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Arienkonzert der VariationenVon Thomas Molke / Foto von Matilde Fassò
Marianna Pizzolato Den Anfang macht Rossinis Melodramma eroico Tancredi, zu dem Pizzolato eine ganz besondere Beziehung haben dürfte, da sie mit der Titelpartie ihr Operndebüt 2002/2003 in Piacenza feierte. Pizzolato eröffnet den Abend mit Tancredis berühmter Auftrittsarie "Di tanti palpiti", in der Tancredi voller Freude seine Rückkehr in die Heimat Syrakus besingt. Pizzolato begeistert hierbei mit samtig weichem Mezzo und lässt die innige Liebe des Titelhelden mit betörender Wärme spürbar werden. Im Anschluss daran präsentiert sie die Version, die bei der Uraufführung 1813 in Venedig zu hören war. Die damalige Sängerin der Titelpartie, Adelaide Malanotte, war nämlich mit der von Rossini vorgesehenen Auftrittsarie unzufrieden und verlangte eine Alternative, die in ihrer Struktur virtuoser sein sollte. So komponierte Rossini die Kavatine "Dolci d'amor parole" mit einem neuen Rezitativ und wurde Malanotte damit zwar einerseits durch anspruchsvollere Koloraturen gerecht, schrieb andererseits aber für die erste Violine einen Solopart, womit das Instrument der Protagonistin die Schau zu stehlen drohte. Als sich der Erfolg nach der Premiere nicht einstellte, soll Rossini Malanotte gebeten haben, die ursprünglich vorgesehene Arie zu singen, die sich dann zu einem regelrechten Gassenhauer entwickelte. Pizzolato beweist bei dieser Variation eine enorme Beweglichkeit in den Koloraturen, so dass es dem heutigen Hörer schwer fällt zu entscheiden, welche Variante man denn jetzt eigentlich vorziehen soll. Liga Kuzmane macht den Solopart der Violine bei diesem Stück zu einem weiteren Höhepunkt. Noch abenteuerlicher verhält es sich mit dem Ende des Stückes, da es hier per se zwei unterschiedliche Fassungen gibt. In der ersten Fassung (Venedig-Fassung) gibt es ein glückliches Ende für Tancredi und Amenaide, wie es für die damalige Operntradition üblich war. In der zweiten Fassung (Ferrara-Fassung) endet die Oper tragisch, und Tancredi stirbt in Amenaides Armen. Giuditta Pasta, die erfolgreichste Interpretin des Tancredi in den 1820er Jahren, wollte zwar das lieto fine aus der Venedig-Fassung, verlangte allerdings eine Schlussarie und keine Gran Scena mit großem Finale. Da Rossini ihr diese Arie nicht komponierte, legte sie kurzerhand eine Arie aus Giuseppe Nicolinis 1801 in Parma uraufgeführten Oper Il conte di Lenosse vor, die Rossini mit einigen Verzierungen ausstattete. So erhielt die Pasta ihr ganz eigenes Ende der Oper, das heute so auf den Bühnen nicht mehr zu erleben ist, unabhängig davon, welche Fassung gespielt wird. Pizzolato macht mit stupenden Höhen auch diese unbekannte Arie zu einem Bravourstück. Es folgt das Trinklied des Pippo aus der Oper La gazza ladra, die mit der Partie des Pippo nur eine ganz kleine Partie für einen Mezzosopran bereithält. Als bei einer Wiederaufnahme der Oper in Neapel 1819 Rosmunda Pisaroni sich bereit erklärte, diese Nebenrolle zu übernehmen, fühlte sich Rossini verpflichtet, ihr eine größere Auftrittsarie zu bieten. Er bediente sich der Arie des Siveno "Pien di contento" aus seinem Frühwerk Demetrio e Polibio, die er textlich und in der Orchesterbesetzung ein wenig umgestaltete, und so entstand "Beviam, tocchiamo a gara", womit Pizzolato nach der Pause startet. Auch hier begeistert Pizzolato erneut mit weichen, beweglichen Koloraturen. Den Abschluss macht dann L'Italiana in Algeri, wobei Pizzolato zunächst auf die berühmte Auftrittsarie Isabellas, "Cruda sorte", verzichtet. Für die Aufführung in Vicenza 1813 musste Rossini diese Arie nämlich für die Interpretin der Titelpartie, Marietta Marcolini, austauschen. Pizzolato bringt die Alternativ-Fassung zu Gehör und glänzt erneut durch stimmliche Perfektion. Dass es zum berühmten Rondò "Pensa alla patria" auch eine Variation gibt, ist wohl vor allem der Zensur geschuldet, der die ursprüngliche Fassung zu patriotisch klang. So gibt es zunächst die eher buffonesk angelegte Arie "Sullo stil de' viaggiatori", bei der Pizzolato von César Arrieta als Lindoro und Marco Simonelli als Pompeo begleitet wird. Im Anschluss daran präsentiert Pizzolato das ursprüngliche Rondò und fasziniert mit wunderbar beweglichen Koloraturen. Die Virtuosi Brunenses erweisen sich unter der musikalischen Leitung von José Miguel Pérez-Sierra als kongenialer Partner und tragen Pizzolato mit Virtuosität durch die einzelnen Arien und Kavatinen. In den drei Ouvertüren können sie allerdings nur bedingt überzeugen. Vielleicht ist es der Hitze geschuldet, dass sie bei der ersten Ouvertüre, Tancredi, noch etwas unkonzentriert wirken und das Zusammenspiel vor allen Dingen bei den Blechbläsern nicht ganz harmoniert. Bei der Ouvertüre zu La gazza ladra hat man das Gefühl, das Orchester wolle das Trommelfell des Publikums zum Platzen bringen. Hier wäre ein bisschen weniger mehr gewesen, zumal sich bei dem martialisch tönenden Spiel auch erneut kleine Ungenauigkeiten einschleichen. Nur in der letzten Ouvertüre zeigt sich das Orchester so gut wie in der Begleitung Pizzolatos. Vielleicht hat man sich auf L'Italiana in Algeri aber auch schon ein bisschen besser eingestellt, da die Premiere dieser Oper ja am Sonntag zu erleben sein wird. Als Zugabe präsentiert Pizzolato dann noch "Cruda sorte" aus L'Italiana in Algeri, um auch hier die Variation komplett zu machen. Da das begeisterte Publikum trotz der tropenhaften Temperaturen keine Ruhe geben will, gibt es zum Abschluss dann noch einmal "Di tanti palpiti".
FAZIT Marianna Pizzolato wird die im Festkonzert vorgestellten Arien samt Variationen auf CD herausgeben, was für jeden Raritäten-Sammler eine enorme Bereicherung seines Bestandes darstellen dürfte.
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AusführendeMarianna Pizzolato, Mezzosopran Camerata Bach Chor Posen Virtuosi Brunenses José Miguel Pérez-Sierra, Musikalische Leitung
WerkeGioachino Rossini Tancredi Auftrittsarie des Tancredi (Alternative Venedig
1813) Ouvertüre Schlussarie des Tancredi für Giuditta Pasta, La gazza ladra Auftrittsarie des Pippo (Alternative Neapel 1819) Ouvertüre L'Italiana in Algeri Arie der Isabella (Alternative Neapel
1815) Ouvertüre Rondò der Isabella (Venedig 1813)
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