Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
Alans Traum
Von
Charles Jernigan (Deutsche Bearbeitung von Thomas Molke) / Fotos von Rupert Larl
Fester Bestandteil der Festwochen sind seit mehreren Jahren die
Aufführungen des Akademie Projektes BAROCKOPER:JUNG, bei dem junge Preisträger
und Preisträgerinnen des Internationalen Gesangswettbewerbs Barockoper Pietro
Antonio Cesti zusammen mit dem erfahrenen Tenor Jeffrey Francis eine Oper
erarbeiten. In diesem Jahr hat man sich für ein Werk des Namensgebers des
Gesangswettbewerbs entschieden: Cestis 1665 uraufgeführte Oper Le nozze di sogno.
Damit erfüllt man einen Traum von Alan Curtis, einem amerikanischen
Barockspezialisten, der viele Jahre mit den Innsbrucker Festwochen der Alten
Musik zusammengearbeitet hat. Leider ist es ihm nicht vergönnt, dieses
Projekt, auf das er lange Zeit hingearbeitet hat, noch mitzuerleben, da er am
15. Juli 2015 in seiner Altersresidenz in Florenz im Alter von 80 Jahren
verstorben ist. Aber gerade deshalb haben es sich die Verantwortlichen des
Festivals zur Aufgabe gemacht, seinen Wunsch zu erfüllen, und widmen ihm nicht
nur im Programmheft diese Aufführung, sondern setzen die 13 Musiker des Ensemble
Innsbruck Barock in ein Boot, das den Namen "Alan" trägt. Das Boot passt auch
deshalb ins Stück, da die Geschichte in der Hafenstadt Livorno spielt und zwei
Hauptcharaktere, Pancratio und Teodoro, als Kaufleute tätig sind. So
werden die Musiker Teil des Bühnenbildes, das für die rezensierte Aufführung
wegen des Wetters vom Innenhof der Theologischen Fakultät in die Aula der Sowi
Innsbruck verlegt werden musste. Auch die zahlreichen Kisten, die auf der Bühne
übereinandergestapelt sind, vermitteln das Gefühl eines Hafens. Einige von den
größeren Kisten lassen sich öffnen und zeigen unterschiedliche Räume: ein
Schlafzimmer für das romantische Treffen zwischen Lucinda und Flammiro und ein
Wohnzimmer, in dem Emilia tränenreich ihrem ehemaligen Liebhaber Lelio (Lucindas
Bruder) nachtrauert.
Lucinda (Arianna Vendittelli) mit ihrem als Frau
verkleideten Geliebten Flammiro (Rodrigo Sosa Dal Pozzo, rechts) und ihrem
Bruder Lelio (Bradley Smith, links)
Die Geschichte enthält zahlreiche Elemente der Commedia dell' arte und
der Commedia erudita, die beide auf den antiken römischen Vorbildern Plautus und
Terenz basieren. Flammiro ist für ein Theaterstück in Teodoros Haus in
Frauenkleider geschlüpft. Als er das Haus noch im Kostüm verlässt, verliebt sich
Lelio in ihn. Da Flammiro selbst in Lelios Schwester Lucinda verliebt ist, lässt
er den liebeskranken Mann in dem Glauben, er sei die schöne Celia. Lelio gibt
daraufhin seiner Verlobten Emilia den Laufpass. Mittlerweile will Teodoro seine
Nichte Emilia an den alten Pancratio verheiraten, was Emilia
natürlich gar nicht gefällt, da sie hofft, ihren ehemaligen Geliebten
zurückzugewinnen. Doch noch hält Flammiro sein Spiel aufrecht, da es die einzige
Möglichkeit für ihn ist, mit Lucinda zusammen zu sein. So kommt es zur Titel
gebenden "Hochzeit im Traum". Teodoro, Pancratio und sein Diener Fronzo erhalten
einen Zaubertrank in ihrem Wein, so dass sie in einer Hallizunation
merkwürdige Dinge erleben, die sie dazu bringt, der Heirat der jungen Leute
ihren Segen zu geben. So kann Flammiro sich als Mann zu erkennen geben, und
Lelio kehrt reumütig zu Emilia zurück.
Teodoro (Jeffrey Francis) will seine Nichte
Emilia (Yulia Sokolik) verheiraten.
Neben
Einflüssen der bereits erwähnten Commedia dell' arte und Commedia erudita lassen
sich auch Bezüge zu spanischen Dramen der damaligen Zeit erkennen, die der
Librettist Pietro Susini für seinen Arbeitgeber, Kardinal Leopoldo de' Medici,
einem Bruder des Herrschers über Florenz, übersetzt hat. Während Lelio den
typischen "verrückten Liebenden" (innamorata) und Flammiro den gewitzten Diener
(zanno) der Commedia repräsentieren, scheinen die Traumsequenzen auf Calderón de
la Barcas berühmtes Stück La vida es sueno (Das Leben ein Traum)
anzuspielen. So philosophieren auch in der Oper am Ende einige Figuren über
dieses Thema, was besonders in dem Duett zwischen Emilias Amme Filandra und dem
Diener Scorbio deutlich wird, wenn sie zu der Erkenntnis kommen, dass es Wahnsinn sei, auf
ewiges Glück zu hoffen, wo doch das Leben nur ein kurzer Augenblick sei.
"Un sogno è la vita, un sonno è la morte" (Traum ist das Leben, Schlaf der Tod).
So lässt sich auch die Hochzeit in dem durch den Zaubertrank beeinflussten
Traum als Parodie auf das berühmte Bild der frühen Barockperiode lesen. Wenn die
beiden Statuen zum Leben erwachen, erkennt man in gewisser Weise den steinernen
Gast aus Don Giovanni wieder.
Unter dem Einfluss eines Zaubertrankes erwachen
zwei Statuen zum Leben (im Boot: das Ensemble Innsbruck Barock).
Auch
wenn die Partitur der Oper in der Bibliothèque Nationale de Paris bereits seit
einigen Jahren bekannt war und Susini als Librettis unzweifelhaft feststand, war
lange Zeit nicht klar, ob Cesti wirklich der Komponist war. Ein Vorwort zum
Libretto nennt nur den Namen der Oper und spricht von einer Aufführung der
"Accademia de' Signori Infocati" 1665. Diese "Accademia" war eine von mehreren
Theatergruppen, die von adeligen Familien in Florenz und anderen italienischen
Städten gefördert wurden. Erst vor kurzem konnte eine Zeitschrift ausfindig
gemacht werden, die Cesti als Komponisten belegt. An dieser Stelle begann dann
die weitere Arbeit von Alan Curtis, Alessandro Bares, Nicola Michelassi und
Salomé Vuelta Garcia, die nun die Partitur für eine Aufführung bei den
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik vorbereiteten. Und die musikalische
Umsetzung kann sich hören lassen. Enrico Onofri führt das gut aufspielende
Ensemble Innsbruck Barock mit feinem Gespür durch die Partitur. Leider lässt
sich das für die Inszenierung von Alessio Pizzech nicht sagen. Die Kostüme von
Davide Amadei, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet,
siedeln die Geschichte zwischen Piratenfilm, Hofbräuhaus, Punk und La Cage
aux Folles an, so dass keine klare Linie erkennbar wird.
Fronzo (Ludwig Obst), Pancratio (Rocco Cavalluzzi)
und Teodoro (Jeffrey Francis) als Babies im Kinderwagen, die von geheimnisvollen
Schatten im Traum heimgesucht werden
So wie die Kostüme an albernes Amateur-Theater erinnern, weist auch
Pizzechs Personenregie keine eindeutige Richtung auf. Die Slapstick-Einlagen
erreichen nicht die Qualität einer Commedia. So springen die Figuren sinnfrei
über die Bühne oder benehmen sich wie Kleinkinder. Die drei alten Männer treten
am Ende sogar in großen Kinderwagen auf. Alles in allem wirken auch die
Liebesszenen zwischen Flammiro und Lucinda eher pubertär als komisch. Dass die
Amme Filandra von einem Mann gespielt wird, ist zunächst einmal für die
Barockoper nicht ungewöhnlich. Warum Francisco Fernandez-Rueda in der Partie
jedoch als Perücke einen Bienenstock tragen muss, erschließt sich nicht.
Musikalisch aufhorchen lassen die beiden Sopranistinnen Yulia Sokolik und
Arianna Vendittelli. Sokolik stattet die Partie der Emilia mit frischem Sopran
aus und verleiht der verschmähten Geliebten auch darstellerisch komische
Momente. Vendittelli gefällt als gewitzte Lucinda mit glockenklaren Höhen.
Rodrigo Sosa Dal Pozzo überzeugt als ihr Geliebter Flammiro mit weichem
Countertenor, wobei es musikalisch einer gewissen Komik nicht entbehrt, dass er
als Frau verkleidet auch das Herz von Lucindas Bruder Lelio gewinnt, der von
Bradley Smith mit jugendlichem Tenor interpretiert wird.
Ein Problem bei der Wiederentdeckung einer lange Zeit verschollenen Oper
ist sicherlich die Frage, ob man das Werk ungekürzt spielt. Da Le nozze in
sogno neben relativ kurzen Arien ziemlich lange monotone Rezitative enthält,
hätte dem Stück eine Straffung sicherlich gut getan, zumal es der Regie nicht
gelingt, die Rezitativ-Passagen interessant zu füllen. So haben sich nach der
Pause die Reihen im Zuschauerraum ein wenig gelichtet, was sehr schade ist, da
man damit Alan Curtis' Bemühungen um das Werk sicherlich nicht gerecht wird und
seinen "Traum" nur halbherzig erfüllt hat. Weitere Rezensionen zu den
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2016 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungEnrico Onofri Regie Bühnenbild und Kostüme
Solisten
Flammiro
Lucinda Emilia
Filandra
Lelio Fronzo Scorbio, Corvellio Pancratio Teodoro, Ser Mosè
|
- Fine -