Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
Barockes Juwel in hervorragendem KlangVon Charles Jernigan (Deutsche Bearbeitung von Thomas Molke) / Fotos von Rupert Larl Obwohl Nicola Porpora im 18. Jahrhundert genauso bekannt wie Georg Friedrich Händel war und seine Opern in ganz Europa zur Aufführung gelangten, hat Händels "großer Rivale", der in London für die Opera of the Nobility komponierte und die Spitzenstars Caffarelli und Farinelli, ehemalige Schüler seiner berühmten Gesangsschule in Neapel, verpflichten konnte, haben seine Werke im Gegensatz zu Händel und Vivaldi bis jetzt keine große Renaissance auf den europäischen Bühnen erlebt. Dabei ist der Einfluss, den Porpora musikalisch auf die Nachwelt ausübte, keineswegs zu unterschätzen. So sorgte er beispielsweise für eine Verbreitung des neapolitanischen Stils in der Oper, der den an die jeweilige Arie oder Sänger angepassten Melodiebogen über die reine Deklamation stellte. Mit Il Germanico brachte Porpora diesen neapolitanischen Stil auch nach Rom. Die Oper erlebte dort am 1. November 1732 ihre Uraufführung. Da es zu dieser Zeit Frauen in Rom verboten war, auf der Bühne aufzutreten, wurden auch die Partien der Rosmonda und Ersinda von jungen Kastraten gesungen. Die Rolle des Helden Arminio übernahm damals kein geringerer als Cafarelli. Nach der Uraufführung verschwand das Werk allerdings relativ schnell von den Spielplänen und ist nun bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik erstmals wieder zu erleben. Noch ist Arminio (David Hansen) siegessicher. Die Geschichte basiert auf den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Germanen, die von dem legendären Arminius (Arminio) angeführt wurden, und den Römern unter der Leitung des Germanicus (Germanico), der 14 n. Chr. mit seinem Heer gegen die Germanen die Oberhand behielt und somit Vergeltung für die in der Varus-Schlacht erlittene Niederlage der Römer nahm. In der Oper will Arminio mit der Unterstützung seiner treuen Gattin Thusnelda (in der Oper Rosmonda) die Römer bis aufs Blut bekämpfen, während ihr Vater Segeste, der König, mit den Römern Frieden schließen will, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Unterstützt wird er dabei von seiner anderen Tochter Ersinda, die heimlich in Germanicos Feldherrn Cecina verliebt ist. Als Germanico Arminio im Kampf besiegt, ist Arminio trotz der Bitten seines Schwiegervaters nicht bereit, sich zu ergeben und die römische Herrschaft zu akzeptieren, und soll zum Tode verurteilt werden. Als auch seine Frau ihn anfleht, zur Rettung des gemeinsamen Sohnes Germanicos Forderungen zu akzeptieren, lenkt Arminio schließlich ein und unterwirft sich den Römern. So endet die Oper mit einem fröhlichen Chor über den wiedergewonnenen Frieden. Verzweiflung im Kerker: Rosmonda (Klara Ek) und Arminio (David Hansen) (hinten rechts: Segeste (Carlo Vincenzo Allemano) Dass man bei der Länge des Abends mit fünf Stunden und zwei Pausen den Eindruck gewinnen kann, in eine Wagner-Oper geraten zu sein, liegt vor allem an den insgesamt 23 Da-capo-Arien, von denen einzelne allein 12 Minuten und länger dauern und den Begriff "Da capo" sehr wörtlich nehmen. Besonders hervorzuheben ist Arminios Arie "Parto, ti lascio", in der er bewegend von seiner Gattin Rosmonda Abschied nimmt, wenn er als Gefangener abgeführt wird. Auch Segestes Gleichnis-Arien lassen aufhorchen. Rosmondas Arie "Priva del caro sposo" wurde sogar von Händel 1732 in dessen Pasticcio Catone übernommen. Neben den Arien bewegt auch ein Secco-Rezitativ am Ende, in dem Arminio noch einmal überdenkt, ob es wirklich sinnvoll ist, sich den Römern nicht zu ergeben. Hier wird das Orchester durch das Zupfen der Streicher in eine gewaltige Laute verwandelt. Während der erste Akt musikalisch einige Längen aufweist, enthalten der zweite und dritte Akt zahlreiche musikalisch bemerkenswerte Stücke. Ersinda (Emilie Renard) liebt den römischen Feldherrn Cecina (Hagen Matzeit). Während die Kostüme von Alfred Peter mit aufwändigen Kleidern im Stil des 18. Jahrhunderts und Perücken, wie man sie von zahlreichen Bildern von Händel-Opern kennt, dem Barock-Charakter der Musik entsprechen, ist das Spiel der Sänger den modernen Bewegungen angepasst. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Peter verantwortlich zeichnet, ermöglicht durch den Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenwechsel. Auf der einen Seite sieht man einen römischen Triumphbogen, der durch Drehung den Blick auf einen Garten, das Innere eines Raums oder die nackten Wände eines Gefängnisses freigibt. Alexander Schulin arbeitet mit den Sängern eine differenzierte Personenregie heraus, so dass die teilweise recht langen Arien nicht zu bloßem Rampensingen verkommen, sondern stets Aktion auf der Bühne ist. Dabei wird das Augenmerk aber nicht vom Gesang genommen, was ja der eigentliche Kern der Barock-Oper ist. In den ersten beiden Akten stellt eine lebensgroße kostümierte Puppe den kleinen Sohn von Rosmonda und Arminio dar. Diese Puppe wird von Rosmonda herumgetragen, umarmt und in den Schlaf gesungen, bis Arminio ihr das Kind schließlich wegnimmt. Im dritten Akt wird die Puppe durch ein wirkliches Kind ersetzt, was vielleicht dazu beitragen soll zu erklären, wieso Arminio sich am Ende auch zugunsten seines Kindes auf die Forderungen Germanicos einlässt. Die Liebesszene zwischen Ersinda und Cecina wird von Schulin auch wesentlich intensiver umgesetzt, als dies im päpstlichen Rom bei der Uraufführung möglich gewesen wäre. Wenn Cecina Ersinda unter den Rock schaut und "Viva Porpora!" ruft, sorgt das beim Innsbrucker Publikum für einiges Gelächter. Rosmonda (Klara Ek) bittet Germanico (Patricia Bardon) um Gnade für Arminio. Einen großen Anteil an dem Erfolg des Abends hat natürlich auch die musikalische Umsetzung. Zu nennen ist hier an erster Stelle der australische Countertenor David Hansen als Arminio. Mit hervorragender Technik gelingt es ihm einen Ton vom leisen Piano zu einem bemerkenswerten Volumen anschwellen zu lassen. In den Höhen besitzt sein Counter eine enorme Strahlkraft, und man hat das Gefühl, dass er die Töne unendlich lang halten kann. Mit seiner bewegenden Arie "Parto, ti lascio" gelingt es ihm, das Publikum vor Rührung zum Weinen zu bringen, und in dem Duett mit Klara Ek als Rosmonda erreichen sein Countertenor und Eks Sopran eine Innigkeit, die unter die Haut geht. Die Titelpartie übernahm kurzfristig Patricia Bardon für ursprünglich angekündigte Sonia Prina. Bardon begeistert mit warmem Mezzo auf ganzer Linie. Emilie Renard gibt mit sehr beweglichem Mezzo Rosmondas Schwester Ersinda mit lebhaftem Spiel und gibt mit dem zweiten Countertenor des Abends, Hagen Matzeit als Cecina, stimmlich und darstellerisch ein wunderbares Paar ab. Carlo Vincenzo Allemano stattet den König Segeste mit kräftigem Tenor aus. Alle sechs Solisten zeichnet eine große Improvisationsfähigkeit bei den "Da-capo"-Wiederholungen aus. Glanzpunkt des Abends ist das wunderbare Barockorchester Academia Montis Regalis unter der Leitung von Alessandro De Marchi, der auf historischen Instrumenten einen perfekten Barock-Klang aus dem Graben zaubert. Am Ende gibt es stehende Ovationen und frenetischen Applaus, so dass das Finale des dritten Aktes als Zugabe noch einmal präsentiert wird. Weitere Rezensionen zu den
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2015 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAlessandro De Marchi Regie Bühnenbild und Kostüme Dramaturgie
Solisten
Germanico Arminio Rosmonda
Ersinda
Cecina Segeste
|
- Fine -