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Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker 2018

Sinfoniekonzerte

25., 27. und 31. März 2018

 


Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Festspielhöhepunkte aneinandergereiht

Von Christoph Wurzel / Fotos: Michael Gregonowits und Monika Rittershaus

So unterschiedlich die vier Werke des ersten Sinfoniekonzerts, welches das OMM besuchte, auch waren, gemeinsam ist ihnen ihre Stellung im Gesamtwerk ihrer jeweiligen Komponisten. Alle vier markieren bereits erste Höhepunkte in deren Schaffen als noch recht junge Künstler. Richard Strauss komponierte die Tondichtung Don Juan als 24Jähriger und erntete mit diesem feurigen Werk seinen ersten vollgültigen Erfolg. Mit Verve ging Rattle diesen Geniestreich des jungen Komponisten an. Die Philharmoniker folgten mit sprudelnder Spiellaune. Ein Parforceritt rasch wechselnder Themen: diejenigen Don Juans stürmend, drängend, die Liebesthemen lyrisch zart und voll romantischen Gefühls, herrliche Bläserfarben und kraftvolle Dynamik, bis sich in den 20 Takten der Coda unter fahl flirrenden Streicherklängen die Spannung löste und drei leise getupfte Akkorde alle Energie zum Verlöschen brachten.

Wesentlich ruhiger und inniger sind die Liebeserklärungen der  Lieder von Alban Berg, die den stürmischen Don-Juan-Phantasien folgten. Berg komponierte, noch bevor er von Arnold Schönberg als Schüler angenommen wurde, als jugendlicher Autodidakt bereits zahlreiche Lieder, aus denen er als 20Jähriger eine Auswahl zu einem Zyklus zusammenstellte, die er später als Sieben frühe Lieder auch für Orchesterbesetzung bearbeitete. Mit ihrem samtweichen Mezzosopran sang Elīna Garanča diese vertonte Lyrik mit enormen Feingefühl für die subtuilen Nuancen von Text und Musik. Überaus kunstvoll nahm sie im ersten Lied «  Nacht  » den «  Hauch vom fernen Hain  » in der Stimme zart zurück. Den Gesang der Nachtigall, den das dritte Lied beschwört, ließ sie in fein phrasiertem crescendo erstrahlen. Testverständlichkeit und Tongebung erfüllten höchste Ansprüche. Einfühlsam  führte Simon Rattle das verkleinerte Orchester und ließ der Stimme ihr Vorrecht.

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Erfüllter Augenblick nach großer Gesangskunst: Elīna Garanča und die Berliner Philharmoniker bei den Osterfestspielen 2018 (Foto: Monika Rittershaus)

Und immer wieder der Klangfarbenreichtum der Berliner Philharmoniker! Viel üppiger noch als bei Berg war er zu erleben in Maurice Ravels Shéhérazade, den drei lyrischen Reminiszenzen an orientalische Welten nach Texten von Léon Leclère unter dem vielsagenden Pseudonym Tristan Klingsor: Sehnsuchtsvoll und verführerisch zugleich ist die Stimmung dieser poetischen Betrachtungen, mit deren Vertonung der 29jährige  Maurice Ravel endgültig seine Kunst zu sinnlich rauschhaften Klängen und exotischem Kolorit manifestierte. Auch hier beeindruckte die geschmackvolle Vokalgestaltung durch Elīna Garanča und das Orchester zauberte aus Ravels großer Instrumentationskunst die fantastischsten Klangimpressionen. Emanuel Pahuds zauberhafte Flöte sei stellvertretend für alle genannt.

Den furiosen Abschluss dieses Konzerts bildete Igor Strawinskys Ballettmusik  Pétrouchka, die der der 28jährige Komponist für Sergej Djagilev und die Ballets Russe in Paris komponiert hatte und damit einen uneingeschränkten Erfolg erntete, bevor es bei der Uraufführung von Le Sacre du printemps ein Jahr später zu dem legendären Skandal kam, der den Komponisten zum Enfant terrible der Musikwelt, aber immerhin endgültig auch international berühmt machte. Jahrmarktsatmosphäre, die verliebte Holzpuppe Pétrouchka, eine Ballerina, ein böser „Mohr“ und ein furchterregender Bär sind die Protagonisten, die Strawinsky musikalisch lebendig werden lässt - für das Orchester Gelegenheit zu höchster Virtuosität. Und die ließen die Philharmoniker sich auch nicht entgehen. So wurde  Pétrouchka zum finalen Glanzstück des Abends.

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Hat sichtlich Freude an der Musik: Krystian Zimerman am Klavier bei der 2. Sinfonie von Leonard Bernstein (Foto: Michael Gregonowits)

In den beiden weiteren Konzerten mit Simon Rattle stand eine wahre Rariät auf dem Programm und wurde deswegen im Rahmen der Festspiele auch zweimal gegeben: die 2. Symphonie von Leonard Bernstein, zu deren  höchst aufwändiger und großer Besetzung sich auch noch ein virtuoser Klavierpart gesellt. Inspiriert von der Erzählung «  The Age of Anxiety  » von W.H. Auden komponierte Bernstein das Werk 1947. Anlässlich Bernsteins siebzigsten Geburtstags hatte Krystian Zimerman es bereits unter der Leitung des Komponisten gespielt und setzte sich dafür ein, es in diesem Jahr zu dessen Hundertstem wieder aufzuführen, eine fürwahr lohnende Unternehmung, handelt es sich bei dem 40minütigen Werk doch um ein Stück äußerst spannender Musik. Bernstein vertont darin nicht die Handlung des Romans, sondern reflektiert musikalisch die Grundgedanken und Motive von Audens Prosawerk, in dem die vier jugendlichen Hauptpersonen sich mit elementaren Fragen von Existenz und Identitätsfindung in einer immer mehr von Entfremdung bestimmten Welt auseinandersetzen. In zwei umfangreichen Teilen bestehend aus mehreren Abschnitten entwirft Bernstein ein motivisch reiches Klangepos, das die ganze Breite von Emotionen zwischen Depression und Euphorie auffächert. Mit einem wehmütigen Klarinettenduett setzt das Werk ein, das Klavier übernimmt das Thema, das nach und nach vom übrigen Orchester weitergesponnen wird. In vierzehn Variationen entwickelt sich ein musikalischer Kosmos vielfältigster Gestalt. Den Höhepunkt bildet eine turbulenten Jazz-Episode, in der Krystian Zimerman zu pianistischer Hochform auflief. An anderen Stellen ruft die Musik in schreienden Dissonanzen filmreif die Vorstellung düsterster Katastrophen hervor. Im ausgedehnten Epilog schließlich kommt der Klavierpart  in melodiöser Harmonik gleichsam zu sich und das Werk endet ähnlich wie Mahlers 3. Sinfonie unter machtvollen Gongschlägen in einem pathetisch schreitenden Triumphmarsch. Simon Rattle hielt die divergierenden und expressiv wechselvollen Teile souverän zusammen und ließ dem Orchester dennoch den nötigen Entfaltungsspielraum für diese hochexpressive Musik.

Nach Bernsteins angespannter Emotionalität folgte Beethovens Siebente (im zweiten Konzert die Eroica), von Richard Wagner als «Apotheose des Tanzes» bezeichnet, was Rattle mit den Philharmonikern mehr als beglaubigte. Zwar gibt es heute Orchester, bei denen bei kleinerer Besetzung der Klang insgesamt schlanker, bei manchen auch pointierter im Detail ist, doch fehlte es auch dem eher konventionellen Ansatz dieser Interpretation nicht an konsequent drängender Zugkraft. Und wenn ein Orchester in derart überragender Technik und souveräner Präzision spielt, gibt es an deren Gültigkeit keinerlei Zweifel.

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Vilde Frang mit den Berliner Philharmoniker bei Béla Bartóks 1. Violinkonzert (Foto: Monika Rittershaus)

Als einer der Gastdirigenten leitete Iván Fischer das Konzert mit zwei Werken von Bartók und einer herrlich romantischen Sommernachtstraum-Musik. Bartóks Klangsprache, vor allem in den einleitenden Ungarischen Bauernliedern dagegen ist weniger romantisch, eher düster und schwer. Die selten zu hörende Suite dieser acht kleinen Stücke im Stil der ungarischen Volksmusik wurde zu einem schönen Beleg für Bartóks Umgang mit dem musikalischen Kolorit seiner Heimat, das er in Duktus und Harmonik seiner kompositorischen Kreativität einverleibte. Ein volkstümlicher Anklang findet sich auch in seinem 1. Violinkonzert, wenn der Komponist die Geige im zweiten Satz eine burleske Melodie spielen lässt, wohl eine Erinnerung an einen gemeinsamen Aufenthalt auf dem Lande mit der 18jährigen Geigerin Stefi Geyer, in die der sieben Jahre ältere Komponist heftig verliebt war und der er das Konzert auch widmete. Einen Tag nach dessen Vollendung gab die Geigerin dem Komponisten den Laufpass, das Konzert wurde weder jemals von ihr gespielt, noch zu Lebzeiten Bartóks aufgeführt. Vilde Frang stellte es dem Baden-Badener Publikum als ein Werk voller geigerischer Finessen und emotionaler Wärme vor und erwies sich als Meisterin der allerfeinsten Tongebung auf ihrem Instrument. Sie ließ den Klang singend und schwebend in schwärmerischen Höhen steigen, ausdrucksvoll in der Mittellage  schwelgen und meisterte die tanzenden Kaskaden ausgelassener Freude in stupender Technik. Für dieses Werk voll jugendlicher Frische war die norwegische Virtuosin die berufene Interpretin.

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Die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Iván Fischer im Festspielhaus Baden-Baden
(Foto: Monika Rittershaus)

Die überschäumende Emotionalität des Bartókschen Violinkonzerts wurde schließlich im Sommernachtstraum in sanfte Bahnen geleitet, wo die Philharmoniker die ganze Zauberwelt  romantischen Klanges entfalteten. Iván Fischer hatte aus der Schauspielmusik eine Suite zusammengestellt, die den Stimmungsreichtum von Mendelssohns Musik erleben ließ. Aus der Mitte des Orchesters sangen Mari Eriksmoen und Ingeborg Gillebo gemeinsam mit den Damen des Philharmonia Chores Wien die Elfenlieder mit verführerisch leichten, hellen  Stimmen. Gravitätisch und in edler Klaggestalt dann der Hochzeitsmarsch, mit einem Schuss Ironie der Trauermarsch, wo man Pucks Esel kieksen hörte, bis das Finale nochmals die Zauberwelt der Elfen heraufbeschwörte, bevor der ganze Traum einer Sommernacht harmonisch verklang.

 

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Die Programme

Berliner Philharmoniker

 

25. März 2018

Elīna Garanča
Sopran
Sir Simon Rattle
Dirigent

Richard Strauss
Don Juan op. 20
Tondichtung nach Nikolaus Lenau
für großes Orchester

Alban Berg
Sieben frühe Lieder

Maurice Ravel
Shéhérazade
Trois Poèmes für Stimme und Orchester.
Text von Léon Leclère alias Tristan Klingsor

Igor Strawinsky
Pétrouchka
Burleske Szenen in vier Bildern
(Fassung 1947)



27.März 2018

Krystian Zimerman
Klavier
Sir Simon Rattle
Dirigent

Leonard Bernstein
Sinfonie Nr. 2 «The Age of Anxiety»

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op.92



31.März 2018

Mari Eriksmoen
Sopran
Ingeborg Gillebo
Mezzosopran
Damen des Philharmonia Chors Wien
Vilde Frang
Violine
Iván Fischer
Dirigent

Béla Bartók
Ungarische Bauernlieder
SZ 100 für Orchester

Violinkonzert Nr. 1
SZ 36

Felix Mendelssohn Bartholdy
Ein Sommernachtstraum op. 61
Bühnenmusik zu William Shakespeares
Schauspiel zu einer Suite zusammengestellt
von Iván Fischer





Weitere Informationen
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Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)









Da capo al Fine

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