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Eine französische Erstaufführung
Von Roberto Becker / Fotos von Stofleth Franz Schreker (1878-1934) gehört zu den Komponisten (von Zemlinsky über Wellesz bis Korngold), die noch ihrer tatsächlichen Rehabilitierung bedürfen. Zumindest in den Spielplänen der Opernhäuser. Sie standen auch nach dem Krieg im Schatten von Richard Strauss. Eine unheilige Melange aus Nazi-Barbarei und Nachkriegsdogmatismus hat hier nachhaltig gewirkt. In Frankreich ist die jüngste Produktion der „Gezeichneten“ von Franz Schreker sogar eine Erstaufführung! Es ist ein Werk, das am Ende des ersten Weltkrieges uraufgeführt wurde und die Endzeitstimmung dieser Jahre reflektiert. So amüsieren sich die Männer in Genua. Das feingewebte Raffinement von Schrekers Klangsprache fasziniert mit seiner Originalität zwischen Spätromantik und Moderne. Alejo Pérez zelebriert am Pult des Orchestre de l'Opéra de Lyon als eine Art Parallel Richard Strauss. Mit spätromantischem Rausch und der schwülen Dauererregung des Fin de Siècle, die impressionisch durchweht ist. Akustisch passt das, was da zu hören ist, zum Festivalmotto Jardins mystérieux, den geheimnisvollen Gärten. Das von Schreker selbst verfasste Libretto erzählt eine Geschichte aus dem Genua des 16. Jahrhunderts. Der Außenseiter und Schöngeist Alviano (geschmeidig und suggestiv: Charles Workman) und die angekränkelte Künstlerin Carlotta (bei Magdalena Anna Hofmann eine Melange aus Künstlerin und Therapeutin) finden nicht zusammen. Und auch das von Alviano geschaffene utopische Elysium, jener künstliche Ort der Schönheit und der Liebe vor den Toren Genuas ist bei Regisseur David Bösch nicht nur dem Untergang geweiht, sondern eigentlich schon untergegangen. Nicht nur, weil die Zügellosigkeit der Triebe, die dort herrscht, dem Herzog Adorno (markant: Markus Marquardt) ein Dorn im Auge sind. Es ist die entgrenzende Doppelbödigkeit von Schnitzlers Traumnovelle als betörend auflodernder Opern-Traumthriller sozusagen. Auch für die Frauen ist das Elysium ein Ort heimlichen Begehrens. David Bösch und sein Team versetzen die Geschichte in einen Irrgarten der Lüste, dessen Suggestionskraft sich mehr über die düstere Atmosphäre als ein Renaissanceambiente entfaltet. Die weiblichen Opfer, die das Elysium fordert, werden durch Vermissten-Plakate verdeutlicht. Sie sind der Rahmen für eine Alptraumlandschaft der Seele. Am Ende wird auch der Schöpfer dieses Elysiums Alviano ein Opfer der am Ende wieder ungebrochenen herrschenden Scheinmoral. Carlotta und ihr Geliebter Tamare (viril: Simon Neal) enden in einem gemeinsamen Liebestod. Auf der Strecken bleiben daneben vor allem Frauen. Und ein kleiner Junge, von dem sein Mörder am Ende nur noch den Lutscher und den Luftballon bei sich hat, mit dem er ihn in die Kulisse entführte. Ein eindrucksvolles Filmzitat, das zu dem Blick in die Abgründe der menschlichen Leidenschaft unter der dünnen Decke der Zivilisation gehört, die dieser Abend unternimmt. FAZIT Die französische Erstaufführung von Schrekers Gezeichneten ist musikalisch und szenisch überzeugend gelungen und die zentrale Produktion des diesjährigen Opernfestivals in Lyon. Zu den weiteren Rezensionen zum Festival 2015
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Regieassistenz
Ausstattung
Licht
Chöre
Orchestre de l’Opéra de Lyon
Choers et Studio de l’Opéra de Lyon
Alviano
Carlotta
Tamare
Herzog Adorno
Podestà Nardi
Martuccia
Pietro
Guidobald
Menaldo
Michelotto
Gonsalvo
Julian
Paolo
Jeune fille
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