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Acht Brücken | Musik für Köln 2018
10. Symphoniekonzert des Gürzenich-Orchester Köln

Philharmonie Köln, 6., 7. und 8. Mai 2018



Musique pour les soupers du Roi Ubu



Werke von Richard Wagner, York Höller und Bernd Alois Zimmermann
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Acht Brücken | Musik für Köln 2018

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Gürzenich Orchester Köln (Homepage)

Wagner & Co. geraten in die Gehirnzermantschung

Von Stefan Schmöe

Er spiele jetzt immer und überall Zimmermann: Françoise-Xaver Roth, Chefdirigent des Kölner Gürzenich-Orchesters und darüber hinaus mit erheblichen Entertainer-Qualitäten ausgestattet, gab im Einführungsgespräch zu diesem Konzert ein emotionales Bekenntnis zum Jubilar, dem vor 100 Jahren geborenen Bernd Alois Zimmermann, ab. Dessen apokalyptische Oper Die Soldaten dirigiert er gerade im Ausweichquartier der Kölner Oper auf der anderen Rheinseite (unsere Rezension); und Zimmermann steht auch auf dem Programm dieses 10. Abonnements-Konzerts des Gürzenich- Orchesters, gleichzeitig Bestandteil des Festivals ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln - freilich mit einem Werk völlig anderen Charakters. Die Musique pur les soupers du Ubu Roi, ein "Ballett noir", also ein "schwarzes" Ballett, nach einer Groteske von Alfred Jarry (1873 - 1907), ist eine aberwitzige Collage aus Motiven quer durch die Musikgeschichte. Auf eine Struktur von Renaissancetänzen montiert Zimmermann Musik von Orlando Gibbons und William Byrd genauso wie Wagner, Schubert und Beethoven (es sollen etwa 60 zitierte Komponisten sein), und auch das Dies irae klingt früh an. Zur Suite umgearbeitet und uraufgeführt anlässlich Zimmermanns Aufnahme in die Berliner Akademie der Künste im Jahr 1968, dürften sich vor allem auch die ebenfalls in wilder Dada-Manier zitierten Komponistenkollegen wie Wolfgang Fortner, Boris Blacher oder Artur Honegger gewundert haben über ein ziemlich vergiftetes Begrüßungsgeschenk - schließlich entsorgt der König Ubu in dieser Farce seine Gäste am Ende der Soupers mittels einer Falltür. In Zimmermanns Musik haben Wagners Walkürenritt und der Gang zum Richtplatz aus Berlioz' Symphonie fantastique im Finale ("Marsch der Gehirnzermantschung") das letzte Wort, wenigstens beinahe, denn die letzten von 631(!) Wiederholungen des ersten Akkords aus Karlheinz Stockhausens Klavierstück IX (dort wird der Akkord immerhin280mal gespielt) bereiten allem ein Ende. Die Rivalität zwischen den beiden in herzlicher Abneigung verbundenen Kölner Komponisten darf man da ebenso heraushören wie eine musikalische Fortsetzung der kompositionstheoretischen Debatte zwischen dem Außenseiter Zimmermann und der um rund zehn Jahre jüngeren (tonangebenden) Komponistengeneration um Pierre Boulez und Luigi Nono.

Für das brillante siebensätzige Stück in abenteuerlicher Instrumentation (die Streicher sind reduziert auf vier Kontrabässe, die immerhin in hoher Lage Wagners Siegfried-Idyll anspielen) hat Zimmermann sich "Couplets" zwischen den Sätzen gewünscht, kabarettistische Einlagen von tagespolitischer Aktualität, was in diesem Konzert in der Einrichtung von Sabine Hartmannshenn einigermaßeng witzig und mit deutlichen Bezügen auf Jarrys Schauspiel aufgegriffen wird, wobei sich das absurde Moment noch steigern ließe. Roth dirigiert mit Donald-Trump-Perücke und liefert eine musikalisch messerscharfe Interpretation, kein "Erkennen Sie die Melodie?", sondern ein vom Schlagwerk zerpflücktes Untergangspotpourri, das nicht nur die Musikgeschichte infrage stellt.

Weil ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln ein Festival für moderne Musik ist, gibt es eine formidable Uraufführung des Zimmermann-Schülers York Höller, ein Auftragswerk für diesen Anlass. Höller hat ein delikates Konzert für Viola und großes Orchester komponiert, klassisch dreisätzig schnell-langsam-schnell, mit einer Chaconne als Modell für den elegischen Mittelsatz (der 2016 unter dem Eindruck des Todes Pierre Boulez' entstand). Ein formal traditionsbewusstes Werk, das mit Klangfarben spielt und das große Orchester raffiniert aufsplittet, um das Solo-Instrument nicht zuzudecken. Höllers maßvoll moderne Klangsprache überträgt Melodik, Rhythmik und Harmonik in zerfließende "Klanggestalten", die oft zwischen Instrumentengruppen und der Solo-Viola hin- und her geschoben werden und sich allmählich fortentwickeln. Man muss kein besonderer Anhänger von "moderner" Musik sein, um den klanglichen Reizen dieser keineswegs anbiedernden Musik zu verfallen, und Höller, vom Publikum bejubelt, zeigt, dass man auch heute repertoirefähige Musik schreiben kann. Das Verstörende, das vor 50 Jahren von Zimmermanns Musik ausging (und teilweise noch heute ausgeht), sucht man allerdings vergebens. Roth und das Orchester leuchten Höllers samtene Farben schön aus wie auch die ausgezeichnete, nuanciert den kleinen Veränderungen der Musik nachspürende Solistin Tabea Zimmermann.

Der dritte Komponist des Abends ist Richard Wagner, vertreten mit dem Walkürenritt und den Vorspielen zu den Meistersingern und Parsifal. Eine vage Verbindungslinie zu Zimmermanns viel zitierter Idee von der "Kugelgestalt der Zeit" geht insbesondere vom Parsifal aus, nicht nur des viel zitierten "zum Raum wird hier die Zeit" wegen. Pierre Boulez hat 1968 - also im Uraufführungsjahr der Roi Ubu-Musik - einen Essay über den Zeitbegriff in Wagners Oper veröffentlicht. Freilich muss man aufpassen, hier nicht einem Klischee aufzusitzen; interessanter als zeitmetaphysische Betrachtungen waren in diesem Konzert jedenfalls der Vergleich der Klangfarben bei den drei Komponisten, und da mögen die flirrenden Klangflächen des Walkürenritts und die unwirkliche und kaum greifbare Sphäre, aus der das Abendmahlsmotiv am Beginn des Parsifal-Vorspiels aufsteigt, durchaus prägend sein für Höller und Zimmermann. Ein wenig entrückter (Parsifal) oder impressionistisch eingefärbter (Walkürenritt) hätten die Interpretationen dafür sein dürfen; bei seinem Tannhäuser in der Oper hat Roth einen eindrücklicheren Wagner dirigiert; das Meistersinger-Vorspiel geriet sogar allzu lärmend und unangenehm laut - da spielte die Akustik der Kölner Philharmonie nicht mehr mit und klang übersteuert.




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Musique pour les soupers du Roi Ubu

10. Symphoniekonzert des
Gürzenich-Orchesters

im Rahmen von

Acht Brücken | Musik für Köln 2018

Kölner Philharmonie
6./7./8. Mai 2018
(rezensierte Aufführung: 7.5.2018)


Ausführende

Tabea Zimmermann, Violar

Gürzenich-Orchester Köln

Ltg.: François-Xavier Roth


Programm

Richard Wagner
Vorspiel zu Die Meistersinger von Nürnberg

York Höller
Konzert für Viola und Orchester
Kompositionsauftrag von
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln 2018
und des Seoul Philharmonic Orchestra
unterstützt von der
Ernst von Siemens Musikstiftung

Richard Wagner
Walkürenritt aus Die Walküre

- Pause -

Richard Wagner
Vorspiel zu i>Parsifal

Bernd Alois Zimmermann
Musique pour les soupers du Roi Ubu
Ballettmusik nach Alfred Jarry





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