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Kölner Komponistengipfel: Zimmermann meets Offenbach
Von Stefan Schmöe
Zwei Wochen lang steht Köln im Zeichen der "neuen" Musik. Zum achten Mal findet das Festival ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln in diesem Jahr statt, und natürlich kommt man nicht an Bernd Alois Zimmermann vorbei, vor einhundert Jahren nahe Köln geboren und später Bürger der Stadt, Dozent an der Musikhochschule und der städtischen Oper durch die Uraufführung der Soldaten samt der komplizierten Vorgeschichte der zunächst als "unspielbar" abgelehnten Partitur verbunden. Bis Zimmermann in den 1960er-Jahren die Grenzen des musikalisch Machbaren auslotete, war es freilich ein weiter Weg, und am ersten Festivaltag zeigt der WDR mit seinem auf Unterhaltungsmusik spezialisierten Funkhausorchester unter der Leitung von Alfred Eschwé eine ganz andere Facette des Komponisten auf: Zimmermann als Arrangeur. "Ich bin mit jeder Einnahme, sofern sie nicht gerade unwürdig ist, von vornherein zufrieden, da ich praktisch völlig in der Luft hänge", schrieb der Komponist in den frühen 1950er-Jahren. Der in Köln beheimatete WDR gab Orchestrierungen bei ihm in Auftrag, auch Zwischenmusiken für Hörspiele - Gelegenheitsarbeiten für einen noch unbekannten Komponisten.
Söbensprung ("Siebensprung") heißt ein Potpourri aus fünf norddeutschen Volkstänzen für 15 Bläser, Pauken und Schlagzeug, 1950 mit Sinn für überraschende Klangwirkungen arrangiert, das am Beginn des Konzerts stand - die Klammer dazu bilden die bekannteren fünf Rheinischen Kirmestänze für dreizehn Bläser zum Abschluss des ersten Konzertteils, die deutlich mehr Verfremdungseffekte zeigen als der Söbensprung. Als originales Werk Zimmermanns steht dazwischen Un petit rien, eine kleine Suite aus dem Jahr 1964 basierend auf Zwischenmusiken zu einem Hörspiel (Die Mondvögel), und diese ausgesprochen delikaten Miniaturen (Zimmermann verwendet ein Kammerorchester mit solistischen Streichern, drei Flöten, Gitarre, Cembalo, Celesta und Schlaginstrumenten) sind eine kleine Entdeckung.
Interessant sind auch die Orchestrierungen von Klavierwerken, die an diesem Abend präsentiert werden. Darius Milhaud komponierte 1920/21 unter dem Titel Saudades do Brasil 12 kurze Stücke, die als musikalischer Reflex auf einen Aufenthalt in Brasilien einige Jahre zuvor entstanden. Zwei davon, Saraboca und Leme (die Titel sind Namen von Stadtteilen Rio de Janeiros und Sao Paolos) wurden zunächst in der Klavierfassung (recht brav: Zeynep Artun-Kircher), dann in der Orchestrierung Zimmermanns gespielt, die eine fast schon extravagante Klangpalette zeigt. Ähnliches gilt für eine Romanze für Klavier op.10.6 von Rachmaninov, leider nicht in der originalen Klavierfassung gespielt, die Zimmermann zu einem Mini-Konzert für Saxophon und durchaus opulentes Orchester (mit großer Eloquenz: Andy Miles, Solo-Saxophonist des Funkhausorchesters) umgearbeitet hat. Ebenfalls in schillernde Orchesterfarben gesetzt sind zwei späte Charakterstücke für Klavier von Modest Mussorgsky (Reiseeindrücke aus der Krim und Au village. Quasi fantasia).
Überraschend wenig Zimmermann dann nach der Pause. Jacques Offenbachs einaktige Operette Le Violoneux (der deutsche Titel Die Zaubergeige ist einigermaßen merkwürdig, weil es gar keinen Zauber gibt). Vom Nordwestdeutschen Rundfunk bei Zimmermann in Auftrag gegeben, verschwand die neue Orchestrierung offenbar in den Schubladen, weil die Urheberrechtslage nicht geklärt war. Man hätte doch gerne mehr erfahren, warum überhaupt eine Neuorchestrierung des 1855 uraufgeführten ziemlich banalen und weder vom Text noch der Komposition besonders originellen Einakters erforderlich war. Trotz üppiger Bläserbesetzung klingt Zimmermanns Fassung, an diesem Abend zum ersten Mal im Konzert präsentiert und somit eine Uraufführung (ob sie für den Rundfunk produziert wurde, ist unklar), deutlich konventioneller als die Bearbeitungen der Klavierstücke. Annika Boos (Mezzosopran), Christian Sturm (Tenor) und Miljenko Turk (Bariton) singen und spielen (in Kostümen) sehr hübsch, trotzdem bleibt das spannendste Element an diesem Werk, dass mit Zimmermann und Offenbach die beiden großen Kölner Komponisten aufeinander treffen. Das sehr gute Funkhausorchester unter Alfred Eschwés souveränem Dirigat spielt nicht nur hier, sondern auch im anspruchsvollerem ersten Teil durchweg überzeugend.
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Acht Brücken | Musik für Köln 2018 Eröffnungskonzert Kölner Philharmonie 28. April 2018 AusführendeMiljenko Turk, BaritonAnnika Boos, Sopran Christian Sturm, Tenor Andy Miles, Saxophon Zeynep Artun-Kircher, Klavier WDR Funkhausorchester Köln Ltg.: Alfred Eschwé ProgrammMusik fürs Radio!Werke und Bearbeitungen von Bernd Alois Zimmermann Bernd Alois Zimmermann Söbensprung (1950) Ein norddeutsches Volkstanzpotpourri für 15 Bläser, Pauken und Schlagzeug Darius Milhaud Sorocaba und Leme aus: Saudades do Brasil op. 67 (1920/21) Originalfassung für Klavier und Bearbeitung für Unterhaltungsorchester von Bernd Alois Zimmermann Sergej Rachmaninov Romance op. 10,6 (1893/94) für Klavier bearbeitet für Saxophon und Orchester von Bernd Alois Zimmermann (1950) Modest Mussorgsky Reiseeindrücke aus der Krim (1880) für Klavier, bearbeitet für Orchester von Bernd Alois Zimmermann (1949) Modest Mussorgsky Au village (Quasi fantasia) (1880?) für Klavier, bearbeitet für Orchester von Bernd Alois Zimmermann (1950) Bernd Alois Zimmermann Un "petit rien" (1964) Musique légère, lunaire et ornithologique d'après "Les oiseaux de lune" de Marcel Aymé Bernd Alois Zimmermann Rheinische Kirmestänze (1950-62) für dreizehn Bläser - Pause - Jacques Offenbach Le Violoneux (Die Zaubergeige) (1855) Légende bretonne in einem Akt Libretto von Eugène Mestépès und Émile Chevalet Neuorchestrierung von Bernd Alois Zimmermann (1950) Uraufführung
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