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Neuburger Kammeroper
22.07.2017 - 30.07.2017


Arzt wider Willen (Il medico a suo dispetto, ossia La muta per amore)

Farsa in einem Akt
Libretto von Giuseppe Maria Foppa
für die Neuburger Kammeroper übersetzt und bearbeitet von Annette und Horst Vladar
Musik von Francesco Gardi

Alles verhext?!
(L'incantesimo senza magia)

Farsa in einem Akt
Libretto von Giuseppe Maria Foppa (1760 - 1845)
für die Neuburger Kammeroper übersetzt und bearbeitet von Annette und Horst Vladar
Musik von Francesco Gardi

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 50' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater am 22. Juli 2017
(rezensierte Aufführung: 23.07.2017)

 


 

 

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Zwei kurzweilige Einakter in klassischem Gewand

Von Thomas Molke / Fotos: © Ralph Pauli (Neuburger Kammeroper)

Francesco Gardi gehört zu einer Reihe von Komponisten des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, der zwar zu seinen Lebzeiten in Norditalien sowohl mit komischen als auch mit ernsten Opern große Erfolge verbuchen konnte, heute jedoch wie so viele seiner Zeitgenossen dem Vergessen anheim gefallen ist. Belegt sind mindestens 26 Werke, von denen die meisten in Venedig uraufgeführt wurden und von dort schnelle Verbreitung fanden. Weniger unbekannt ist hingegen Giuseppe Maria Foppa, der zahlreiche Libretti für Gardis einaktige komische Opern, die sogenannten Farse, schrieb, die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreuten. Auch Rossini, für den Foppa die Libretti zu La scala di seta, L'inganno felice und Il signor Bruschino verfasste, startete seine Karriere mit insgesamt fünf solcher Einakter in Venedig. Der künstlerische Leiter der Neuburger Kammeroper Horst Vladar hat in diesem Jahr gemeinsam mit seiner Frau Annette Vladar in den Archiven zwei komische Einakter von Gardi aufgespürt, übersetzt und für die Gegebenheiten der Kammeroper eingerichtet. Beide erlebten 1800 in Venedig ihre Uraufführung, allerdings nicht im gleichen Theater. Während Il medico a suo dispetto (Arzt wider Willen) am Teatro San Angelo uraufgeführt wurde, kam L'incantesimo senza magia (Alles verhext?!) am Teatro San Moisè heraus.

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Tarabara (Joachim Herrmann) hat Streit mit seiner Frau Armellina (Laura Faig)

Für die Präsentation der beiden Stücke wird die zeitliche Reihenfolge der Uraufführung gewählt. So beginnt der Abend mit der am 15. Juli 1800 uraufgeführten Farsa Il medico a suo dispetto, ossia La muta per amore. Die Handlung ist recht verworren und enthält einige Logiklöcher. Der Kräutersammler Tarabara ist ein recht unangenehmer und fauler Zeitgenosse, der im Dauerstreit mit seiner Frau Armellina lebt und sie auch schlägt. Für die ständigen Hiebe will sich Armellina rächen und ersinnt einen Plan. Dem alten Luca, der auf der Suche nach einem Arzt ist, weil seine Tochter Fiorina plötzlich stumm geworden ist, redet sie ein, dass Tarabara ein Wunderheiler ist, der sein Handwerk allerdings aus Faulheit verschweigt. Nur unter einer gehörigen Tracht Prügel werde er zugeben, dass er Doktor sei, und seine Bereitschaft erklären, die Tochter zu heilen. Also lässt Luca mit seinem Diener Finocchio Tarabara verprügeln, der daraufhin als vermeintlicher Arzt zu Fiorina gebracht wird. Diese ist allerdings nicht wirklich stumm, sondern protestiert damit eigentlich gegen ihren Vater, der sie gegen ihren Willen mit einem reichen Geschäftsfreund verheiraten will, obwohl sie den jungen Giocondo liebt. Als sie erkennt, dass Tarabara gar kein Doktor ist, weiht sie ihn in ihr Geheimnis ein. Giocondo taucht dann als zweiter angeblicher Arzt bei Luca auf und mit allerlei falschem Zauber gelingt es ihm mit Tarabara, die Tochter zu "heilen". Da Luca jedoch immer noch eine Heirat seiner Tochter mit Giocondo ablehnt, plant dieser eine heimliche Entführung seiner Geliebten. Im allgemeinen Wirrwarr finden dann auch noch Tarabara und Armellina wieder zueinander und Luca gibt am Ende aus unerklärlichen Gründen Fiorina und Giocondo doch noch seinen Segen.

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Als angebliche Ärzte "heilen" Tarabara (Joachim Herrmann, rechts) und Giocondo (Semjon Gulinsky, vorne links), Lucas (Horst Vladar, hinten links) Tochter Fiorina (Denise Felsecker).

Wie schon 2013 und 2015 inszeniert Vladar nicht beide Einakter, sondern hat die Regie der ersten Oper an Michael Hoffmann abgetreten, der der Neuburger Kammeroper schon seit 1994 als Buffo-Bariton verbunden ist. Michele Lorenzini hat ein pittoreskes Bühnenbild entworfen, das im ersten Teil eine Straße mit mehreren Bögen im Hintergrund zeigt. Hier hat Tarabara seinen Laden und streitet mit seiner Frau. Nach einer kurzen Umbaupause wird dann der Blick auf einen geräumigen, liebevoll eingerichteten Raum frei, in dem Tarabara und Giocondo Fiorina von ihrem seltsamen Leiden heilen sollen. Auch die Kostüme sind traditionell gehalten und unterstreichen, dass man hier in Neuburg nicht mit modernen Regie-Mätzchen zu rechnen hat. Hoffmann vertraut in seiner Personenregie ganz dem Stück und lässt die Solisten eine kurzweilige Komödie spielen, die in keinem Moment langweilig wird, auch wenn man am Ende nicht ganz versteht, wieso Luca schließlich doch noch bereit ist, Giocondo als seinen zukünftigen Schwiegersohn zu akzeptieren, oder wieso sich Armellina nach der Behandlung durch ihren Gatten trotzdem um ihn sorgt und die beiden sich wieder versöhnen. Sieht man über diese kleinen dramaturgischen Unstimmigkeiten hinweg, lässt der Abend keine Wünsche offen. Denise Felsecker begeistert als Fiorina mit kräftigem Mezzosopran und keckem Spiel. Semjon Bulinsky überzeugt als ihr Geliebter Giocondo mit lyrischem Tenor und großem Spielwitz, wenn er in die Rolle des angeblichen zweiten Arztes schlüpft. Aufhorchen lässt auch Wilfried Michl als Diener Finocchio. Laura Faig gibt die gepeinigte Ehefrau Armellina mit schlankem Sopran und frischem Spiel. Joachim Herrmann überzeugt als Tarabara mit komischem Spiel. Dass er seine Frau schlägt, nimmt man ihm allerdings nicht wirklich ab. Horst Vladar ist als Vater Luca wie immer eine solide Größe im Ensemble. Das Orchester des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. bringt unter der Leitung von Alois Rottenaicher Gardis Musik, die Singspielcharakter hat, mit großer Frische aus dem Orchestergraben.

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Avorio (Michael Hoffmann, zweiter von rechts) will sein Mündel Corinna (Laura Faig) mit Don Tirante (Joachim Herrmann, rechts) verheiraten. Ernesto (Semjon Bulinsky, links) versucht, das zu verhindern.

Die zweite Farsa Alles verhext?!  wurde am 9. Dezember 1800 unter dem Titel L'incantesimo senza magia uraufgeführt und ist in ihrem dramaturgischen Ablauf nachvollziehbarer gestaltet als das erste Stück. Avorio möchte sein Mündel Corinna mit dem eitlen, nicht sonderlich intelligenten Don Tirante verheiraten, da dieser bereit ist, auf eine Mitgift zu verzichten. Doch Corinna liebt heimlich Ernesto, mit dem sie einen Plan entwirft, wie sie den für sie bestimmten Ehemann wieder aus dem Haus treiben kann. Gemeinsam mit dem Dienerpaar Dorina und Lumino schlüpfen die beiden in unterschiedliche Rollen, um Don Tirante glauben zu lassen, dass es in dem Haus spukt. Zunächst tritt Corinna ihrem Zukünftigen als Lucidora entgegen, die vorgibt, leidenschaftlich in Don Tirante verliebt zu sein, und ihm deshalb androht, ihn umzubringen, sollte er einer anderen Frau sein Herz schenken. Dann umgarnt ihn Dorina als heißblütige Radiosa, wird aber dabei von Lumino als bedrohlichem Kapitän Flaghello unterbrochen, der Don Tirante androht, ihn zu töten, sollte er nicht sofort die befleckte Ehre seiner "Schwester" Radiosa durch eine Heirat retten. Ernesto rettet Don Tirante aus dieser misslichen Situation und gibt vor, sein alter Freund Polpettino zu sein, an den sich Don Tirante zwar nicht mehr erinnern kann, dem er aber in diesem ganzen Übel allzu gerne vertraut. Als Don Tirante den ganzen Personen erneut in Avorios Haus begegnet, ist für ihn klar, dass er Corinna nicht mehr heiraten möchte, und er flieht aus der Stadt. Avorio akzeptiert Ernesto als Gatten für Corinna, da dieser ebenfalls keinen Wert auf die Mitgift legt, und auch Dorina und Lumino werden ein Paar.

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Dorina (Denise Felsecker) und Lumino (Wilfried Michl, rechts) treiben Schabernack mit Don Tirante (Joachim Herrmann, Mitte).

Da das Stück einige Szenenwechsel hat, hat der Regisseur Horst Vladar sechs Zanni eingeführt, die zum Ende der Pause mit Theatermasken durch den Zuschauerraum laufen und dann mit großem Witz zwischen den einzelnen Szenen die Umbauten gestalten. Mit relativ einfachen Mitteln und einer Projektion im Hintergrund entstehen dabei schön anzusehende Bühnenbilder, die zu Beginn eine Szene auf der Straße an einem Straßencafé zeigen, dann das Zimmer, in dem Don Tirante in der Stadt untergebracht ist, schließlich das Haus des Avorio und zum Schluss eine weitere Straße, an der die Geschichte nach Don Tirantes Flucht zu einem glücklichen Ende kommt. Auch hier hat Bühnenbildner Michele Lorenzini wieder hervorragende Arbeit geleistet und mit relativ einfachen Mitteln beeindruckende Bilder erzeugt. Die Solisten glänzen durch komische Höchstleistungen. Da ist zunächst einmal Joachim Herrmann zu nennen, der als Don Tirante in hohen Schuhen und Hochwasserhosen wie ein spanischer Grande über die Bühne stakst und dabei eine herrlich schräge Figur abgibt. Diesen Charakter nimmt man ihm wesentlich mehr ab als den Kräutersammler im ersten Teil. Denise Felsecker und Wilfried Michl begeistern als Dienerpaar Dorina und Lumino, die dem klassischen Buffo-Paar der damaligen Zeit entsprechen. Felsecker lässt als heißblütige Radiosa ihre Reize spielen und spricht mit lasziver dunkler Stimme, während sie musikalisch die Verführungskünste einer Carmen an den Tag legt. Michl gibt sich als angeblicher Kapitän Flaghello absolut bedrohlich und genießt wie Felsecker das komische Spiel. Auch stimmlich harmonieren die beiden sehr gut miteinander. Laura Faig gibt das schöne Mündel Corinna mit mädchenhaftem Sopran und großem Spielwitz. Semjon Bulinsky überzeugt als Ernesto, der gemeinsam mit Corinna das ganze Spiel geplant hat. Michael Hoffmann hat als Vormund Avorio in diesem Stück zwar nur eine kleine Rolle, kann aber dennoch mit der ihm eigenen Bühnenpräsenz und Komik punkten. Rottenaicher arbeitet mit dem Orchester die Leichtigkeit der Musik erneut wunderbar heraus. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Horst und Annette Vladar haben einmal wieder zwei Operneinakter ausgegraben, die beste Unterhaltung bieten. Wer Inszenierungen ohne entfremdende Regie-Effekte genießen will, ist in der Neuburger Kammeroper bestens aufgehoben, zumal man auch musikalisch Stücke geboten bekommt, die es in der Regel nicht einmal als CD-Aufnahme gibt. 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher

Bühnenbild
Michele Lorenzini

 

Orchester des Akademischen
Orchesterverbandes München e. V.


Arzt wider Willen

Inszenierung
Michael Hoffmann

Solisten

Tarabara, Kräutersammler
Joachim Herrmann

Armellina, seine Frau
Laura Faig

Fiorina, junges Mädchen
Denise Felsecker

Giocondo, ihr Geliebter
Semjon Bulinsky

Luca, ihr Vater
Horst Vladar

Finocchio, Diener bei Luca
Wilfried Michl

Seine Freunde
Manfred Basel
Reinhard Geißler

 

Alles verhext?!

Inszenierung
Horst Vladar

Solisten

Avorio, Vormund
Michael Hoffmann

Corinna, sein Mündel
Laura Faig

Don Tirante, ihr geplanter Ehemann
Joachim Herrmann

Ernesto, ihr Geliebter
Semjon Bulinsky

Dorina, Dienerin bei Corinna
Denise Felsecker

Lumino, Diener bei Avorio
Wilfried Michl

Zanni
Manfred Basel
Wolfgang Brunner
Petra Gauss-Nikel
Reiner Geißler
Dirk Lay
Evelyn Mayer


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