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Klavier-Festival Ruhr 2018

Philharmonie Essen, Alfried-Krupp-Saal, 13. Juli 2018



Abschlusskonzert des Klavier-Festival 2018 - Jazz line

La vie en chanson - eine musikalische Verbeugung
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Klavier-Festival Ruhr

Eine Chansoneroberung

Von Stefan Schmöe / Fotos: Peter Wieler

Beginnen wir diese Rezension doch mal mit einer Plattitüde: Was wäre Frankreich, was wäre die französische Musik ohne das Chanson? Diese Frage stellen müsste das Klavierfestival Ruhr freilich nicht, auch wenn der aktuelle Programmschwerpunkt eben "Frankreich" ist, denn auch nur annähernd abdecken kann man den ohnehin nicht. Debussy, vor 100 Jahren verstorben, wurde angemessen gewürdigt; Ravel, Fauré und Saint-Saens hier und da gestreift wie auch die französische Barockmusik; Messiaen und Boulez am Rande berührt. (Der aus Polen stammende Chopin wurde gar nicht erst als Franzose geführt). Und das Chanson? Es bedarf des Ausnahmekünstlers Frank Chastenier, des "weltbesten Pianisten" (so eine der Würdigungen der mit Superlativen nicht geizenden Moderation), um das Genre in den Kosmos der Klaviermusik zu holen. Chastenier ist für alle an diesem Abend gespielten Arrangements zu ständig, und die besten Nummern sind die, in denen er instrumental bleibt und die Musik sich und seinem formidablen Jazz-Trio mit dem (in diesem Programm allerdings recht unauffälligen) Bassisten Christian von Kaphengst und dem (seine Virtuosität mit feiner Zurückhaltung zähmenden) Drummer Wolfgang Haffner auf den Leib geschrieben hat. Wobei dieses Trio im Hinblick auf die Balance in der Gewichtung der Instrumente, auch zwischen Stilsicherheit und Eigenwilligkeit der drei Musiker noch nicht völlig ausgereift scheint.

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Götz Alsmann; am Klavier: Frank Chastenier

Chastenier, der 26 Jahre lang Pianist der WDR-Big-Band war und Thomas Quasthoff bei dessen zweiter Karriere als Jazz-Sänger begleitet, ist ein Träumer am Klavier, ein Poet der leisen Töne. Er besitzt einen ungemein kultivierten Anschlag mit einer enormen Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten gerade im Piano und Pianissimo. Gleichzeitig beweist er Sinn und Gespür für klangliche Experimente, greift bei einer Nummer etwa in den Flügel hinein direkt an die Saiten. Er vertritt einen "singenden" Stil, der die Melodik der Vorlagen ernst nimmt, ohne vordergründig gefällig zu werden. Als Begleiter versteht er es, mitunter mit einem einzigen eingestreuten Akkord, ja sogar mit einem einzigen ganz kleinen Ton eine Aura um den Sänger herum entstehen zu lassen. Faszinierend, wie am Beginn des Konzerts mit einer an sich banalen, aber wie aus weiter Ferne ganz allmählich erstehenden Tonleiter das Publikum einfängt, oder wie bei En maintenant die einzelnen Töne der Akkorde eben nicht exakt gleichzeitig, sondern mit einer winzigen Verzögerung nacheinander anschlägt und die Sekundreibung damit noch hervorhebt und ein Moment der Irritation und Verzauberung einstreut. Das ist ganz große Kunst.

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Pe Werner; am Klavier: Frank Chastenier

Die (verbal-)rhetorische Ehrenrettung des Chanson für die Klavierhochkultur obliegt Götz Alsmann, als Sänger wie als Moderator. Dessen Entertainer-Qualitäten sind unbestritten, seine Begeisterung für das Genre bis hin zur Schlagergefälligkeit ansteckend, wenn auch ziemlich dick aufgetragen. Dass man bei Alsmann nie genau weiß, wo genau die Grenze (oder besser: die Grauzone) zwischen Selbstgefälligkeit und Selbstironie verläuft, gehört gewissermaßen zum Markenkern des Künstlers mit der Haartolle. Auch wenn er singt, dann mit heiser-verrauchter Stimme, die der Konzertankündigung "fernab des Klischees" Hohn spricht - vielmehr verdichtet Alsmann eben die Klischees und behält in jedem Takt die Oberhoheit über das Geschehen: Hier hören Sie Götz Alsmann. Dass er durchweg deutsche Übersetzungen verwendet, nimmt den Reiz des französischen Klangs, aber den Text zu verstehen, das hat durchaus großen Charme: Im Kontext dieses Konzerts eine durchaus legitime musikpädagogische Maßnahme, um dem Wesen des Chansons näher zu kommen.

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Frank Chastenier (am Klavier) von vorne gibt's leider nicht; neben Götz Alsmann und Pe Werner: Christian von Kaphengst am Bass und Wolfgang Haffner am Schlagzeug

Für die Originalsprache ist an diesem Abend Pe Werner zuständig. "Wir haben bewusst keine französischen Gäste einladen, damit wir uns als deutsche Künstler vor unseren französischen Kollegen verneigen können", wird Frank Chastenier im Programmbuch des Festivals zitiert. Man hätte sich da auch europäischeres, weniger an nationalen Identitäten orientiertes Denken vorstellen können (und, Achtung: Klischee!, mehr französische Leichtigkeit und Esprit), aber eine ganz schlechte Wahl ist Pe Werner nicht. Sie besitzt eine große, auftrumpfende Stimme - und eine weniger große, chansontypisch leicht belegte Stimme, und mit beiden bewegt sie sich sicher im Metier, nur die Übergänge dazwischen wackeln. Im ersten Teil des Konzerts ganz in blau, in zweiten in rot zitiert sie die Tricolore, wobei sich über modische Details streiten ließe. Die Tanzeinlagen bleiben bemüht (Alsmann hat dem gegenüber seinen betont dandyhaften Stil, der nichts ernst nimmt, kultiviert). In den Duetten bleibt ihm der (zu) alberne Part, ihr nimmt man die Verführerin allerdings auch nicht ab. Das sind Schönheitsfehler in einem sich gut gelaunt gebenden Abschlusskonzert des Klavierfestival 2018, bei dem nach drei Stunden Musik den Künstlern wie dem Publikum eine einzige Zugabe reichte.




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Klavierfestival Ruhr 2018
Philharmonie Essen
Alfried-Krupp-Saal
13. Juli 2018


Ausführende

Götz Alsmann, Gesang & Moderation
Pe Werner, Gesang
Frank Chastenier, Klavier und Arrangements
Christian von Kaphengst, Bass
Wolfgang Haffner, Drums


Programm

Non, je ne regrette rien
(Dumont/Vaucaire,
Frank Chastenier Trio)

Du gehst an mir vorbei
(Vos qui passez sans me voir)
(Trenet/Hess/Bennefeld/Misraki/Breton,
Götz Alsmann)

Der Junge im Boot
(Le petit indien)
(Salvador/Alsmann)

Mademoiselle chante le blues
(Barbelivien, Frank Chastenier Trio)

Et maintenant
(Bécaud, Pe Werner)

Die Einsamkeit
(Brandin/Barbara, Pe Werner)
Les feuilles mortes
(Kosma/Prévert, Pe Werner)

Que reste-t-il de nos amours?
(Chauliac/Trenet, Pe Werner)

Wenn es Nacht wird in Paris
(Wiener, Alsmann/Chastenier)

C'est si bon
(Betti/Hornez, Werner/Alsmann)

Ella, elle l'a
(Berger, Frank Chastenier Trio)

Du lässt dich gehen
(Aznavour, Alsmann)

Der Vagabund und das Kind
(Shanklin/Bradtke, Alsmann)

Die verlorenen Lieben
(Gainsbourg/Alsmann, Alsmann)

Les parapluies de Cherbourg
(Legrand, Frank Chastenier Trio)

Ne me quitte pas
(Brel, Werner/Alsmann)

La vie en rose /
Schau mich bitte nicht so an
(Louiguy/Piaf/Doll/Siegel, Werner/Alsmann)

Zugabe:
Un homme et une femme
(Croisille/Barouh, Werner/Alsmann)


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