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42. Festival della Valle d' Itria

Martina Franca
14.07.2016 - 05.08.2016

 

Don Chisciotte della Mancia

Commedia per musica in drei Akten
Libretto von Giovanni Battista Lorenzi
Musik von Giovanni Paisiello

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause)

Premiere in Matera in der Masseria Fortificata San Francesco am 28. Juli 2016
(rezensierte Aufführung in Martina Franca in der Masseria Luco: 03.08.2016)

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Kampf der Handy-Sucht

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Ricordi (Festival della Valle d' Itria)

Vor 200 Jahren verstarb am 5. Juni Giovanni Paisiello. Da er in Roccaforzata bei Tarent geboren wurde und seine Opern heute sehr selten auf den Spielplänen zu finden sind, gab es für das Festival della Valle d' Itria in Martina Franca gleich zwei Gründe, seinen Werken größere Aufmerksamkeit als anderswo zu schenken. Im "Jubiläumsjahr" steht neben La grotta di Trofonio noch ein weiteres Stück von ihm auf dem Spielplan. Da sich außerdem Miguel de Cervantes' Tod in diesem Jahr zum 400. Mal jährt, ist die Wahl auf Don Chisciotte della Mancia gefallen, eine Opera buffa, die Paisiello 1769 im Alter von 29 Jahren für das Teatro di Fiorentini in Neapel komponierte. Als Veranstaltungsort hat man allerdings nicht den Innenhof des Palazzo Ducale gewählt, sondern eine Farm, die ein wenig außerhalb der Stadt ein traumhaftes Ambiente für groß angelegte Feierlichkeiten bietet. Mit einer kammermusikalischen Besetzung von sechs Musikern sind die Abenteuer des "Ritters von der traurigen Gestalt" in einer nahezu als intim zu bezeichnenden Atmosphäre zu erleben.

Paisiellos Librettist Giovanni Battista Lorenzi greift bei der Handlung nicht direkt auf die Kapitel 30 und 31 des zweiten Buches der spanischen Novelle zurück, sondern verwendet ein Libretto, das Apostolo Zeno und Pietro Pariati für Francesco Contis Oper Don Chisciotte in corte della Duchessa verfasst hatten, die 1719 in Wien uraufgeführt worden war. Allerdings umwerben bei Lorenzi nicht zwei verliebte Edelmänner die schöne Altisidora, sondern machen mit der Duchessa und der Contessa gleich zwei Damen den Hof. In die Welt dieser vier als Karikaturen angelegten Charaktere platzt nun Don Chisciotte mit seinem Knecht Sancio Panza auf seinem Feldzug zur Rettung der imaginären Dulcinea. Die Contessa, die Duchessa und ihre beiden Verehrer beschließen, sich einen Spaß mit Don Chisciotte zu erlauben, und gaukeln ihm vor, dass Dulcinea von der Zauberin Melissa entführt worden sei und nun von Don Chisciotte gerettet werden müsse. Die Contessa verkleidet sich als Zauberin, und ihr Dienstmädchen Carmosina schlüpft in die Rolle der Dulcinea, während Don Calafrone und Don Platone zwei bärtige Frauen mimen, die von der Zauberin mit einem Fluch beladen worden sind. Doch Don Chisciotte lässt sich sehr zur Freude der Gesellschaft nicht entmutigen und nimmt den Kampf gegen die angeblich übernatürlichen Mächte auf. In diesem Zusammenhang baut Lorenzi auch den berühmten Kampf gegen die Windmühlen ein, der in der Novelle eigentlich an einer ganz anderen Stelle vorkommt. Am Ende sind die Duchessa und die Contessa bereit, Don Calafrones und Don Platones Werben zu erhören, und Don Chisciotte bricht mit Sancio Panza zu neuen Abenteuern auf.

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Sancio Panza (Salvatore Grigoli, rechts) fährt Don Chisciotte (Dvid Ferri Durà, Mitte) zu neuen Abenteuern (im Hintergrund: Cristina Fanelli als Ricciardetta).

Davide Garattini Raimondi verlegt in seiner Inszenierung die Handlung in eine Klinik für psychisch Kranke. Don Chisciotte ist hier nicht der einzige Verrückte, wobei sich sein Wahnsinn aber doch von dem der anderen unterscheidet. Während er in einer anderen Welt lebt und den Rollstuhl, mit dem Sancio Panza ihn als Krankenpfleger zunächst über die Bühne schiebt, für sein Ross hält, mit dem er ausgerüstet mit einem Teppichklopfer neue Abenteuer zu bewältigen hat, leiden Don Calafrone und Don Platone ebenso wie die von ihnen verehrten Damen an einer Handy-Sucht, die Carmosina, Cardolella und Ricciardetta als Krankenpflegerinnen mit Verabreichung von Tabletten in den Griff zu bekommen versuchen. Die anfängliche Jagd, auf der sich die vier Adeligen zu Beginn des Stückes befinden, spielt sich folglich nicht in einem Wald ab, wozu die Masseria Luco ein geeignetes Ambiente abgegeben hätte, sondern findet nur in Computerspielen auf ihren Smartphones statt. Nico Franchini und Iosu Yeregui überzeichnen dabei die beiden Adeligen Don Calafrone und Don Platone mit witziger Mimik und Gestik, während sich Shiri Hershkovitz und Alessandra Della Croce als aufgemotzte It-Girls mit zahlreichen Selfies und exaltiertem Spiel über ihre beiden Verehrer lustig machen. Da haben die drei Dienstmädchen alle Hände voll zu tun, um diese illustre Gesellschaft ruhigzustellen. Der Auftritt Don Chisciottes wirkt dabei wie eine angenehme Abwechslung vom alltäglichen Wahnsinn. Mit großem Spielwitz jagt David Ferri Durà als Don Chisciotte in einer Fülle von übereinander getragenen Nachthemden weiße aufgeblasene Luftballonköpfe mit einem Teppichklopfer durch das Publikum, bevor er dann zur Pause auf einem als Bett hergerichteten Tisch schlafen gelegt wird. Noch in der Pause bleibt er in seiner Rolle und erschreckt die Zuschauer, die auf dem Weg zum Pausengetränk oder zur Toilette an ihm vorbeigehen.

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Don Chisciotte (David Ferri Durà, im Bett) träumt sich mit Hilfe der Duchessa (Alessandra Della Croce, links), Sancio Panza (Salvatore Grigoli) und Cardolella (Alessandra Torrani, rechts) in eine Fantasiewelt.

Nach der Pause tragen die Figuren fantasievolle Kostüme, die von Giada Masi aufwändig gestaltet sind, um Don Chisciotte in eine magische Traumwelt zu entführen, in der er nicht nur auf die von der Zauberin Melissa gefangen gehaltene Dulcinea trifft, sondern auch noch auf die als bärtige Damen verkleideten Edelmänner. Franchini wirkt in seinem Kostüm dabei wie eine Mischung aus Fred und Wilma Feuerstein, während Yeregui eine Barockperücke trägt und im Falsett erneut durch große Komik punktet. In diesem Teil kommt die Aufführung einem klassischen Ansatz am nächsten. Für den Kampf gegen die Windmühlen wird dann ein großer Sonnenschirm hinter einem Tisch aufgebaut, den Durà mit einem Schwert und hektischen Bewegungen bekämpft. Im Anschluss posiert Durà mit einem riesigen, weit ausgebreiteten Tuch auf dem Tisch, in das er am Ende eingewickelt wird. Das böse Spiel mit dem selbsternannten Ritter ist zu Ende, und er wird wieder zu Bett gebracht, wobei die anderen Figuren allerdings nicht nur in ihre alten Rollen schlüpfen, sondern nacheinander Don Chisciotte die zahlreichen Nachthemden ausziehen, selbst hineinschlüpfen und damit Don Chisciottes Wahn übernehmen. Wie in einer anderen Welt bewegen sie sich nun holzschnittartig über die Bühne und scheinen, ganz andere Probleme als ihre Handy-Sucht zu haben, nachdem sie - aus welchem Grund auch immer - den nackten Oberkörper und das Gesicht Don Chisciottes mit Farbe beschmiert haben.

Die sechs Musiker des Orchestra ICO della Magna Grecia di Taranto überzeugt unter der musikalischen Leitung von Ettore Papadia, der die Aufführung am Klavier begleitet, mit kammermusikalischem Klang. Leider gibt es stellenweise leichte Probleme mit den Abstimmungen der Tempi zwischen den Solisten und den Musikern, was wohl auf einen fehlenden möglichen Blickkontakt zum Dirigenten zurückzuführen ist. Durà punktet in der Titelpartie mit kräftigem Tenor, während Salvatore Grigoli als Sancia Panza mit beweglichem Buffo-Bass und großem Spielwitz begeistert. Yeregui verfügt als Don Platone über einen markanten Bariton, während Nico Franchini den Don Calafrone mit leichtem Spieltenor ausstattet. Witzig gelingt das Duell der beiden im dritten Akt, wenn sie mit verbundenen Augen um die Gunst der Contessa und der Duchessa kämpfen und Don Chisciotte als Schiedsrichter fungiert. Alessandra della Croce stattet die Duchessa mit warmem Sopran aus, und Shiri Hershkovitz begeistert in der anspruchsvollen Partie der Contessa mit beweglichen Koloraturen und strahlenden Höhen. Auch Rosa García Domínguez, Alessandra Torrani und Cristina Fanelli überzeugen als Dienstmädchen Carmosina, Cardolella und Ricciardetta mit großem Spielwitz. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Paisiellos Opera buffa ist ein netter Spaß, für den die Masseria Luco ein interessantes Ambiente bietet. Ob die Zuschauer bei den nach hinten leicht abschüssigen Reihen allzu viel vom Geschehen auf der Bühne sehen können, ist fraglich.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Ettore Papadia

Regie
Davide Garattini Raimondi

Kostüme
Giada Masi

 

Ensemble dell' Orchestra ICO
della Magna Grecia di Taranto


Solisten

Don Chisciotte
David Ferri Durà

Sancio Panza
Salvatore Grigoli

La Contessa
Shiri Hershkovitz

La Duchessa
Alessandra Della Croce

Don Calafrone
Nico Franchini

Don Platone
Iosu Yeregui

Carmosina
Rosa García Domínguez

Cardolella
Alessandra Torrani

Ricciardetta
Cristina Fanelli


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