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Von Neapel über Paris nach LondonVon Thomas Molke / Fotos: © Andreas Kühn Beim Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad gelangen nicht nur Opernraritäten von Rossini und seinen Zeitgenossen zur Aufführung, sondern auf dem Programm stehen auch häufig Festkonzerte, in denen Arien zusammengestellt werden, die namhaften Sängerinnen und Sängern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Belcanto-Komponisten in die Kehle geschrieben worden sind. Nachdem im letzten Jahr der Tenor Maxim Mironov ein Festkonzert mit Arien präsentiert hat, die für den Ausnahme-Tenor Giovanni Battista Rubini komponiert wurden, widmet man sich in diesem Jahr einem besonderen Bariton, der unter anderem auch mit Rubini auf der Bühne gestanden hat: Antonio Tamburini. Kaum einem anderen gelang es wie ihm, die Baritonstimme auch für die ernste Oper zu etablieren und somit die ganze Bandbreite zwischen Buffo-Bass und romantischem Bariton abzudecken. Zahlreiche Komponisten wie Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini, Giovanni Pacini und Saverio Mercadante komponierten Opern eigens für seine Stimme. Vittorio Prato, der in einer dieser Partien, Corrado in Mercadantes I briganti, 2012 hier in Bad Wildbad zu erleben war (siehe auch unsere Rezension), hat nun ein Programm zusammengestellt, in dem er die unterschiedlichen Stationen dieses Ausnahme-Baritons von Neapel bis nach London in insgesamt neun Arien nachzeichnet. Vittorio Prato mit Mitgliedern des Camerata Bach Chor Pozna ńAuch wenn Tamburini in zahlreichen Rossini-Opern große Erfolge feiern konnte, erwähnt seien hier Figaro in Il barbiere di Siviglia, Dandini in La Cenerentola und Mustafà in L'italiana in Algeri, wird auf Auszüge aus diesen Werken verzichtet, da die Partien nicht für Tamburinis Stimme komponiert wurden, sondern er nur mit seiner Interpretation derartige Akzente setzte, dass zukünftige Komponisten und Theater auf ihn aufmerksam wurden. So war seine Darstellung der erwähnten Rossini-Partien wohl mitverantwortlich für sein Engagement am Teatro San Carlo in Neapel, wo Pietro Generali für ihn in der heroisch-komischen Oper Chiara di Rosembergh die Partie des hinterhältigen Montalban konzipierte. Direkt zu Beginn stellt Prato mit einer Szene und Arie aus diesem Werk die ganze Bandbreite seines markanten Baritons unter Beweis. In der Szene steigt er stimmlich in dunkle Tiefen herab, die den finsteren Charakter Montalbans spürbar machen. In der folgenden Arie schwingt er sich mit großer Strahlkraft in baritonale Höhen empor. Das weitere Programm ist dann nicht chronologisch gehalten, sondern springt zwischen Partien hin und her, die er in Neapel, Paris und Rom vorstellte. Vittorio Prato, José Miguel Pérez-Sierra, Ania Michalak und der Camerata Bach Chor Pozna ńDie zweite Arie greift inhaltlich in gewissem Sinn das Konzert des Vorjahres mit Maxim Mironov wieder auf. Hier präsentiert Prato nämlich die Kavatine des Rustano aus Gaetano Donizettis Gianni di Calais, in der in Neapel unter anderem auch Rubini zu erleben war. Die Barcarole, in der Prato als Anführer von Giannis Seeleuten mit leicht ironischem Unterton alten Männern davon abrät, zur See zu fahren, gestaltet er mit großem Spielwitz und leicht dahin strömendem Bariton. Unterstützt wird er hierbei von den Herren des Camerata Bach Chor Pozna ń, die als Matrosen durch homogenen Klang überzeugen. Einen weiteren Höhepunkt stellt die Szene und Arie des Blondello aus Giuseppe Balduccis Riccardo l'intrepido dar. Hier kann Prato mit beweglichen Koloraturen glänzen und wird erneut von den Herren des Camerata Bach Chor Poznań unterstützt. In kleineren Partien stehen ihm bei einzelnen Stücken auch die Absolventen der Meisterklasse von Lorenzo Regazzo zur Seite. So unterstützt ihn beispielsweise der junge Bass Zhiyuan Chen als Don Pasquale in der gleichnamigen Oper Donizettis bei der berühmten Kavatine des Malatesta "Bella siccome un angelo". Leider spielen hier die Virtuosi Brunenses unter der Leitung von José Miguel Pérez-Sierra ein bisschen arg laut auf, so dass Chen mit seinem dunklen Bass leichte Schwierigkeiten hat, stimmlich über das Orchester zu kommen.Eine weitere Rarität gibt es dann nach der Pause mit Carlo Coccias Edoardo in Iscozia. Hier übernahm Tamburini die Titelpartie. Gemeinsam mit Francesca Longari, Margherita Tani, Patrick Kabongo Mubenga, Zhiyuan Chen und dem Herrenchor präsentiert Prato direkt nach der Pause die große Arie des Edoardo, in der der Titelheld in Verkleidung auf einem Boot darauf wartet, in Sicherheit gebracht zu werden, wobei der Rettungsversuch jedoch fehlschlägt. Mit großer Dramatik beschreibt Prato die Gefühle Edoardos mit kräftigem Bariton und flexiblen Läufen. Natürlich darf auch die große Arie des Corrado aus Mercadantes I briganti nicht fehlen, mit der Prato bereits vor fünf Jahren in Bad Wildbad das Publikum begeisterte. Als machtbesessener Bruder besingt er mit großartiger Stimmführung seine verzweifelte Liebe zu Amelia, die er zwar einerseits am liebsten töten möchte, da sie ihn ständig zurückweist und seinem Bruder Ermanno den Vorzug gibt, der er andererseits wegen ihres Liebreizes aber kein Haar krümmen kann. Hier zieht Prato alle Register seiner stimmlichen Fähigkeiten.
Den Abschluss markiert dann ein
Auszug aus einem Stück, das mit Tamburini in London uraufgeführt wurde, Michael
William Balfes Falstaff. Prato interpretiert die Partie des Ford, der in
seiner großen Arie im zweiten Akt seiner Wut über die Treulosigkeit der Frauen
und die Übeltaten des Sir John Falstaff zum Ausdruck bringt. Auch hier gelingt
es Prato hervorragend, der Wut des Ford mit fulminantem Bariton glaubhaft
Ausdruck zu verleihen. Die Ouvertüren, die als Instrumentalstücke zwischen die
Arien gelegt sind, kündigen mit Balfes Falstaff oder Donizettis Don
Pasquale entweder die folgende Arie an oder stammen wie Bellinis Adelson
e Salvini zumindest vom Komponisten der folgenden Arie. Als Zugabe greift
Prato noch einmal ein Trinklied aus der Oper Il bravo von Marco Aurelio
Marliani auf, das er mit dem kompletten Camerata Bach Chor Poznań
anstimmt und das so eingängig ist, dass es dem berühmten Brindisi aus Verdis
La traviata in nichts nachsteht. Das Publikum in der nicht ganz voll
besetzten Trinkhalle ist aus dem Häuschen und ein bisschen enttäuscht, dass Prato nicht noch eine weitere Zugabe
präsentiert.
FAZIT
Vittorio Prato begeistert mit fulminantem Bariton und changiert im Ausdruck
zwischen Komik und Dramatik. Die ausgewählten Stücke zeigen, dass es im Bereich
des Belcanto noch zahlreiche Schätze zu heben gibt.
Weitere Rezensionen zu Rossini in
Wildbad 2017 |
AusführendeVittorio Prato, BaritonCamerata Bach Chor Pozna ń(Leitung: Ania Michalak) Virtuosi Brunenses José Miguel Pérez-Sierra, Musikalische Leitung Francesca Longari, Sopran Margherita Tani, Mezzosopran Patrick Kabongo Mubenga, Tenor Zhiyuan Chen, Bass
WerkePietro Generali Gaetano Donizetti Ouvertüre aus Don Pasquale (1843) "Bella siccome un angelo" Giuseppe Balducci Vincenzo
Bellini "Ah! per sempre io ti perdei" Carlo Coccia Marco Aurelio Marliani Gaetona Donizetti Saverio Mercadante Michael William Balfe "Chi mai vedo"
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