühne von Stefan Brandtmayr mit dem Tschechischen
Philharmonischen Chor Brünn. (Foto: Dr. Thomas Bünnigmann)
Musikalisch dagegen punktet die
Produktion vor allem mit dem Orchester, den hervorragend differenziert
spielenden Stuttgarter Philharmonikern. Der gebürtige Heidenheimer
Marcus Bosch, GMD an der Oper Nürnberg, kann als
Künstlerischer Leiter der Opernfestspiele Heidenheim und Dirigent
dieser Produktion den Erfolg vornehmlich auf der musikalischen Seite
verbuchen. Er dirigierte an diesem Abend mit großem Gespür
für die Feinheiten der Partitur. So entstand ein filigranes
Klangbild. Zugleich entwickelte er aus der Musik deren dramatische
Kraft. Eindrucksvoll eingefangen wurde die besondere Tinta dieser
frühen Oper von Verdi, mit der er bereits weit in musikdramatische
Regionen vorgestoßen ist.
Der
Künstlerische Leiter der Opernfestspiele Heidenheim Marcus Bosch (
Foto: Ulf Krentz)
So kommen in Macbeth die Charaktere der Personen
nicht allein szenisch, sondern auch durch die Musik, durch die vokale
Gestaltung der Partien prägnant zum Ausdruck. Mit dem Amerikaner
Stephen Gartner, der an diesem Abend die Titelrolle verkörperte,
war dies in exzellenter Weise erfüllt. Nicht allein seine
kraftvolle, im Klang runde und schöne Stimme beeindruckte, sondern
auch seine intensive stimmliche Gestaltungskraft, die Macbeth als den
bösartigen und zugleich von seinem Gewissen gepeinigten Täter
vollkommen glaubhaft machte. Als Lady stand ihm Morenike Fadayomi zur
Seite, die sich mit der Leichtigkeit des "Brindisi" beim Bankett wesentlich
überzeugender präsentierte, als in den Solopassagen voll
abgründiger Tiefe und Dämonie. Ihre Stimme scheint dafür
über zu wenig Fülle und Schwere zu verfügen. Als Banco
brachte Young Kwon eine gehörige Portion vokale Schwärze mit,
blieb dabei aber etwas monochrom und auch im Spiel wenig ausdrucksvoll.
Demos Flemotomos als Macduff stellte seinen glanzvollen Tenor in der
großen Arie "Ah, la paterna mano" eindrucksvoll aus.
Szenisch wurde diese Nummer allerdings zu einem völligen
Fremdkörper, war doch der Sänger an dieser Stelle
überhaupt nicht in die Handlung eingebunden, sondern trat auf wie
im Konzert.
Als Festivalchor bot der Tschechische Philharmonische Chor aus
Brünn beachtliche Stimmgewalt auf, war aber von der Regie entweder
zu hektisch (Hexen) oder zu statisch geführt. Vokal meisterten die
ja nicht an Bühnenauftritte gewöhnten Choristinnen und
Choristen ihren Part sehr gut, hört man über wenige
inhomogene Stellen hinweg.
FAZIT
Im Vergleich zum vergangenen
Jahr, als die Opernzwillinge Pagliacci
und Cavalleria rusticana in
einer ambitionierten Regie an diesem Ort voll überzeugen konnten,
leidet Macbeth doch zu
stark an inszenatorischer Schwäche. Diesem sympathischen
Opernfestival sind mehr intelligente Inszenierungen zu wünschen.
Die gute Musik dazu hat es ja schon.
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