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Mittelalterliche PassionVon Ursula Decker-Bönniger, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico NawrathIm dritten Jahr zeigen die Bayreuther Festspiele Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung des Parsifal – Wagners letztes Opernwerk - das Bühnenweihfestspiel, das er für sein Festspielhaus und die besondere Akustik komponierte und das dort im Jahre 1882 anlässlich der zweiten Bayreuther Festspiele uraufgeführt wurde. In diesem Jahr hat Semyon Bychkov die musikalische Leitung übernommen. Meisterlich, wie er gemeinsam mit dem Festspielorchester gleich zu Beginn die musikalische Dramaturgie des sinfonischen Vorspiels vor Augen führt. Wie sie die Motive zu den christlichen Tugenden Liebe, Glaube und Hoffnung fließend entfalten und dynamisch weiterführen. Nie ist es zu laut. Die Klangmischungen schillern, lassen Zeitlosigkeit, Stillstand und sakrale Aura erahnen. Später kommen die brillanten Solisten und ein homogen und textverständlich singender, wunderbar gestaltender Festspielchor hinzu. Auch sie lassen den Abend zu einem unvergessenen musikalischen Erlebnis werden. Laufenbergs Inszenierung spielt im Zweistromland, an Orten, wo das Christentum ursprünglich Verbreitung fand und heute bedroht ist. Nach dem choralähnlichen Unisonobeginn des Vorspiels und seiner Weiterführung öffnet sich der Vorhang. Es herrschen Gesetzlosigkeit und Krieg. In einem Kirchenraum, einer Art erweitertem Baptisterium, haben geflüchtete Männer, Frauen und Kinder Unterschlupf gefunden. Zum Motiv des Glaubens werden sie aufgefordert, den Raum zu verlassen. Bewaffnete Soldaten treten ein und durchsuchen ihn. Feierlich, gemessenen Schrittes nehmen Mönche - an die Passion erinnernd - die überdimensionale Figur des Schmerzenmannes vom Kreuze, hüllen ihn in weißes Linnen und tragen das Kreuz hinaus, um wenig später wiederzukehren, sich neu zusammenzufinden und zu gründen. Amfortas (Thomas J. Mayer, Mitte) wird von Gurnemanz (Günther Groissböck, dahinter), den Knappen und Gralsrittern (von links: Paul Kaufmann, Timo Riihonen, Stefan Heibach und Tansel Akzeybek) zur Enthüllung des Grals vorbereitet (auf der rechten Seite: Kundry (Elena Pankratova)). Stark die Charakterisierung des Amfortas – grandios gesungen und gespielt von Thomas J. Mayer. Wie er den leidenden, gebrochenen Menschen darstellt und zugleich eindrücklich, mit klangschönem, farblich schillerndem Timbre um Erlösung fleht, während die Brüder mit dem Kelch in der Hand die Gralsenthüllung quasi einfordern, die Wunde öffnen, um nicht Wein, sondern das lebensspendende Blut zu trinken, grenzt in der Versachlichung und Entsymbolisierung der christlichen Messfeier an provozierende Geschmacklosigkeit und ruft zugleich mittelalterliche Darstellungen in Erinnerung. Mit 1 Stunde und 45 Minuten ist der erste Aufzug der längste des Abends. Und doch reißt der Spannungsbogen nicht ab, was vor allem der fantastischen, mühelosen, klangvollen, gesanglich differenzierten und ausdrucksstarken Interpretation Günther Groissböcks als Gurnemanz zu verdanken ist. Kundry (Elena Pankratova) versucht, Parsifal (Andreas Schager) zu verführen. Parsifal, der als Erlöser auserwählte, naive Tor betritt bewaffnet und in Uniform im zweiten Aufzug ein orientalisches Hamam. Er muss sich beweisen, zeigen, dass er die Charakterstärke besitzt, sich freiwillig den Ordensregeln unterzuordnen und Enthaltsamkeit zu üben. Anders als Amfortas, widersteht er den Verführungskünsten Kundrys und der Schönen, die ihn der Uniform entledigen und zum Bade locken. Elena Pankratova ist eine großartig schauspielende und singende Kundry. Tiefgründig, vollmundig und klangvoll vibrierend ist sie als Widergeborene willenloses Werkzeug Klingsors und Gralsbotin zugleich. In Laufenbergs Interpretation lenkt sie schließlich, nachdem die Streicheleinheiten der Zaubermädchen erfolglos blieben, mütterliche Gefühle zeigend, Parsifals Aufmerksamkeit auf sich. Doch beim Kuss erinnert er sich an die Wunde Amfortas. Er erkennt, widersteht – allen weiteren Verlockungen Kundrys zum Trotz – während Klingsor, überzeugend dargestellt von Derek Welton, sich in seine Devotionaliensammlung aus Kruzifixen zurückzieht, um sich – entsprechend mittelalterlicher Mystik und Erziehung – zu kasteien, zu geißeln und auf diese Weise frei zu werden für Höheres. Parsifal (Andreas Schager) als Erlöser Der dritte Aufzug schließlich thematisiert Erlösung. Schauplatz ist das mittlerweile verfallenes Baptisterium, das von gigantischen, surreal anmutenden Pflanzenteilen zurückerobert wird und sich später öffnet. Parsifal, den Andreas Schager im zweiten Aufzug stellenweise, zumindest an diesem Abend, etwas sehr kraftvoll und forciert singt, interpretiert nun differenziert und klangschön. Eine alt gewordene, hinken- und zitternde Kundry wäscht ihm demütig, wie die biblische Maria Magdalena, die Füße, trocknet sie mit ihrem langen Haar und salbt ihn. Im Karfreitagszauber erinnert Laufenberg mit nackten, in blühender Natur und unterm Wasserfall Spielen- und Tanzenden an den paradiesischen Urzustand Adam und Evas. In den geöffneten Sarg Titurels legen die Mönche ihre Kelche. Eine bessere Zukunft soll beginnen. Auf einer gigantischen Wasserfallprojektion flammen Konterfeis von Winifred und Richard Wagner auf. Geradezu ironisch kehrt Laufenberg am Ende in die Wirklichkeit zurück und kommentiert zugleich die eigene Inszenierung. Auf der Bühne und im Publikumsraum geht das Licht an. Wagners Parsifal wartet auf seine nächste, aufklärende Interpretation.
Musikalisch ein Genuss Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen
2018
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Amfortas
Gurnemanz
Parsifal
Klingsor
Kundry
Titurel
1. Gralsritter
2.
Gralsritter
1. Knappe
2. Knappe
3. Knappe 4. Knappe
Klingsors Zaubermädchen
Eine Altstimme
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