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Musikfestspiele
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42. Festival della Valle d' Itria

Martina Franca
14.07.2016 - 05.08.2016

 

Così fan tutte

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Premiere im Palazzo Ducale am 21. Juli 2016
(rezensierte Aufführung: 01.08.2016)

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Die Sache mit der Treue

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Ricordi (Festival della Valle d' Itria)

Wie bei den Festspielen in Bad Wildbad und Pesaro gibt es auch beim Festival della Valle d' Itria in Martina Franca seit vielen Jahren eine Accademia del Belcanto, in der Nachwuchstalente in einer Meisterklasse nicht nur ihre Gesangstechnik weiter ausbauen können, sondern auch eine Oper einstudieren, die im Rahmen des Festivals dann als Workshop-Produktion aufgeführt wird. Der Name der Accademia del Belcanto, "Rodolfo Celletti", steht dabei für den 2004 im Alter von 84 Jahren verstorbenen italienischen Musikwissenschaftler, der von 1980 bis 1993 als künstlerischer Leiter die Geschicke des Festivals geleitet und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung des musikalischen Nachwuchses gelegt hat. Dass die Wahl in diesem Jahr auf Mozarts Così fan tutte gefallen ist, mag zwei Gründe haben. Zum einen bietet die Oper mit sechs relativ gleichgewichtigen großen Partien jungen Künstlern eine gute Möglichkeit, ihre gesanglichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, ohne dabei die Stimme zu einem zu frühen Zeitpunkt zu überfordern. Zum anderen passt die Oper in der Thematik exakt zum diesjährigen Festspiel-Motto über die Auswirkungen von Eros und Dionysus, da auch hier der Tausch der Partner zu einigen Verwicklungen führt. Des Weiteren ist es sehr wahrscheinlich, dass Mozart bei seiner Komposition durchaus von Salieris und Paisiellos Vertonungen von La grotta di Trofonio beeinflusst worden ist.

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Don Alfonso (Daniele Antonangeli, Mitte) wettet mit Guglielmo (Laurence Meikle, links) und Ferrando (Bryan Lopez Gonzalez, rechts) um die Treue ihrer beiden Geliebten.

Lorenzo Da Pontes Libretto basiert wahrscheinlich auf einer realen Geschichte, die sich in der Wiener Aristokratie ereignet haben soll, wonach zwei junge Offiziere mit einem Freund über die Treue und Beständigkeit von Frauen gewettet haben sollen. Die Idee des Partnertausches dürfte dabei allerdings Da Pontes Phantasie entsprungen sein, wobei die Namen Fiordiligi und Dorabella aus Ariostos Orlando furioso stammen. Dass Mozarts letzter Zusammenarbeit mit Da Ponte zunächst kein großer Erfolg beschieden war, mag unter anderem daran gelegen haben, dass knapp einen Monat nach der Uraufführung 1790 Kaiser Joseph II. starb und deswegen alle weiteren Aufführungen abgesagt wurden. Im weiteren Verlauf setzten sich dann moralische Bedenken und Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Handlung durch, die eine weitere Verbreitung der Oper verhinderten. In der Tat mutet es sehr merkwürdig an, dass Fiordiligi und Dorabella zum einen ihre verkleideten Verlobten Guglielmo und Ferrando nicht erkennen und dann auch noch innerhalb eines Tages bereit sind, einen Ehekontrakt mit den fremden Männern zu unterzeichnen. Letztlich ließ aber Mozarts großartige Musik über die logischen Schwächen der Handlung vergessen, so dass das Werk mit Beginn des 20. Jahrhunderts dann doch die Bühnen erfolgreich eroberte und seitdem einen festen Platz im Repertoire besitzt.

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Vertauschte Paare: von links: Guglielmo (Laurence Meikle), Dorabella (Nozomi Kato), Fiordiligi (Shaked Bar) und Ferrando (Bryan Lopez Gonzalez)

Juliette Deschamps unterstreicht in ihrer Produktion den Workshop-Charakter der Aufführung und verzichtet größtenteils auf ein Bühnenbild. Auf der linken Seite steht ein Overhead-Projektor, der mal unterschiedliche Fragestellungen des Workshops an die Wand projiziert, mal die Aktionen auf der Bühne unterstützt. So werden beispielsweise Scherenschnitte von zwei Männern aufgelegt, die mit zwei Frauen ausgetauscht werden, was wohl den Partnertausch der beiden Paare verdeutlichen soll. Auch der Kontrakt, den Fiordiligi und Dorabella am Ende unterschreiben, ist an der Wand sichtbar und wird auch von Guglielmo und Ferrando schließlich dort wahrgenommen. Auf der rechten Seite steht eine lange Theke, die suggeriert, dass die Geschichte in einer Gaststätte spielt. Im Hintergrund sind zwei Kleiderständer zu sehen, an denen die unterschiedlichen Kostüme hängen, die die beiden Männer und Despina im Verlauf des Stückes als Verkleidung benutzen. Fiordiligi und Dorabella treten im ersten Akt mit einem weißen Tüllrock auf, den sie nach der Pause gegen einen schwarzen eintauschen. Aus ihrer Hoffnung auf eine baldige Vermählung mit ihren beiden Verlobten scheint wohl Trauer um den Verlust der Geliebten geworden zu sein, die dann in Gefühle für die beiden neuen Liebhaber umschlägt. Die hochhackigen Schuhe, die sie dazu anziehen, sollen wohl den neuen Weg beschreiben, den die beiden Frauen einschlagen. Guglielmo und Ferrando treten als moderne junge Männer auf, die sich mit einer Mütze, einer schwarzen Sonnenbrille und einem Anorak nicht wirklich bis zur Unkenntlichkeit verwandeln. Doch der Workshop-Charakter der Aufführung lässt über dieses Grundproblem des Stückes hinwegsehen. Deschamps folgt der Geschichte im weiteren Verlauf librettonah und behält auch das normale Ende der Oper mit der glücklichen Wiedervereinigung der richtigen Paare bei.

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Glückliches Ende nach einigen Liebeswirrungen: von links: Dorabella (Nozomi Kato), Ferrando (Bryan Lopez Gonzalez), Despina (Nao Yokomae), Don Alfonso (Daniele Antonangeli), Fiordiligi (Shaked Bar) und Guglielmo (Laurence Meikle)

Die jungen Sängerinnen und Sängern überzeugen in der Produktion mit großem Spielwitz und lassen mit vielversprechenden Stimmen aufhorchen. Daniele Antonangeli ist als Don Alfonso wesentlich jünger, als man ihn normalerweise auf der Bühne erlebt. Dennoch wirkt Antonangeli trotz seiner Jugend wesentlich abgeklärter als Guglielmo und Ferrando, die von Laurence Meikle und Bryan Lopez Gonzalez als zwei selbstverliebte Gecken angelegt werden, die sich ihres guten Aussehens durchaus bewusst sind. Gonzalez punktet mit einem weichen Tenor, der vor allem in seiner Arie "Un aura amorosa" im ersten Akt, wenn er die untrügliche Liebe seiner Dorabella beschwört, in den Höhen geschmeidig klingt. Umso heftiger wird dann seine Enttäuschung in der Arie "Tradito, schernito", wenn er erkennt, dass Dorabella Guglielmos Werben nachgegeben hat. Meikle triumphiert als Guglielmo mit machohaftem Gehabe und virilem Bariton, wenn er Dorabella erobert hat und weiterhin an die Treue seiner Fiordiligi glaubt. Antonangeli hält als Don Alfonso mit markantem Bass und kräftigen Tiefen dagegen und zeigt sich von Anfang an siegesbewusst. Beim intensiven Spiel der Männer kommt das versöhnliche Ende am Schluss beinahe schon etwas unvermutet.

Bei den Damen lassen vor allem Nozomi Kato als Dorabella und Nao Yokomae als Despina aufhorchen. Yokomae begeistert mit keckem Spiel als Dienstmädchen und lässt sich von den Männern nichts vormachen. Mit strahlenden Höhen präsentiert sie ihre große Arie "In uomini, in soldati", wenn sie mit dem Besen in der Hand feststellt, dass es bei den Männern keine Treue gibt, und macht mit schlagkräftigen Argumenten im zweiten Akt deutlich, dass es sinnlos ist, auf die Rückkehr der beiden Verlobten zu warten. Auch als verkleideter Arzt gibt Yokomae eine gute Figur ab und gestaltet die Szene mit großem Spielwitz. Als Notar tritt sie im zweiten Akt zunächst mit näselnder Stimme auf, hält dieses Spiel allerdings nicht durch und verfällt dann wieder in ihren mädchenhaften Sopran. Kato punktet als Dorabella mit wohl-timbriertem Mezzo und einer warmen Mittellage, der vor allem im berühmten Terzett "Soave sia il vento" unter die Haut geht. Auch im ersten Duett mit Shaked Bar als Fiordiligi, "Ah, guarda, sorella" überzeugt sie durch eine flexible Stimmführung. Dorabellas etwas leichtfertigere Art spielt sie glaubhaft aus, so dass es Meikle als Guglielmo weniger Überzeugungskraft abverlangt, die junge Frau zur Untreue zu verführen. Bar macht es als Fiordiligi Gonzalez da schon etwas schwerer. Leider kann sie die Widerstandskraft der Figur stimmlich nicht vollständig umsetzen. In ihrer großen Arie "Come soglio immoto resta" bereiten ihr die Oktavsprünge noch leichte Schwierigkeiten, und auch in ihrer großen Arie im zweiten Akt verfügt Bars frischer Sopran noch nicht über die notwendige Dramatik. Fabio Luisi führt das Orchestra Internazionale d'Italia mit sicherer Hand durch Mozarts leichtfüßig klingende Musik, wobei die Tempoabstimmungen mit den Solisten nicht immer ganz exakt sind. Darüber sieht man allerdings bei einer Workshop-Aufführung gerne hinweg, so dass alle Beteiligten am Ende mit großem Applaus bedacht werden.

FAZIT

Es ist auch einmal angenehm, Mozarts Così fan tutte in einer Inszenierung ohne kritische Hinterfragung des Endes zu sehen. Die jungen Nachwuchskünstler begeistern durch große Spielfreude und vielversprechende Stimmen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabio Luisi

Regie, Bühne und Kostüme
Juliette Deschamps

Licht
Marco Giusti

Chor
Ferdinando Sulla

 

Coro dell' Accademia del Belcanto
"Rodolfo Celletti"

Orchestra Internazionale d'Italia


Solisten

Fiordiligi
Shaked Bar

Dorabella
Nozomi Kato

Guglielmo
Laurence Meikle

Ferrando
Bryan Lopez Gonzalez

Despina
Nao Yokomae

Don Alfonso
Daniele Antonangeli


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