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Salzburger Pfingstfestspiele 02.06.2017 - 05.06.2017
La Sylphide Aufführungsdauer: ca. 1 h 45' (eine Pause) Aufführung im Großen Festspielhaus am 3. Juni 2017 |
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Ein Traum von Spitze Von Thomas Molke / Fotos: © Natasha Razina (State Academic Mariinsky Theatre) Auch wenn die meisten den klassischen Spitzentanz heute mit Tschaikowskys Schwanensee verbinden dürften, ist es ein anderes Werk, das fast 50 Jahre früher diesen Tanzstil für das Handlungsballett etabliert hat und auch heute noch in den Hochburgen des Spitzentanzes zum Repertoire gehört. Die Rede ist von La Sylphide, kreiert in der Blütezeit der Grand Opéra, als das Ballett einen festen Bestandteil in der Pariser Oper hatte. So war es der berühmte Tenor Adolphe Nourrit, der während der Probenarbeit zu Giacomo Meyerbeers Robert le diable ein Ballettlibretto für Marie Taglioni verfasste. Eigentlich arbeitete er gerade mit ihr an einer Szene der Meyerbeer-Oper, in der Gesang und Tanz eng miteinander verbunden werden sollten und die ihr Vater Filippo Taglioni choreographierte. Vier Monate nach der Uraufführung von Robert le diable kam dann La Sylphide zur Uraufführung und sollte die Ballettwelt revolutionieren. Der Spitzentanz diente hier nämlich nicht nur einer kunstvollen Ästhetik, sondern sollte die Elfenwelt vom bunten Treiben des einfachen Volkes abheben. Der Erfolg des am 12. März 1832 in Paris uraufgeführten Balletts verbreitete sich schnell über ganz Europa. Auch in Kopenhagen wollte man 1836 La Sylphide spielen, verfügte jedoch nicht über die finanziellen Mittel, die Rechte an Jean Schneitzhoeffers Musik zu erwerben. So erarbeitete August Bournonville gemeinsam mit dem Komponisten Herman Severin Løvenskiold eine neue Fassung. Während die Originalchoreographie von Filippo Taglioni heute als verloren gilt, blieb die Bournonville-Fassung im Repertoire. Auch das Mariinski-Theater orientiert sich an dieser Version, die Elsa Marianne von Rosen 1975 für das damalige Maly Theater einstudierte und die 1981 an das Mariinski-Theater (damals noch Kirow-Theater) wechselte, wo sie bis heute auf dem Spielplan des Hauses steht. Sylphide (Olesya Novikova) erscheint dem jungen James (Philipp Stepin). Erzählt wird die Geschichte des jungen Schotten James, dem am Vorabend zu seiner Hochzeit mit Effie ein Luftgeist, eine geflügelte Sylphide, erscheint, die sich in ihn verliebt hat. James ist von diesem unnahbaren Wesen fasziniert, lässt die Hochzeit platzen und folgt ihr in ihr magisches Reich in den Wald. Dort lebt sie mit zahlreichen Gefährtinnen. Doch die Liebe zwischen James und Sylphide steht unter keinem guten Stern. Die Hexe Madge, die James auf den Hochzeitsfeierlichkeiten im Dorf beleidigt hat, will sich an ihm rächen und erschafft gemeinsam mit ihren Hexenkolleginnen einen verzauberten Schal, der zwar unwiderstehlich schön, dabei aber auch todbringend ist. Als James im Wald Trübsal bläst, da Sylphide mit den anderen Luftgeistern mal wieder entschwunden ist, bietet Madge ihm Hilfe an und zeigt ihm den Schal. Sie versichert ihm, dass Sylphide ihn nie mehr verlassen werde, wenn er ihr diesen Schal um die Schultern lege. James ist sofort begeistert und will Sylphide den Schal schenken. Diese ist zunächst skeptisch, erliegt dann aber doch der Schönheit des Schals und lässt ihn sich von James umlegen. Sofort wirkt der grausame Zauber. Sylphide verliert ihre Flügel und sinkt nach einem qualvollen Todeskampf leblos zu James' Füßen. Ihre Gefährtinnen erscheinen und tragen die tote Sylphide über die Baumwipfel davon. James ist verzweifelt. Aus der Stadt dringt fröhliche Musik, die verkündet, dass Effie einen anderen Mann geheiratet hat. James will die Hexe zur Rechenschaft ziehen, unterliegt ihr jedoch im Kampf. Triumphierend lässt sie ihn einen letzten Blick auf die entschwindenden Luftgeister werfen, bevor er leblos zu Boden sinkt. James (Philipp Stepin, Mitte) soll eigentlich Effie heiraten. Das Ballett des Mariinski-Theaters fängt nicht nur mit traumhaftem Spitzentanz die romantische Geschichte absolut märchenhaft ein, sondern unterstreicht auch mit pittoresken Bildern von Vyacheslav Okunev und wunderbaren Kostümen von Irina Press, dass man in Zeiten des modernen Regietheaters auch erwachsene Theaterbesucher mit einer durch und durch märchenhaften Inszenierung ohne jedwede Mätzchen fesseln kann. Wahrscheinlich haben allerdings auch Besucher, die derartige Aufführungen als Kitsch betrachten, das Festspielhaus an diesem Abend gemieden. Schon in der Ouvertüre, in der das Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Valery Oksyanikov die unterschiedlichen Stimmungen emotionsgeladen herausarbeitet, wird der Blick auf einen zauberhaften Prospekt frei, der ein einsames Haus in einer verwunschenen Waldlandschaft zeigt. Vor dem Haus erkennt man einen Mann, der wohl James darstellen soll. Der düstere Klang der Musik nimmt hier schon das tragische Ende vorweg. James hat seine geliebte Sylphide verloren. Über den Baumwipfeln auf der rechten Seite sind geflügelte Wesen angedeutet. Das sind wohl die entschwindenden Sylphen. Von diesem Prospekt geht es in einen großen Saal über, der mit wenigen detailliert ausgewählten Requisiten den Tänzerinnen und Tänzern einerseits viel Platz für die Ensembles gibt, andererseits auch traumhafte Auf- und Abgänge für Sylphide ermöglicht. So befindet sich im Hintergrund ein Kamin, durch den sie nach der ersten Begegnung mit James nach oben entschwindet, was beim Publikum für leichtes Schmunzeln sorgt. Auch ihr zweiter Auftritt durch das Fenster wird beeindruckend in Szene gesetzt. Vor der Fensterbank ist ein kaum sichtbares höhenverstellbares Podest angebracht, auf dem Sylphide auf Spitze gewissermaßen von der Fensterbank herab ins Zimmer schwebt. Die Sylphen (Ensemble) im Wald Besonders deutlich werden im ersten Akt auch die unterschiedlichen Welten der Figuren in der Tanzsprache herausgearbeitet. Während Olesya Novikova in der Titelrolle auf Spitze lautlos über den Boden zu schweben scheint, präsentieren sich die Schotten in ihren folkloristischen Kostümen wesentlich volkstümlicher. Mit gut verständlicher Pantomime wird die Geschichte erzählt. Da sieht man Gurn, der verzweifelt um Effie wirbt, die ihr Herz jedoch James geschenkt hat. Da nützt es auch nichts, dass Gurn als einziger allen von dem geflügelten Wesen erzählt, dass er gesehen hat. Erst als James am Ende des ersten Aktes verschwunden ist, schenkt man ihm Glauben. Großartig gelingt auch Igor Kolbs erster Auftritt als Hexe. So wie Sylphide zuvor im Kamin verschwunden ist, scheint auch die Hexe Madge aus dem Kamin aufzutauchen. Mit nahezu animalischen Bewegungen schiebt sich Kolb bedrohlich über die Bühne. Da verwundert es schon, dass scheinbar nur James dieser Person misstraut. Merkwürdig ist, dass das Programmheft die Darstellerinnen und Darsteller von Effie, Gurn und James' Mutter nicht namentlich erwähnt, da sie doch eigentlich auch einen solistischen Part in der Geschichte haben. Madge (Igor Kolb) triumphiert über James (Philipp Stepin). Für den zweiten Akt hat Okunev dann eine pittoreske Waldlandschaft entworfen, die im ersten Teil bei den Hexen mit einem dicken, knorrigen Baum etwas Unheimliches hat. Mit Liebe zum Detail wird dann von den Hexen der verzauberte Schal hergestellt. Wenn die Hexen Holzscheite herbeischaffen, deutet nicht nur rotes Licht das Feuer an, das den Kessel erhitzt, sondern im Anschluss steigt auch Qualm aus dem Kessel auf, was die Illusion perfekt macht. Der Schal sieht dann aus wie ein normaler Hochzeitsschleier, passt also farblich genau zur weiß gekleideten Sylphide, was glaubhaft macht, wieso Sylphide dem Zauber erliegt. Neben wunderbaren Ensembles der Luftgeister auf Spitze gibt es auch zwischen Novikova und Philipp Stepin als James im zweiten Teil ein großartiges Pas de deux, in dem sich Sylphide und James ihre Liebe versichern. Stepin begeistert im zweiten Teil auch noch durch großartige Sprünge mit doppelter Drehung. Wieso James im zweiten Akt eigentlich der Hexe vertraut, erschließt sich zwar nicht, kann jedoch den tänzerischen Genuss nicht trüben. Wenn Sylphide von dem verzauberten Schal getötet wird, geht Novikovas bewegende Darstellung unter die Haut. Einen großartigen Schlagabtausch liefern sich am Ende noch einmal Stepin und Kolb, wobei Kolb am Ende mit boshafter Siegespose triumphiert. Das Mozarteumorchester Salzburg begleitet die eindringlich erzählte Geschichte mit nahezu perfektem Klang, so dass es am Ende frenetischen Jubel für alle Beteiligten gibt. FAZIT Wer klassischen Spitzentanz liebt, kommt bei dieser Produktion voll auf seine Kosten. Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2017 |
ProduktionsteamMusikalische Leitung Bühne Kostüme
Mozarteumorchester Salzburg Ballett des Mariinski-Theaters, Sankt Petersburg
Solisten
Sylphide James Madge
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