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"Leichte" Messe und zwei LamentiVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival Neben Rossinis Opernproduktionen sind beim Rossini Opera Festival auch andere Werke des Schwans von Pesaro zu hören, die man sonst selten oder gar nicht live erleben kann. Meistens wird dafür mit dem Auditorium Pedrotti ein intimerer Rahmen gewählt, da diese Veranstaltungen nicht ganz so viel Publikum anziehen wie die inszenierten Opern. Wenn sich allerdings Juan Diego Flórez für ein solches Konzert ankündigt, reicht selbst das Teatro Rossini zur Befriedigung der Kartennachfrage nicht aus, so dass Rossinis Messa di Gloria und seine ersten beiden Kantaten kurzerhand in die Adriatic Arena verlegt wurden und diese Veranstaltung direkt zwei Mal angeboten wird. So erreichen auch diese nahezu unbekannten Werke in diesem Jahr ein relativ großes Publikum in Pesaro. Den Anfang macht Rossinis Messa di Gloria, die am 24. März 1820 in der Kirche San Ferdinando in Neapel uraufgeführt wurde und die Rossinis erste professionelle Beschäftigung mit diesem Genre markiert. Wie häufig war Rossini auch bei dieser Komposition in Zeitnot, und der sächsische Musiker und Komponist Carl Borromäus von Miltitz, der zu der Zeit in Neapel weilte, um unter anderem eine eigene Oper zur Aufführung zu bringen, bezeichnete das Werk nicht ganz zu Unrecht als "ein Ragout Rossinischer Opernphrasen". Die dramatischen Momente in der Introduktion und den Chorpassagen weichen nämlich stets einem leichteren Stil, der unverkennbar den Charakter der frühen Kompositionen Rossinis widerspiegelt. Das Werk besteht aus zwei Teilen: einem "Kyrie", welches sich der Chor mit zwei Tenören aufteilt, und einem "Gloria", in dem Chor- und Solopartien wechseln. Mit dem Chorstück "Cum Sancto Spiritu" am Ende nimmt das Werk den sakralen Charakter wieder auf und gipfelt in einem beeindruckenden "Amen". Schlussapplaus bei der Messa di Gloria: von links: Dempsey Rivera, Juan Diego Flórez, Jessica Pratt, Viktoria Yarovaya, Donato Renzetti, Andrea Faidutti und Mirco Palazzi, dahinter: Coro del Teatro Comunale di Bologna, vorne: Filarmonica Gioachino Rossini Donato Renzetti arbeitet mit dem Orchester Filarmonica Gioachino Rossini die ständig zwischen sakralem und leichtem Ton wechselnde Partitur differenziert heraus und kämpft dabei tapfer gegen die Akustik an, die stellenweise arg unter dem Dröhnen des außerhalb der Halle wütenden Gewitters zu leiden hat. Auch der von Andrea Faidutti einstudierte Coro del Teatro Comunale di Bologna präsentiert sich stimmgewaltig und begeistert vor allem beim "Kyrie" zu Beginn und beim "Cum Sancto Spiritu", das selbst in der Adriatic Arena einen Klang erzeugt, der unter die Haut geht. Wie mag dieses Stück erst in der Akustik eines Kirchenschiffes klingen? Unter den Solisten glänzt nicht nur Juan Diego Flórez. Dempsey Rivera kommt zwar die undankbare Aufgabe zu, nur als zweiter Tenor neben Flórez im "Christe eleison" zu agieren, aber auch seine Stimme geht mit Flórez' strahlendem Tenor eine wunderbare Einheit ein. Jessica Pratt begeistert mit leuchtendem Sopran beim "Laudamus" und setzt auch gemeinsam mit Viktoria Yarovaya beim "Domine Deus" Akzente. Yarovaya punktet dabei mit samtig warmem Mezzo. Mirco Palazzis Bass wirkt neben den beiden Sängerinnen beim "Domine Deus" noch etwas blass, kann sich dann aber im "Quoniam" kurz vor Ende mit markanten Tiefen durchaus behaupten. Höhepunkt bleibt das von Flórez großartig angesetzte "Miserere" aus dem "Qui tollis". So gibt es für diese großartige Darbietung frenetischen Applaus. Der Teil nach der Pause gehört Rossinis ersten beiden Kantaten. Während das Programmheft sie noch in der Reihenfolge ihrer Entstehung ausweist, hat man sich in Pesaro entschieden, mit der zweiten, La morte di Didone, zu beginnen. Wahrscheinlich will man dem Publikumsliebling Flórez den Abschluss des Konzertes überlassen. Rossini hat diese zweite Kantate bereits 1810 für eine Sängerin komponiert, mit deren Familie er schon einige Jahre freundschaftlich verbunden war und der er auch seine erste Opernkomposition Demetrio e Polibio gewidmet hatte: Ester Mombelli, die neben der Lisinga in Demetrio e Polibio auch zahlreiche andere Titelpartien in Rossinis Opern interpretierte. Die Kantate kam erst einige Jahre nach der Entstehung zur Uraufführung. Ester Mombelli präsentierte sie 1818 im Teatro San Benedetto in Venedig anlässlich einer der Sängerin gewidmeten Benefiz-Veranstaltung. Die Geschichte behandelt die letzten Minuten der von Aeneas verlassenen Königin von Carthago, Dido. Nach einer Ouvertüre, die Rossini größtenteils aus seiner ersten Kantate übernommen hat, bedauert ein Männerchor das Schicksal der verlassenen Königin. In mehreren Rezitativen und kurzen Arien gibt sich Dido ihrer Klage hin, bevor sie am Ende den Scheiterhaufen besteigt, auf dem sie die Erinnerungen an Aeneas aufgetürmt hat, und Carthagos späteren Untergang prophezeit. Jessica Pratt verleiht der Dido dramatischen Ausdruck und glänzt mit sauberen Spitzentönen und beweglichen Koloraturen. Juan Diego Flórez als Armonia in Rossinis Kantate Il pianto d'Armonia sulla morte d'Orfeo Den Abschluss bildet dann Rossinis erste Kantate, die er bereits im Alter von 16 Jahren als bester Schüler seines Jahrgangs komponieren durfte. Die Wahl fiel auf einen Text des Schweizer Jesuiten Abbé Girolamo Ruggia. In Il pianto d'Armonia sulla morte di Orfeo schildert Armonia den Nymphen das Schicksal des Orpheus, der, nachdem er bei dem Versuch, Eurydice aus der Unterwelt zu holen, gescheitert ist, und nun von rasenden Frauen getötet worden ist, weil er ihr Werben nicht erhört hat. Dieses Stück zeigt zwar bereits Rossinis aufkommendes musikalisches Genie in Ansätzen, ist in seiner Struktur aber doch noch den formalen Begebenheiten dieser quasi "Examens-Komposition" behaftet. So setzt sich der Chor der Nymphen nur aus Männern zusammen, da er von Schülern des Konservatoriums dargestellt werden musste. Auch Armonia ist mit einem Tenor besetzt, in diesem Konzert mit Juan Diego Flórez. Flórez begeistert in den Rezitativen mit eindringlicher Intonation und glänzt in der Arie "Nelle spietate Furie" mit stupenden Höhen. Am Ende setzt er dann mit einem lang und sauber gehaltenen Spitzenton auf dem "piangerà" einen furiosen Schlusspunkt, der das Publikum in tosenden Beifall ausbrechen lässt.
FAZIT Bei einer solchen Besetzung können auch selten gespielte Kantaten und eine Messe das Publikum begeistern.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2015 |
AusführendeDonato Renzetti, Musikalische Leitung Jessica Pratt, Sopran Viktoria Yarovaya, Mezzosopran Juan Diego Flórez, Tenor Dempsey Rivera, Tenor Mirco Palazzi, Bass Coro del Teatro Comunale di Bologna Andrea Faidutti, Chorleitung Filarmonica Gioachino Rossini
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