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So klingt America
Von Stefan Schmöe
Der aktuelle Schwerpunkt des Klavierfestival Ruhr "The Americas" fällt sicher nicht zufällig in das Jahr, in dem Philip Glass seinen 80. Geburtstag feiert. Die Ikone der Minimal Music ist nicht der erste Komponist, den das Festival (im 29. Jahr seines Bestehens) mit seinem (zum 20. Mal vergebenen) Preis ehrt - Vorgänger darin waren Pierre Boulez (2005) und Chick Corea (2006). Neben Glass werden Maki Namekawa und Dennis Russel Davies ausgezeichnet, die in den Jahren zuvor bereits 11mal bzw. 13mal aufgetreten sind, oft als Duo, und immer wieder mit Musik von Philip Glass. Dennis Russell Davies hat zudem als Dirigent viele wichtige Werke von Glass interpretiert, darunter legendäre Opernproduktionen wie Akhnaten und Sathyagraha an der Stuttgarter Oper. Umgekehrt hat Glass einige Werke für Namekawa und Davies geschrieben. Es ist daher eine nachvollziehbare Entscheidung, den (undotierten) Preis erstmals an mehrere Personen zu verleihen.
Von links: Dennis Russell Davies, Maki Namekawa, Philip Glass und Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr. Foto: Ursula Kaufmann
Die Preisverleihung selbst blieb ziemlich unspektakulär, schließlich sei man gekommen, so Festivalchef Franz Xaver Ohnesorg, um Musik zu hören. Philip Glass persönlich beginnt am Preisverleihungsabend mit Mad Rush, einer Komposition von 1978, ursprünglich für Orgel bestimmt und anlässlich eines Besuchs des Dalai Lama in New York - wegen des ungesicherten Zeitablaufs dieses Besuchs ist das Werk so angelegt, dass man es beliebig lang fortsetzen kann. Die meditative Musik basiert auf Dreiklangsbrechungen, in die gelegentlich ein Basston eingeflochten wird, minimal music in der für Glass nicht untypischen naiven Form. Ein besonders guter Konzertpianist ist der Jubilar nicht, die rhythmische Präzision hat gehörige Unschärfe. Glass' Spiel wirkt spontan, als setze sich jemand zum Spaß an den Flügel und spiele einfach so vor sich hin, und das hat natürlich gehörigen Charme, zumal der weiche und zarte Abschlag der Musik einen introvertierten Charakter verleiht. Mad Rush ist in seiner Entwicklungslosigkeit eine Musik, die das Zeitgefühl aufhebt, das in seinem Wohlfühlgestus auch verdeutlicht, warum die New-Age-Bewegung den Komponisten verehrte.
Danach spielen Maki Namekawa und Dennis Russell Davies die Four Movements for Two Pianos, die Glass als Auftragswerk für das Klavierfestival Ruhr 2008 komponiert hat und bei der kleine Melodien oder Motive stärkere Bedeutung haben als in Mad Rush. Namekawa und Davies sind versierte Glass-Interpreten, aber sie spielen keineswegs in perfekter Abstimmung. Namekawa ist brillanter, pointierter, Davies dagegen zurückhaltend und introvertierter, und bei den Akkorden, die sie synchron zu spielen haben, "klappert" es gelegentlich. Den authentischen Glass-Ton finden sie natürlich, auch nach der Pause gemeinsam mit dem Pianisten in einer (von Davies zusammengestellten) Suite aus der Tanzoper Les Enfannts Terribles, die Glass 2005 für ein "Orchester" aus drei Klavieren komponierte, wobei er hier immer wieder mit Melodien oder Melodiefragmenten spielt.
Amerikanischer Musik für zwei Klaviere hatten Maki Namekawa und Dennis Russel Davies schon am Abend zuvor präsentiert. Aaron Coplands Orchesterwerk El Salón México, entstanden zwischen 1932 und 1936, spielten die beiden in einer Fassung von Leonard Bernstein, wobei die puristische Interpretation alle volksmusikalischen Elemente, auf denen die Komposition basiert, an den Rand drängt. Namekawa baut neckische Verzögerungen ein, die immer wieder überraschen. Dadurch verschiebt sich der Charakter des Werkes, das alles Gefällige hier wenn auch nicht ganz ablegt, so doch minimiert. Leonard Bernsteins frühe Music for two Pianos geriet da authentischer, vor allem aber die Sonata for two Pianos von William Bolcom, die Einflüsse von Bolcoms Lehrer Olivier Messiaen aufblitzen lässt, aber durchaus organisch plötzlich zu liedhaften Einschüben umschlägt und deren Farbigkeit das Duo prägnant herausarbeitet.
Die brave, der Folkmusik nahe Celtic Suite for Two Pianos von Henry Cowell ist ein gefälliges Intermezzo. Ungleich gewichtiger erklingt die Hallelujah Junction für zwei Klaviere von John Adams aus dem Jahr 1966. Der Titel spielt auf eine Raststätte an der Grenze von Kalifornien und Nevada an; Adams lässt Motive zwischen den beiden Klavieren hin und her springen; die Musik wechselt dabei immer wieder den Charakter. Die wie automatisierte Präzision mancher Abschnitte lösen Namekawa und Davies nicht ein, ihr Spiel behält immer ein subjektives Element, etwas "spielerisches". Die Interpretation hat Kraft und Energie. Zum Ausgleich für das Publikum, aber auch die Interpreten, so Davies, war die Zugabe dann betont ruhig: Lonely Town aus dem Musical On the Town von Leonard Bernstein.
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Klavierfestival Ruhr 2017 Essen, Zeche Zollverein Theatersaal 11. und 12. Juli 2017 AusführendeMaki NamekawaDennis Russell Davies Philip Glass Programm11. Juni 2017:Aaron Copland: El Salon México (Fassung für zwei Klaviere von Leonard Bernstein) Leonard Bernstein: Music for Two Pianos Wiliam Bolcom: Sonata for Two Pianos (in one Movement) Henry Cowell: Celtic Set for Two Pianos John Adams: Hallelujah Junction for Two Pianos Zugabe: Leonard Bernstein: Lonely Town aus On the Town Maki Namekawa und Dennis Russell Davies an zwei Klavieren 12. Juli 2017: Philip Glass: Mad Rush für Klavier Philip Glass, Klavier For Movements for Two Pianos für Klavier Maki Namekawa und Dennis Russell Davies an zwei Klavieren Suite aus Les Enfants Terriblles für drei Klaviere zusammengestellt von Dennis Russel Davies Philip Glass, Maki Namekawa und Dennis Russell Davies an drei Klavieren
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