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In der Erinnerung gefangen
Von Roberto Becker / Fotos von Stofleth Eine Schreibmaschine klappert laut in die Musik. Die Rückwand mit dem mediterranen Blau füllt sich Zeile für Zeile mit Text. Von Samuel Beckett. Endspiel ist überall. Vor allem hier. Ein alter Mann sitzt vor seinem Haus, hämmert in die Tasten und hängt schreibend der Erinnerung an die Liebe seines Lebens nach. Sein Haus hinter ihm scheint zu versinken. Es steht schon ziemlich schief auf sandigem Grund. Ab und an hört man einen Zug näher kommen. Das Geräusch wird lauter und lauter, verschwindet wieder. Menschen tauchen auf, die sich wie in Zeitlupe bewegen. Vorwärts und rückwärts. Bilder der Erinnerung auch sie. Als dritte Oper im Bunde des Festivals in Lyon steht die über den mythischen Sänger schlechthin auf dem Programm. Nicht gleich mit Monteverdi, aber doch mit Orpheé et Eurydice von Christoph Willibald Gluck diesem knapp vorklassischen Klassiker beginnt der Dreischritt durch die Geschichte der Oper des aktuellen Jahrgangs. Bei Orpheus daheim: rechts der alte Orpheus an der Schreibmaschine, vor dem Haus der junge, der Eurydice auf Händen trägt Bei Regisseur David Marton, der in Lyon schon mit seinem so klug durchdachten wie opulent in Szene gesetzten Capriccio von Richard Strauss Eindruck gemacht hatte, changiert Glucks Oper in den ästhetisch schönen Bildern von Christian Friedländer (zu denen auch die zeitlos modernen Kostüme von Paola Kardum ihren Beitrag leisten) zwischen der Melancholie der Erinnerung und einem utopisch energischer Bestehen auf der Macht der Liebe ihren ganz eigenen Platz. Der Kunstgriff ist die Verdoppelung des Orpheus. Die Partie teilen sich nämlich der in Ehren ergraute, im Schwergewicht aufgeraute Bass Victor von Harlem, der mit seinen 73 Jahren und einem Gehstock die körperliche Last des Alters genauso glaubwürdig verkörpert wie die Weisheit, die damit eben auch einhergeht. Im Kontrast dazu bzw. als verblüffend komplementäre Ergänzung verkörpert der Counter Christopher Ainslie das jugendliche, frisch in seine schöne Euridice Elena Galitskaya verliebte Alter Ego. Der wird als Prüfung in den Hades geschickt, um seine Euridice zurück zu holen. Auch sie geistert als Braut im Dutzend durch die Szene. In der Erinnerung des alten Orpheus kommt die Braut im Dutzend vor. Berührend ist das Bild der jungen Großfamilie, wenn Orpheus und Euridice mit ihren Jungs an der großen Tafel im Freien sitzen und er seinem Nachwuchs liebevoll das übliche „Sitz gerade“ beibringt. Amor wird hier zum mehrköpfigen jugendlichen Familiennachwuchs und die sechs blutjungen Nachwuchssänger Leo Caniard Noah Chambriard, Yoan Guérin, Simon Gourbeix Tom und Nermel Cléobule Perrot machen das ausgezeichnet. Und doch schleicht sich der Verdacht ein, dass hier einer im Paradies gefangen ist…. Fabelhaft gelungen ist die Imagination der Unterwelt durch die wie in Trance auftauchenden und sich in Slowmotion durchchoregraphierten Menschen. Am Pult des Orchestre de l'Opéra de Lyon steht diesmal Enrico Onofri. Er imaginiert mit Verve und Gefühl einen frischen vorklassischen Klang, der begeistert, mitschwelgen lässt und mitreist. Da ist es recht und billig, wenn das Orchester wie ein deus ex machina am Ende aus dem Graben nach oben fährt. Als Triumph der Musik über die Endlichkeit des Lebens. FAZIT Diese Gluck-Inszenierung passt gut zu den anderen beiden Werken des jüngsten Festspieljahrgangs in Lyon. Und sie ist eine weitere überzeugende Talentprobe des Regisseurs David Marton. Zu den weiteren Rezensionen zum Festival 2015
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Dramaturgie
Bühne
Kostüme
Licht
Chöre
Orchestre de l’Opéra de Lyon
Choers de l’Opéra de Lyon
Orphée
Amour
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E-Mail: oper@omm.de
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