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Ein Klavierheiliger feiert Geburtstag
Von Stefan Schmöe
Franz Xaver Ohnesorg wird 70. Zu diesem Anlass hat er in die Wuppertaler Stadthalle geladen, einem dem Anlass entsprechenden historischen Prunkbau. Und weil der umtriebige Intendant des Klavierfestivals gleich Größeres im Sinn hat (das Klavierfestival hat ja auch einen runden, nämlich den 30. Geburtstag), ist ein Stiftungskonzert für das Festival 2018 draus geworden mit einer illustren Gästeliste, auch wenn mit András Schiff einer der Giganten der Klavierszene krankheitsbedingt absagen musste, ebenso wie Bariton Matthias Goerne. Der Jubilar selbst hielt sich bescheiden im Hintergrund, überließ dem Vorsitzenden des Stiftungsrats, Dr. Thomas Lange, das kurze einführende Grußwort und dem 30 Jahre jungen Pianisten Joseph Moog die Moderation, die dieser mit jungenhaftem Charme, aber etwas bemühter Eloquenz übernahm.
Joseph Moog (links) und Gerhard Oppitz (Foto: Mark Wohlrab)
Moog war dann auch gleich für die musikalische Eröffnung zuständig, gemeinsam mit Gerhard Oppitz und Schuberts Rondo für Klavier zu vier Händen D-Dur D608. Neckisch verspielt, aber im Rhythmus nicht allzu genau spielten die beiden doch eher auf Sicherheit bedacht, recht verhalten und weich im Klang, ohne allzu große interpretatorische Tiefe. Oppitz begleitete anschließend Juliane Banse bei drei Liedern von Franz Schubert, den Klavierpart sensibel zurückgenommen, aber auch wie mit einem Grauschleier bedeckt, als wolle er die Brillanz des Steinway-Flügels partout umgehen. Die Sopranistin beeindruckt mit einem tragfähigen Piano; im Forte fehlt der mit permanentem Vibrato unterlegte Stimme schnell an Substanz, was die Sängerin allerdings geschickt kaschiert. Das eigentümliche recht artifizielle Timbre ist Geschmackssache.
Martha Argerich und Serge Tiempo (Foto: Mark Wohlrab)
Als wolle er den Flügel endlich zu richtigem Leben erwecken, bot Olli Mustonen im Anschluss daran mit ausladenden Armbewegungen eine exzentrische Interpretation von Beethovens Zwölf Variationen über den russischen Tanz aus dem Ballett "Das Waldmädchen" von Paul Vranitzky. Harte Kontraste zwischen Piano und Forte, abruptes Abreißen der musikalischen Linien, demonstrative Virtuosität - das steckt viel Mustonen im Beethoven, und zeigt doch einen klaren Gestaltungswillen und Sinn für die klanglichen Möglichkeiten dieser Komposition. Mustonen (der im Vorjahr mit allen Prokofjew-Sonaten imponiert hat) sollte man sich auf jeden Fall anhören, so das Fazit. Nur hat er leider in diesem Festivaljahr kein Rezital. Schade.
Maki Namekawa und Dennis Russel Davies (Foto: Mark Wohlrab)
Der nächste Beitrag kam gänzlich ohne Klavier aus: Eine ganz kurze, poetische Huldigung Franz Xaver Ohnesorgs durch den großen Alfred Brendel, der sich bekanntlich vor einigen Jahren als Pianist zurück zog, aber (auch in diesem Jahr) mit Lesungen beim Klavierfestival auftritt; er bezeichnete den Intendanten als einen "Klavierheiligen", der wie mit einem Fernrohr diejenigen ins Auge fasst, die den Pianistengipfel erreicht haben - und gleichzeitig beim Aufstieg hilft. Musikalisch umrahmt wurde das von seinem Sohn Adrian Brendel am Cello, zunächst mit einigen wundersamen Miniaturen von György Kurtág, in denen hinter der Modernität wehmütig die Sehnsucht nach der Tradition durchschimmert, dann mit der Bourée aus Bachs 3. Cellosuite, beides ganz großartig mit vollem Ton, ungeheurer Musikalität und Sinn für Proportionen und die große Linie gespielt. Und die Wuppertaler Stadthalle muss für dieses Instrument gebaut sein, der Klang füllt den Raum und umschmeichelt den Zuhörer (viel besser als der Ton der Violine, aber dazu später).
Anne Sophie Mutter und Khatia Buniatishvili (Foto: Mark Wohlrab)
Elena Bashkirova wird den diesjährigen Preis des Klavierfestivals erhalten - mit nobler Zurückhaltung, aber großer Sensibilität spielte sie mehrere kurze Stücke aus Tschaikowskys Kinderalbum op.39 (wobei die Pianistin betonte, es handle sich um ein "Album für die Jugend" und nicht "für Kinder"). Darunter auch ein "Deutsches Lied", und Tschaikowsky hat sich da für einen wein- und schunkelseligen Walzer entschieden, der das Deutsche beschreibt. So charmant wie hier gespielt, hört man das gern. Dann endlich ein französischer Komponist, denn schließlich sind Debussy und die französische Klaviermusik der Schwerpunkt des Klavierfestivals 2018: La Valse von Maurice Ravel in der Fassung für zwei Klaviere. Marta Argerich und Sergio Tiempo spielen sich die pianistischen Bälle zu, dass es eine Freude ist. Sie bedecken den Walzer mit einer kräftigen impressionistischen Schicht aus Dekadenz und fin de siecle, sehr atmosphärisch, aber auch ungemein kraftvoll und mit vielen wirkungsvollen Glissandi über die ganze Tastatur. Grandios.
Frank Chastenier und Thomas Quasthoff (Foto: Mark Wohlrab)
Noch ein perfekt abgestimmtes Duo: Maki Namekawa und Dennis Russel Davies mit einer Bearbeitung von Stücken aus Bernsteins Musical On the Town für zwei Klaviere, stilsicher und mit angemessener Lässigkeit. Eine Hommage an Bernstein werden die beiden beim anstehenden Festival in Rheinberg spielen. Amerikanisch ging es weiter mit George Gershwin, Summertime und Ain't necessarily so aus Porgy and Bess in einer Fassung für Violine und Klavier. Anne-Sophie Mutter schleift so gut wie jeden Ton mit Glissando an und gibt den Songs eine sentimentale Note - muss man nicht mögen. Ihren eher dünnen Geigenton trägt der Raum weit weniger gut als Brendels Celloklang zuvor. Khatia Buniatishvili begleitet zurückhaltend und lässt der Grande Dame des schulterfreien Geigenspiels den Vortritt.
Michel Camilo (Foto: Peter Wieler)
Das letzte Viertel des Abends gehört der Jazz-line. Phantastisch das gelassene Duo des großartigen Till Brönner mit nebensächlicher Virtuosität und weichem Trompetenklang und dem nicht weniger großartigen Dieter Ilg am kraftvoll gezupften Bass. Danach erweist sich Frank Chastenier einmal mehr als überaus sensibler Pianist bei einer sehr zarten Interpretation von John Lennons Imagine mit von Hand gezupften Klaviersaiten am Beginn. Thomas Quasthoffs opernerfahrener Bariton klingt dafür zu groß, zu dominant. Danach bringen die vier Ausnahmemusiker es auch textlich auf den Punkt: Can't we be friends? Musikalisch jedenfalls können Sie's.
Applaus und Dank: Franz Xaver Ohnesorg und Alfred Brendel (Foto: Peter Wieler)
Der Abschluss gehörte Michel Camilo mit Dauer-Power am Klavier. Faszinierend, wie in permanenter Steigerung spielt, ohne die Spannung je einreißen zu lassen - ein energiegeladener Rausschmeißer. Und dann gibt es, zum Schlussapplaus, doch noch das explizite Ständchen für das Geburtstagskind, angeführt von Camilo und Brönner an ihren Instrumenten, und alle singen mit. Wir schließen uns gerne an: Happy Birthday, lieber Franz Xaver Ohnesorg.
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Klavierfestival Ruhr 2018 Wuppertal, Historische Stadthalle Großer Saal 9. März 2018 Ausführende und ProgrammFranz Schubert:Rondo für Klavier zu vier Händen in D-Dur D608 op. posth. 138 Joseph Moog Gerhard Oppitz Franz Schubert : Sehnsucht op. 105/4 D879 (Johann Gabriel Seidl) Im Abendrot D799 (Karl Gottfried Lappe) Bei Dir allein op. 95/2 D866/2 (Johann Gabriel Seidl) Juliane Banse (Sopran), Gerhard Oppitz Ludwig van Beethoven: Zwölf Variationen über den russischen Tanz aus dem Ballett "Das Waldmädchen" von Paul Wranitzky WoO71 Olli Mustonen Alfred Brendel liest ein eigenes Gedicht György Kurtág: Zwei Stücke für Violoncello solo Johann Sebastian Bach: Bourrée aus Suite für Violoncello solo Nr. 3 C-Dur BWV 1009 Adrian Brendel, Cello Peter Iljitsch Tschaikowsky: Aus: Kinderalbum op. 39 Elena Bashkirova Maurice Ravel (1875-1937) La Valse (Fassung für zwei Klaviere) Martha Argerich Sergio Tiempo --- Pause --- Leonard Bernstein: Aus: Three Dance Episodes from "On the Town" (Bearbeitung für zwei Klaviere von Charlie Harmon) Lonely Town: Pas de deux Times Square: 1944 Maki Namekawa & Dennis Russell Davies George Gershwin: Aus: Porgy and Bess (Bearbeitung von Jascha Heifetz) It Ain't Necessarily So Summertime Anne-Sophie Mutter (Violine) Khatia Buniatishvili Duo Till Brönner (Trompete) Dieter Ilg (Bass) Imagine (John Lennon) Thomas Quasthoff (Vocals) Frank Chastenier (Piano) Can't we be friends Till Brönner (Trompete) Thomas Quasthoff (Vocals) Frank Chastenier (Piano) Dieter Ilg (Bass) Medley Michel Camilo (Piano) Klavierfestival Ruhr 2018 - unsere Rezensionen im Überblick
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