Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Salzburger Pfingstfestspiele 13.05.2016 - 16.05.2016
West Side Story in englischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause) Premiere in der Felsenreitschule am 13. Mai 2016(rezensierte Aufführung am 15.05.2016) |
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Maria erinnert sich Von Thomas Molke / Fotos von Silvia Lelli Seit Cecilia Bartoli die künstlerische Leitung der Salzburger Pfingstfestspiele übernommen hat, hat sie das Programm so gestaltet, dass sie in jedem Jahr in mindestens einer Produktion die weibliche Hauptpartie übernehmen konnte. Etwas überrascht mag man folglich gewesen sein, als sie unter dem Festspielmotto "Romeo und Julia" den Musical-Klassiker West Side Story mit dem Hinweis angekündigt hat, die Partie der Maria zu interpretieren. Manch einer wird sich gefragt haben, ob Bartoli glaubhaft ein junges puertoricanisches Mädchen verkörpern könne. Doch Bartoli ist Realistin und Perfektionistin, was die Authentizität auf der Bühne betrifft, und so findet Phil WM. McKinley in seiner Inszenierung einen Ansatz, der Bartoli auch jetzt noch ermöglicht, in diese Rolle zu schlüpfen. So stellt er der eigentlichen Geschichte einen Prolog voran, in dem Maria 20 Jahre nach den Ereignissen des Stückes gezeigt wird. Sie hat mittlerweile ihre ganze Energie in Braut- und Partykleider gelegt, die sie in dem Brautmodengeschäft, das mittlerweile ihr gehört, entworfen hat. Auf dem Heimweg kommt sie an der Straße vorbei, in der einst Jets und Sharks um die Vormachtstellung gekämpft haben. Alte Graffitis an den Wänden wecken die Erinnerungen an die damalige Zeit, und Maria durchlebt die tragischen Ereignisse noch einmal. Dabei begegnet sie ihrem damaligen Selbst in Form der jungen Darstellerin Michelle Veintimilla. Die Dialoge werden dabei von Veintimilla gesprochen - manchmal zusammen mit Bartoli -, während Bartoli es sich natürlich nicht nehmen lässt, die Lieder selbst zu singen. Maria (Cecilia Bartoli) erinnert sich an den "Dance at the Gym". George Tsypin hat ein beeindruckendes Bühnenbild auf drei Ebenen entworfen, das die New Yorker West Side in einem schäbigen Licht erscheinen lässt. Hinter einer Wand mit Graffitis befinden sich auf der rechten Seite Marias Schlafzimmer im zweiten Stockwerk und das Brautmodengeschäft in der ersten Etage. Ganz rechts führt eine Feuertreppe zu Marias Zimmer hinauf, auf der Tony und Maria sich erstmals ihre Liebe gestehen. Auf der linken Seite befindet sich im Erdgeschoss Docs Drugstore, in dem Tony arbeitet und der den Jets als Treffpunkt dient. Interessant ist, dass auf der linken Seite der Name der Sharks und auf der rechten Seite der Name des Jets als Graffiti steht, obwohl die beiden Gangs eigentlich jeweils genau die andere Seite "beherrschen". Die Wände vor diesen drei Ebenen lassen sich nach oben oder unten bewegen, um somit den Blick auf die einzelnen Spielorte freizugeben und einen schnellen Szenenwechsel zu ermöglichen. In der Mitte können diese beiden Bühnenteile auch getrennt werden und geben einen Blick auf die tiefe Bühne frei, die dann genügend Platz für atemberaubende Tanzchoreographien bietet. Bemerkenswert ist, dass diese beiden Teile in einer Art Riss getrennt werden, der ebenfalls die Feindseligkeit der beiden Gangs unterstreicht. Im Hintergrund werden die Graffitis der vorderen Wand wieder aufgenommen. Dahinter befindet sich der Salzburger Bachchor als merkwürdige Schattengestalten. Sind es die Geister der Vergangenheit, die wie Maria I auf die damaligen Ereignisse zurückblicken? Liebesschwüre auf der Feuertreppe: Maria (Michelle Veintimilla) und Tony (Norman Reinhardt) Szenisch belässt McKinley das Stück in der Zeit, in der es spielt. Ann Hould-Ward stattet die Jets mit leuchtend grünen Jacken aus und kleidet die Sharks in leichtes Lila, so dass sich die beiden Gangs deutlich voneinander abheben. Auch die Mädchen der Jets und Sharks treffen in ihren Kostümen die damalige Zeit sehr gut. McKinley belässt nicht nur die Songs in englischer Sprache, sondern auch die Dialoge, was vielleicht bei fehlenden Übertiteln für den einen oder anderen Zuschauer zu leichten Verständnisschwierigkeiten führt. Dafür ermöglicht dieser Ansatz allerdings, die Gangs auch sprachlich zu charakterisieren. Großartig zu beobachten ist, wie Bartoli durch reine Bühnenpräsenz auch als stumme Beobachterin die Szene kommentiert. Während die Jets und Sharks im "Prologue" in einer beeindruckenden Choreographie von Liam Steel die Feindseligkeiten der beiden Gangs vor Augen führen, sieht man in Bartolis Augen die Bitterkeit, mit der sie diesen auf den Punkt choreographierten Kampf verfolgt. Gustavo Dudamel holt dabei mit dem Simón Bolivar Symphony Orchestra of Venezuela die geballte Sprengkraft der Musik mit differenziertem Dirigat heraus. "I Like to Be in America": Anita (Karen Olivo, dritte von links, mit den Girls der Sharks) Bei so viel jugendlicher Power, die von dem jungen Ensemble im folgenden "Jet Song" ausgeht, wirkt Norman Reinhardt als Tony beinahe schon ein bisschen zu alt. Wenn er Michelle Veintimilla als Maria zum ersten Mal beim Tanz im Club begegnet und sie später auf der Feuertreppe aufsucht, hat man im Zusammenspiel optisch das Gefühl, dass er auch ihr Vater sein könnte. Dafür lässt sein Gesang keine Wünsche offen. Mit jugendlichem Timbre interpretiert er mit sauberen, klaren Höhen Tonys Auftritts-Song "Something's Coming", und auch beim berühmten "Maria" versprüht er tenoralen Glanz, der den Altersunterschied zu der jungen Maria vergessen lässt. Im folgenden "Tonight" kommt dann auch Bartoli das erste Mal gesanglich zum Einsatz, wobei sie den Song ein bisschen zu schwer und opernhaft ansetzt, so dass man ihr stimmlich nicht die jugendliche Maria abnimmt. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht gewollt. Vielleicht singt sie die Lieder in ihrer Erinnerung noch einmal 20 Jahre später als mittlerweile reife Frau. Veintimilla macht jedenfalls in Bartolis Gesangsszenen als Statistin eine gute Figur. Bewegend gelingt die musikalische Introduktion zum "Dance at the Gym". Hier schwingt Bartoli energiegeladen, wie man sie kennt, das Tanzbein und scheint erstmals ihrer melancholischen Stimmung zu entkommen. Doch wenn dann die jungen Tänzerinnen und Tänzer auftreten, merkt sie plötzlich, dass sie da nicht mehr mithalten kann, und zieht sich leicht gebrochen wieder in den Hintergrund zurück. Riff (Dan Burton, links) und Bernardo (George Akram, rechts) beim fatalen Kampf (im Hintergrund: Jets und Sharks und Maria (Cecilia Bartoli) als stumme Beobachterin) Karen Olivo begeistert als Anita mit atemberaubendem Tanz und frechem Spiel. Mit großartiger Komik und forschem Auftreten macht sie deutlich, dass sie genau weiß, was sie will und sich nicht in die Rolle eines lateinamerikanischen Frauchens drängen lässt. Dies gelingt ihr vor allem im berühmten Song "America", in der sie den Sarkasmus nur so aufblitzen lässt, und im Zusammenspiel mit George Akram als Bernardo. Unter die Haut geht ihr Duett mit Bartoli, "A Boy Like That", in der sie Maria zunächst heftige Vorwürfe macht, da diese immer noch zu Tony steht, und sich dann von ihr doch überreden lässt, Tony vor Chino zu warnen. Wenn sie dann von den Jets in Docs Drugstore beinahe vergewaltigt wird, lässt sie ihrer Wut und ihrem Hass freien Lauf und führt die Katastrophe herbei, indem sie Tony die falsche Botschaft zukommen lässt, dass Chino Maria getötet habe. Wenn Tony dann verzweifelt die Konfrontation mit Chino sucht und völlig überraschend auf Maria trifft, trägt Maria II nun das gleiche Kleid wie Maria I. Mit Tonys Tod scheinen die beiden Marias nun allmählich zu einer Person zu verschmelzen. Die letzten Takte singt dann auch Veintimilla über Tonys Leiche, bevor sich alle mit Ausnahme von Bartoli von der Bühne zurückziehen. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Maria hat nun die Ereignisse noch einmal durchlebt und kommt zu der fatalen Erkenntnis, dass sie so nicht mehr weiterleben möchte. Bartoli steigt im Hintergrund eine Treppe zur Straßenbahn empor, und mit grellem Licht und quietschenden Bremsen wird angedeutet, dass sie sich vor den Zug geworfen hat. Dann sieht man Bartoli und Reinhardt im fahlen Bühnenlicht auf einem Steg im Hintergrund zu den letzten Takten der Musik aufeinander zugehen. Frieden und ewige Liebe können die beiden wie Romeo und Julia also auch nur im gemeinsamen Tod finden. Der Schluss geht wie die ganze Produktion unter die Haut, so dass es am Ende frenetischen Beifall und großen Jubel für alle Beteiligten gibt. FAZIT Cecilia Bartoli hat bewiesen, dass sie auch Bernsteins Maria glaubhaft verkörpern kann, wenn auch anders als mancher Zuschauer erwartet - oder vielleicht befürchtet - hatte. Diese großartige Inszenierung sollte man sich bei den Salzburger Festspielen im Sommer nicht entgehen lassen. (Termine: 21., 23., 25., 27. und 29. August 2016) Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2016 |
ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Choreographie Licht Sounddesign Choreinstudierung
Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela Salzburger Bachchor
Solisten
Maria I Tony Maria II Anita Bernardo Riff The Jets A-Rab Baby John Snowboy Big Deal Diesel Gee-Tar Mouthpiece Tiger Their Girls Graziella Velma Minnie Clarice Pauline Debbie Maxine Donna Tammy The Sharks Pepe Indio
Luis Anxious Nibbles Juano Toro Moose Their Girls Consuelo Francisca Teresita Estella Margarita Wanda Carmen Lucy The Adults
Schrank Krupke Glad Hand
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- Fine -