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33. Stockstädter Blockflötenfesttage 2017



26. - 28. Mai 2017

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Stockstädter Blockflötenfesttage
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Festival im Umbruch

Von Dr. Ingo Negwer

Am Wochenende nach Christi Himmelfahrt pilgerten wieder Blockflötenenthusiasten und Alte-Musik-Fans nach Stockstadt am Rhein, wo die Blockflötenfesttage ihre 33. Auflage erlebten. Seit Eva und Wilhelm Becker 1985 die Blockflötentage in Darmstadt ins Leben riefen, hat sich das Ehepaar um die Alte Musik, speziell um die künstlerische Bedeutung der Blockflöte ganz besonders verdient gemacht. 2015 wurde ihnen dafür das Bundesverdienstkreuz verliehen. Nach Zwischenstation in Rüsselsheim findet das Festival seit 1997 in Stockstadt statt. International renommierte Künstlerinnen und Künstler präsentieren sich in der Altrheinhalle, einer Sport- und Mehrzweckhalle, in ungezwungener, quasi familiärer Atmosphäre einem aufmerksamen Publikum.

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Dmitri Sinkovski, Vittorio Ghielmi, Dorothee Oberlinger (v.l.n.r.), verdeckt am Cembalo: Peter Kofler.

Allmählich zeichnet sich in der Festivalleitung ein Stabwechsel ab. So organisierte im vergangenen Jahr erstmals die Firma Mollenhauer die Stockstädter Blockflötentage. Auch die diesjährigen Vorbereitungen oblagen zunächst den traditionsreichen Blockflötenbauern aus Fulda. Kurzfristig und für viele sicherlich überraschend übernahmen eine Woche vor dem Festivalauftakt Silke und Joachim Kunath die Organisation und Durchführung. Die künstlerische Leitung liegt nach wie vor in den Händen von Wilhelm Becker, nun in Zusammenarbeit mit dem Blockflötisten Maurice Steger.

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Albin Paulus, Fiorenza de Donatis, Diego Mecca, Alessandro Palmeri, Bret Simmer (v.l.n.r.), verdeckt am Cembalo: Flóra Fábri.

Am Freitagabend widmeten Dorothee Oberlinger & Freunde - das sind Dmitri Sinkovski (Barockvioline), Vittorio Ghielmi (Viola da Gamba) und Peter Kofler (Cembalo) - ihr Konzert Georg Philipp Telemann, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 250. Mal jährt. Vier exzellente Solisten und Virtuosen, im gemeinsamen Musizieren verbunden, hielten ein wunderbares Plädoyer für den lange Zeit als "Vielschreiber" verpönten Meister, dessen Kammermusik eine nie versiegende Quelle des Einfallsreichtums ist. Stellvertretend sei nur das filigran interpretierte Duo B-Dur für Blockflöte und Violine aus dem Getreuen Musikmeister genannt, das Oberlinger und Sinkovski mit einem unbeschwerten Kehraus ausklingen ließen, in dessen Dorfmusikcharakter sich Telemanns humoristische Seite zeigte. Auch solistisch setzten Dorothee Oberlinger mit der Fantasie Nr. 8 e-Moll, Vittorio Ghielmi (Fantasie g-Moll) und Peter Kofler (Fantasie Nr. 5 F-Dur) Maßstäbe. Italienische Kontraste boten Antonio Vivaldis Arie "Sol da te mio dolce amore" aus der Oper i>Orlando furioso, von Dmitri Sinkovski mit weichem, lyrischem Countertenor gesungen, sowie die populäre Follia aus Vivaldis Opus 1, mit dem das Ensemble sein Programm temperamentvoll beendete.

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Johanna Seitz, Axel Wolf, Wiebke Weidanz, Stefan Temmingh, Domen Marincic (v.l.n.r.)

Die Accademia dell'Arcadia lotete die Grenzregionen der Blockflöte am Übergang zur Klassik und Romantik aus. Neben eher typischen (spät-)barocken Repertoirewerken von Carl Philipp Emanuel Bach oder Johann Friedrich Fasch brachte das Ensemble um die Blockflötistin Sabrina Frey Raritäten aus der Zeit um 1800 zu Gehör, etwa das Concertino von Angelus Anton Eisenmann für Sopranino und Streichquartett, leichte musikalische Kost für den Salon, bei der man gerne eine Tasse Kaffee und ein Stück Sahnetorte genießen möchte. Auch Anton Heberles Blockflötenkonzert atmete ganz den Geist der frühen, unbeschwerten Wiener Klassik. Die größte Aufmerksamkeit zog jedoch das Konzert für Maultrommel, Streicher und Cembalo von Johann Georg Albrechtsberger auf sich. Zum Ereignis wurde das Konzert vor allem durch den Solisten Albin Paulus an den Maultrommeln.

Vokalmusik war und ist eine nie versiegende Inspirationsquelle für Virtuosen, die das Publikum mit ihren Variationen über bekannte Melodien in Erstaunen und Verzückung versetzen wollen. Stefan Temmingh, begleitet von The Gentleman's Band, bot in der Altrheinhalle eine Auswahl vornehmlich englischer und italienischer Kompositionen der Renaissance und des Barock, die vom Gesang beseelt - "Inspired by Song" - sind. Die Inspirationen lieferte Dorothee Mields, deren berückend flexibler und farbenreicher Sopran etwa für Johann Dowlands "Flow my Tears" geradezu wie geschaffen zu sein scheint. Mit gänzlich zurückgenommener Stimme, verloren und traurig, sang sie, von Axel Wolf auf der Laute begleitet, die melancholische Weise, ehe Stefan Temmingh, den Grundton aufgreifend, Johann Schops Lachrimae Pavan spielte. Ähnlich tiefgründig gestalteten Mields und Temmingh Henry Purcells Klage "O let me weep" aus The Fairy Queen. Einen Vogelstimmen imitierenden Zwiegesang ließen die beiden Solisten in Händels Arie "Sweet Bird" aus L'Allegro, il Penseroso ed il Moderato erklingen. Wie reich an Klangfarben die Blockflöte sein kann, demonstrierte Stefan Temmingh mit Jacob van Eycks Engels Nachtegaeltje. Man glaubte zeitweise, nicht nur eine, sondern gleich eine ganze Schar englischer Nachtigallen auf der Bühne schlagen zu hören.

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Maurice Steger, Philippe Grisvard, Hille Perl, Daniele Caminiti (v.l.n.r.)

Maurice Steger & Freunde schlossen am Sonntagnachmittag den Konzertreigen mit italienischen Blockflötenwerken des Barock. "Souvenirs" war das Programm genannt, ein Titel, der sich erst mit Blick auf Stegers jüngste CD "Souvenirs d'Italie" erschließt. Aus dieser Aufnahme waren zwei Sonaten von Nicolò Fiorenza, Giovanni Antonio Piani sowie die Cantata per flauto e basso von Johann Adolph Hasse in der Altrheinhalle live zu hören. Insbesondere Hasses Cantata D-Dur ist ein hochvirtuoses Bravourstück, das Maurice Steger geradezu auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Alessandro Scarlattis Toccata und Fuge IV, mit Witz und Spielfreude von Philipp Grisvard dem Cembalo entlockt, sowie kleinere Werke von Andrea Falconieri rundeten das Programm ab. Die Gambistin Hille Perl steuerte mit zwei Sätzen von Jean-Baptiste-Antoine Forqueray ein französisches Intermezzo bei. Leider hatten sie und ihr Instrument mit dem beinahe tropischen Klima in der Halle zu kämpfen.

Ein letztes Mal erklangen Improvisationen und Variationen über die Follia di Spagna, nun auf der Basis einer Komposition Alessandro Scarlattis von Maurice Steger und seinen Freunden als etwas zerfahrenes Feuerwerk der Spielfreude. Das Publikum bedankte sich mit minutenlangem Beifall und standing ovations für Eva und Wilhelm Becker. - Trotz der Turbulenzen im Vorfeld waren die 33. Blockflötenfesttage letztlich ein großes Erfolg. Wo wird der Blockflöte sonst eine solche Aufmerksamkeit zuteil? Den 34. Festtagen und allen folgenden sei zu wünschen, dass sie in ruhigeren Wassern und mit weiterhin glücklichem Händchen der Veranstalter fortdauern mögen!




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33. Stockstädter Blockflötenfesttage
26. bis 28. Mai 2017


Programm

Freitag, 26. Mai
16.00 Uhr
Our Most Loved Songs
Quadriga Consort

19.30 Uhr
TeleMania - Telemann meets Vivaldi
Dorothee Oberlinger & Freunde

Samstag, 27. Mai
11.00 Uhr
Le Concert champêtre
Ensemble Chant des Grillons

16.00 Uhr
Highlights der Frühklassik
Ensemble Accademia dell'Arcadia

19.30 Uhr
Inspired by Song
Dorothee Oberlinger,
Stefan Temmingh
& The Gentleman's Band

Sonntag, 28. Mai
11.00 Uhr
Gipsy Baroque Fantasy
Ensemble Red Priest

15.00 Uhr
Souvenirs
Maurice Steger & Freunde



Weitere Informationen
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