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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
10.07.2015 - 26.07.2015


Il vespro siciliano
(Die sizilianische Vesper)

Große heroische Oper mit Tanz in vier Akten
Libretto von Heribert Rau, italienische Übersetzung von Wilhelm Häser
Musik von Peter Joseph von Lindpaintner

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 50' (zwei Pausen)

Konzertante Aufführung in der Trinkhalle am 25. Juli 2015
(Voraufführung am 23. Juli 2015)

 

 

 

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Freiheitsoper aus Stuttgart

Von Thomas Molke / Foto von Roxana Vlad


Während sich bei dem heutzutage relativ unbekannten spanischen Komponisten Manuel García, dessen Salonoper Le Cinesi in diesem Jahr bei Rossini in Wildbad im Rahmen eines Gastspiels aufgeführt wird, ein direkter Bezug zu Rossini herstellen lässt, da Rossini für den zur damaligen Zeit berühmten Tenor die Partie des Almaviva aus Il barbiere di Siviglia komponierte, lässt sich bei Peter Joseph von Lindpaintner eher ein Bezug zu Bad Wildbad herstellen. Es ist nämlich sehr wahrscheinlich, dass Lindpaintner die Partitur für seine am 6. Mai 1843 am Königlichen Hoftheater in Stuttgart uraufgeführte Oper Die sizilianische Vesper in dem pittoresken Kurort an der Enz vollendet hat. Lindpaintner, der insgesamt 37 Jahre als königlich württembergischer Kapellmeister an der Stuttgarter Hofoper tätig war und in dieser Zeit insgesamt 21 Opern verschiedenster Gattungen komponierte, hielt seine große heroische Oper Die sizilianische Vesper neben Der Vampyr für eine seiner besten Opern. Sie konnte auch beim als relativ reserviert geltenden Stuttgarter Hofopernpublikum einen relativ großen Erfolg verbuchen und wurde an zahlreichen Opernhäusern in Deutschland in den Spielplan aufgenommen. Von seinem Logenbruder, dem Sänger Wilhelm Häser, ließ Lindpaintner auch eine italienische Fassung in der Hoffnung erstellen, dass sich das Werk auch im Ausland verbreiten würde. Dies erwies sich allerdings als Trugschluss, und so verschwand das Werk wie das restliche Oeuvre Lindpaintners relativ bald von den Spielplänen. Bei Rossini in Wildbad ist nun nach 170 Jahren erstmals wieder diese Oper in der italienischen Fassung als konzertante Aufführung zu erleben und wird dabei auch auf CD aufgenommen.

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Schlussapplaus: von links: Sara Bañeras (Celinda), Marco Simonelli (Albergio de Barbiano), Gheorghe Vlad (Il Conte de Sanseverino), Daniele Caputo (De Bellecour), Carlos Natale (Visconte Vernazzo, Guillaume līÉtendard), Damian Whiteley (Donte di Marche, Francesco Ruffo, Il Carceriere), Ana Victoria Pitts (Albino) Sara Blanch (Aurelia) César Arrieta (Marquis Drouet), Dario Russo (Giovanni da Procida), Matija Meić (Carlo D'Anjou), Danilo Formaggia (Conte di Fondi), Silvia Dalla Benetta (Eleonora) und Federico Longo (im Hintergrund: Camerata Bach Chor Posen)

Auch wenn der Titel es vermuten lässt, hat die Oper kaum etwas mit der 12 Jahre später in Paris uraufgeführten bekannteren Version von Giuseppe Verdi gemeinsam. Der französische König von Neapel und Sizilien, Karl von Anjou (Carlo), will die sizilianische Adelige Eleonora heiraten und hat den Conte di Fondi, der in seinen Diensten steht, als Brautwerber zu Eleonora geschickt. Dieser hat sich allerdings selbst in die schöne Frau verliebt und heimlich geheiratet. Um nicht bei Carlo in Ungnade zu fallen, hält er sie in seinem Schloss versteckt. Doch sein Rivale, der Marquis Drouet, denunziert ihn beim König, so dass Carlo plötzlich auftaucht und Eleonora im Schloss sucht. Als er sie jedoch nicht findet, entlässt er Drouet. Dieser sinnt auf Rache und gaukelt Aurelia, der Zofe des Conte, Liebe vor, um sie zu überreden, ihn und den König zum Versteck der Gräfin zu führen. Aurelia fällt auf die Liebesbeteuerungen des Marquis herein und verrät das Versteck. Der Conte wird zum Tode verurteilt. Eleonora kann Gnade für ihn erlangen, wenn sie bereit ist, ihre Ehe mit dem Conte zu annullieren und den König selbst zu heiraten. Doch Eleonora lehnt dieses Angebot ab und wird abgeführt. Aurelia erkennt ihren Fehler und kann gemeinsam mit Albino, einem Pagen des Conte, und Giovanni da Procida, einem sizilianischen Edelmann, der im Untergrund den Aufstand gegen die Franzosen vorbereitet, zunächst Eleonora und dann auch Fondi befreien. Es kommt zum historisch belegten Volksaufstand am Ostersonntag, dem 30. März 1282, bei dem unzählige Franzosen in Sizilien von der gegen die Fremdherrschaft rebellierenden Bevölkerung regelrecht niedergemetzelt werden und die als "sizilianische Vesper" in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Fondi erdolcht Drouet, und das sizilianische Volk begrüßt mit großer Freude den an der Küste landenden Peter von Aragón als neuen Herrscher.

Lindpaintner hat dieses Werk als Grand Opéra in vier Akten mit den obligatorischen Balletteinlagen ganz im Stil Meyerbeers konzipiert, mit dessen Werken er in seiner Funktion als Kapellmeister sehr vertraut war. So umfasst das Werk allein 16 Solorollen, die in Bad Wildbad mit insgesamt 13 Sängerinnen und Sängern hochkarätig besetzt sind. Auch der Chor nimmt als sizilianische und französische Edelmänner, Gefolge des Königs, Mönche, Volk, Diener und Pagen eine große Bedeutung ein. Im ersten Akt wird allerdings noch nicht so ganz deutlich, wo Lindpaintner musikalisch mit diesem Werk eigentlich hin will. In den großen Ensembles fehlt ein wenig die Struktur. So brodelt es zwar bei einem festlichen Gelage im Schloss des Conte di Fondi zwischen französischen und sizilianischen Rittern, was von den Herren des Camerata Bach Chor Posen stimmgewaltig umgesetzt wird. Man hat allerdings das Gefühl, dass Lindpaintner hier musikalisch zu viele unterschiedliche Stilrichtungen bedienen will, und damit den Zuhörer eher verwirrt als fesselt. So verpufft auch die erste große Romanze von Fondi, die von Danilo Formaggia mit heldenhaft strahlendem Tenor bei der Voraufführung, allerdings mit etwas weniger Glanz bei der Aufführung am Samstag umgesetzt wird. Auch Carlos Natale lässt direkt zu Beginn als Statthalter von Sizilien, l'Étendard, mit leuchtendem Tenor aufhorchen, wenn er die Franzosen und Sizilianer zu einem friedlichen Umgang miteinander ermahnt. Dann tritt Dario Russo als Untergrundskämpfer Giovanni da Procida auf und wird mit stählernem Bass der Unerbittlichkeit dieser Figur mehr als gerecht.

Die erste weiche musikalische Färbung bringt dann Silvia Dalla Benetta als Eleonora, die auftritt, als die Sizilianer unter sich sind, und nach einer bezaubernden Kavatine mit leuchtendem Sopran und strahlenden Höhen im Duett mit Formaggia zu einer ergreifenden Innigkeit findet. Diese Harmonie wird von dem auftretenden Carlo jäh unterbrochen. Matija Meić legt die Partie des französischen Königs mit kräftigem Bariton entsprechend autoritär an. Im zweiten Akt findet man musikalisch dann etwas besser in das Stück hinein, da hier nun auf die einzelnen Charaktere mit entsprechenden Szenen und Arien individueller eingegangen wird. Zunächst erscheint der komplette Chor, der den König um eine Senkung der Steuern anfleht. Wie brüsk Meić als König dieses Ansinnen zurückweist und dabei seine Gefolgsmänner die Sizilianer mit Drohgebärden entwaffnen lässt, macht deutlich, dass der Aufstand der Sizilianer nur eine Frage der Zeit ist. Dann tritt der eigentliche Bösewicht der Oper, Marquis Drouet, auf. In einer großen Arie beklagt er sich, zu Unrecht von Carlo verstoßen worden zu sein, da er doch weiß, dass Fondi Eleonora heimlich versteckt. Es muss also eine Intrige her. César Arrieta stattet den Marquis mit weichem Tenor und großer Strahlkraft in den Höhen aus. Da verwundert es nicht, dass die leicht naive Zofe Aurelia auf das Werben des Marquis hereinfällt. Sara Blanch besticht als Aurelia mit mädchenhaftem Sopran, der ihre Leichtgläubigkeit noch unterstützt. Großartig setzt auch Ana Victoria Pitts die Hosenrolle des Albino um, der verzweifelt gegen Drouet um die Gunst Aurelias kämpft und dabei zunächst unterliegt. Mit ihrem dunklen Mezzo unterstreicht Pitts zum einen die Kampfbereitschaft, zum anderen auch die tiefe Melancholie des jungen Mannes.

Bis zum zweiten Finale, in dem Fondi von Carlo festgenommen wird, wird das Werk dann dem Begriff "Belcanto" mit großartigen Melodien gerecht. Zunächst dürfen Dalla Benetta und Formaggia erneut in einem innigen Duett ihrer großen Liebe Ausdruck geben, bevor Meić dazwischentritt und die Harmonie mit bedrohlich auftrumpfendem Bariton zerstört. Das Publikum zeigt sich nach diesem zweiten Finale im Applaus bei beiden Veranstaltungen begeisterter als nach dem ersten Akt, obwohl am Samstag einige Zuschauer nicht aus der ersten Pause zurückgekehrt sind. Im dritten Akt kommt es dann zu einer musikalisch bewegenden Versöhnung zwischen Aurelia und Albino. Aurelia erkennt, dass der Marquis sie nur benutzt hat. Blanch und Pitts finden hierbei mit wunderbar harmonierenden Stimmen zueinander. Dann darf sich Meić noch einmal in einer großen Bravourarie von seiner charakterlich dunkelsten Seite zeigen. Mit eiskalten Tiefen lehnt er Aurelias Gnadengesuch ab. Selbst den aufbrausenden Applaus des Publikums weist Meić bei der Voraufführung in seine Schranken, indem er unbeirrt in seinem Rezitativ fortfährt. Es kommt zu einer musikalisch überwältigenden Auseinandersetzung zwischen Eleonora und dem König, in der sie die Schatten der Vergangenheit in Form des von Carlo getöteten Konradin, dem letzten Erben der Staufer und Neffen des vorherigen Herrschers Manfred von Tarent, wieder ins Gedächtnis ruft. Musikalisch wird dieser Geist, der Carlo erscheint und den König beunruhigt, von den Virtuosi Brunenses unter der Leitung von Federico Longo eindrucksvoll umgesetzt.

Der vierte Akt zeigt dann, wie Aurelia Fondi aus dem Kerker befreit. Mit mädchenhaftem Charme macht sie den Kerkermeister, den Damian Whiteley mit weichem Bass ausstattet,  gefügig und sperrt ihn selbst in der Zelle ein. Die folgende große Arie der Eleonora wurde bei beiden Aufführungen gestrichen, da Dalla Benetta am gleichen Tag jeweils noch einen Auftritt als Isabella in Rossinis L'inganno felice hatte und dies dann wohl für einen Tag etwas zu viel gewesen wäre. Für die CD, die zu dieser Aufführung erstellt werden soll, ist diese Arie aber wohl schon eingespielt worden. Es kommt dann relativ schnell zum Titel gebenden Ereignis, wobei Lindpaintner hier das grausame Geschehen musikalisch absolut lautmalerisch umsetzt. Man hört nicht nur die Glocke, die zur Vesper ertönt, sondern hat auch ohne Szene ein lebhaftes Bild von dem Gemetzel, das währenddessen auf der Bühne stattfindet. Der Jubelchor am Ende leitet dann die Ankunft des neuen Regenten und die Hoffnung auf eine bessere Zeit für die Sizilianer ein. Damit hat der Schluss nichts von dem Pessimismus, den Verdi 12 Jahre später in das Finale legt, in dem er alle Hauptfiguren zum Opfer des Aufstandes werden lässt. Am Ende gibt es verdienten Applaus für alle Beteiligten für eine großartige musikalische Umsetzung, auch wenn das Werk an sich nicht auf ganzer Linie überzeugen kann. Ob es sinnvoller gewesen wäre, die deutsche Originalfassung zu spielen, lässt sich nicht beurteilen.

FAZIT

Raritätensammler sollten sich natürlich auch diese Ausgrabung, die am 1. August 2015 um 19.05 Uhr im Deutschlandradio gesendet und später auf CD erscheinen wird, nicht entgehen lassen, zumal die Besetzung absolut hochkarätig ist. Ob das Werk aber dafür reicht, Interesse an Lindpaintners musikalischem Schaffen zu wecken, ist fraglich.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Federico Longo

Chor
Ania Michalak

 

Camerata Bach Chor Posen

Virtuosi Brunenses


Solisten

Carlo d'Anjou, König von Neapel und Sizilien
Matija Mei
ć

Alphonse Drouet, Marquis de Laque
César Arrieta

Il Conte di Fondi, sizilianischer Graf
Danilo Formaggia

Eleonora, Gattin des Conte
Silvia Dalla Benetta

Celinda, Zofe Eleonoras
Sara Bañeras

Aurelia, Zofe im Dienste des Conte
Sara Blanch

Albino, Page des Conte
Ana Victoria Pitts

Guillaume l'Étendard, Statthalter von Sizilien
Carlos Natale

Il Conte di Marche, französischer Edelmann
Damian Whiteley

De Bellecour, französischer Edelmann
Daniele Caputo

Giovanni da Procida, sizilianischer Edelmann
Dario Russo

Visconte Vernazzo, sizilianischer Edelmann
Carlos Natale

Il Conte di Sanseverino, sizilianischer Edelmann
Gheorghe Vlad

Albergio da Barbiano, sizilianischer Edelmann
Marco Simonelli

Francesco Ruffo, sizilianischer Edelmann
Damian Whiteley

Il Carceriere, Kerkermeister
Damian Whiteley

Zwei Diener (Chorsolisten)
Bartosz Zolubak (Tenor)
Jedrzej Wróblewski (Bass)

 


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