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Es fährt ein Schiff nach NirgendwoVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival
Entsetzen unter den Gästen: Die Reise nach Reims kann nicht stattfinden (von links: Maddalena (Shirin Eskandani), Marches Melibea (Cecilia Molinari), Modestina (Kaori Nagamachi), Corinna (Giuseppina Bridelli), Delia (Carmen Buendía), Madama Cortese (Ruth Iniesta), Contessa die Folleville (Salome Jicia), Cavalier Belfiore (Sunnboy Dladla), Don Profondo (Pablo Ruiz), Conte di Libenskof (Xiang Xu), Don Luigino (Dangelo Fernando Díaz), Don Alvaro (Carlo Checchi), Don Prudenzio (Shi Zong), Barone di Trombonok (Vincenzo Nizzardo) und Lord Sidney (Sundet Baigozhin)). Die Inszenierung der Oper über eine illustre Reisegruppe, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort aus zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen, dort aber nie ankommt, da aufgrund der großen Nachfrage kein Transportmittel zur Verfügung steht, deshalb im Hotel bleibt und dort ihr eigenes Fest veranstaltet, bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird nur mit neuen Interpreten umgesetzt. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, das, wie der blaue Hintergrund andeutet, nirgendwo ankommt. Während das Personal des Kurhotels in der weißen Kleidung mit den Namensschildern eher an Krankenpfleger erinnert und die Gäste einheitlich in weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, wechseln alle Figuren, wenn klar ist, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden kann und folglich im Hotel gefeiert werden soll, die Kleidung und legen schwarze Abendgarderobe an, in der sie nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff ihre eigene Party feiern. Dass am Ende der Aufführung zum feierlichen Schlussgesang Corinnas der König Karl X. als Kind mit Krone höchstpersönlich auftritt und mit drei Luftballons als Szepter Hände schüttelnd durch den Zuschauerraum schreitet, wird von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, so dass sich der junge König schließlich an der Bühnenrampe niederlässt und, während die anderen mit Champagner feiern, sein Butterbrot verspeist. In diesem Jahr kommt der junge König nicht allein, sondern bringt eine ganze Gruppe weiterer Kinder mit, die sich mit gelben Pappkronen nach einem Gang durch den Zuschauerraum auf dem Boden im Parkett niederlassen. Dann feiert man eben auf dem Schiff: von links: Zefirino (Dangelo Fernando Díaz), Delia (Carmen Buendía), Don Profondo (Pablo Ruiz), Madama Cortese (Ruth Inieste), Don Alvaro (Carlo Checchi), Contessa di Folleville (Salome Jicia), Cavalier Belfiore (Sunnyboy Dladla), Maddalena (Shirin Eskandani), Corinna (Giuseppina Bridelli), Lord Sidney (Sundet Baigozhin), Barone die Trombonok (Vincenzo Nizzardo), Conte di Libenskof (Xiang Xu), Marchesa Melibea (Cecilia Molinari), Don Prudenzio (Shi Zong) und Modestina (Kaori Nagamachi). Das junge Ensemble, dem bei der Gestaltung der Bühnenfiguren im Rahmen des Regiekonzeptes großer Freiraum gelassen wird, besteht in diesem Jahr aus 15 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. Cecilia Molinari fordert als Maddalena in der Einleitung "Presto, presto" mit strengem Regiment das übrige Personal auf, das Schiffsdeck für die Gäste herzurichten, wobei die Sängerinnen und Sängern als Bedienstete ihren Anweisungen mehr schlecht als recht Folge leisten. Leslie Visco verfügt als Madama Cortese über einen beweglichen und höhensicheren Mezzo. Immer wieder schön anzusehen ist dabei, wie das Personal mit Seifenblasen zu dieser Szene eine verträumt kitschige Atmosphäre schafft. Es folgt der Auftritt von Kaori Nagamachi als exaltierter Contessa di Folleville, die darstellerisch ihrem Namen alle Ehre macht. Stimmlich verfügt Nagamachi über einen glockenklaren Sopran mit sauberen Höhen, der allerdings noch etwas reifen muss. So trifft sie zwar in ihrer Arie "Partir, oh ciel! desio", in der sie ihrer Verzweiflung über den Verlust ihrer wertvollen Kleider durch ein Kutschenunglück freien Lauf lässt, die Höhen punktgenau, klingt allerdings stellenweise sehr dünn. Mit profundem Bariton und großem Spielwitz begeistert Vincenzo Nizzardo, der sich als Barone di Trombonok über Shi Zongs mangelnde medizinische Kenntnisse als Don Prudenzio lustig macht. Madama Cortese (Leslie Visco, rechts) und Don Profondo (Pablo Ruiz, rechts) geben eine Tiroler Weise zum Besten (von links: Barone di Trombonok (Vincenzo Nizzardo), Maddalena (Cecilia Molinari), Don Alvaro (Carlo Checchi), Delia (Carmen Buendía) und Don Prudenzio (Shi Zong)). In der nächsten Szene lassen Shirin Eskandani als Marchesa Melibea und Rubén Pérez Rodriguez als Conte di Libenskof aufhorchen. Eskandani legt die Marchesa mit sattem Mezzo herrlich verführerisch an und hält auch stets etwas Hochprozentiges in einem kleinen Flachmann bereit. So passt es Rodriguez überhaupt nicht, dass sie heftig mit Carlo Checchi als Don Alvaro flirtet. Während es Checchis Bariton für den spanischen Edelmann noch ein bisschen an markanter Tiefe fehlt, begeistert Rodriguez mit sauber intonierten Höhen und wunderbar eifersüchtigem Spiel, so dass er nur mit Mühe von Nizzardo als Trombonok und Pablo Ruiz als Don Profondo zurückgehalten werden kann. Das Sextett mit Madama Cortese, die ebenfalls verzweifelt bemüht ist, die Streithähne auseinander zu bringen, avanciert zu einem musikalischen Höhepunkt der Aufführung. Beruhigen kann die aufgeheizte Situation letztendlich Federica di Trapani als Corinna, die aus einer Loge im Publikum zum Klang der Harfe mit weichem Sopran und klaren Höhen die Kavatine "Arpa gentil, che fida" anstimmt. Alessandro Abis, der im Anschluss daran als Lord Sidney seine unerfüllte Liebe zu Corinna in der Arie "Invan strappar dal core" zum Ausdruck bringt, bleibt sowohl stimmlich als auch darstellerisch blass. Da können auch Cecilia Molinari, Carmen Buendía, Salome Jicia und Leslie Visco, die mit roten ausgeschnittenen Papierherzen im Takt der Musik die Szene karikieren, nichts ausrichten. Zum Publikumsliebling avanciert Sunnyboy Dladla als Cavalier Belfiore, der zwar eigentlich mit der Contessa liiert ist, im Moment aber größeres Gefallen an Corinna findet. Darstellerisch umgarnt Dladla di Trapani mit machohaftem Gehabe und punktet mit strahlendem Tenor, der in den Höhen enormen Glanz versprüht, so dass man durchaus nachvollziehen kann, dass sich Corinna eher zu dem heftig flirtenden Cavalier als zu dem stets melancholischen Lord hingezogen fühlt. Das große Duett zwischen Dladla und di Trapani entwickelt sich zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt der Vorstellung. Großen Publikumsjubel löst auch Pablo Ruiz als Don Profondo mit seiner Arie "Io! Medaglie incomparabili" aus, in der er die Wertgegenstände für die Reise auflistet und dabei die einzelnen Nationalitäten persifliert. Ruiz präsentiert die Arie zwar mit kräftigem Bariton, ist beim hohen Tempo des Parlando-Tons allerdings nicht immer ganz synchron zum Orchester. Die einzelnen Nationalitäten legt er dabei zwar witzig an, schafft allerdings keine wirkliche Karikatur, die die einzelnen Nationalitäten wiedererkennbar machen. Es folgt das große Finale zu 14 Stimmen, in dem sich di Trapani und Nagamachi einen witzigen Schlagabtausch in den Koloraturen liefern und in dem das Ensemble mit wuchtigem Klang begeistert. Nach der Pause punkten noch einmal Eskandani und Rodriguez als Marchesa und Conte in dem großen Versöhnungs-Duett, in dem sie sich erneut ihre Liebe gestehen, auch wenn die Marchesa bei den anschließenden Feierlichkeiten erneut dem Charme des Spaniers zu erliegen droht. Interessant ist für deutsche Ohren auch immer wieder, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Ende des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhunderts komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat. Nizzardo stattet als Trombonok auch diese kurze "Hymne" mit kräftigem Bariton aus. Di Trapani bewegt dann noch einmal mit ihrer Hymne auf Karl X., König von Frankreich, mit glockenklarem Sopran. Abgerundet wird die Veranstaltung durch die akkurat aufspielenden Musiker der Filarmonica Gioachino Rossini unter der Leitung von Manuel López-Gómez, der das Orchester mit sicherer Hand durch die vielschichtige Partitur führt, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT Auch wenn die Inszenierung jedes Jahr gleich ist, machen die ständig wechselnden Nachwuchskünstler diese Veranstaltung immer wieder zu einem Ereignis, das man bei einem Besuch in Pesaro keinesfalls versäumen sollte.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2015 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungManuel López-Gómez Regie und Bühne Szenische Leitung Kostüme
Solisten*rezensierte Aufführung Corinna
Marchesa Melibea
Contessa di Folleville
Madama Cortese
Cavalier Belfiore
Conte di Libenskof
Lord Sidney Don Profondo Barone di Trombonok Don Alvaro / Antonio Don Prudenzio
Don Luigino / Zefirino / Gelsomino
Delia Maddalena
Modestina
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- Fine -