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Kein Platz für gefällige Romantik
Von Stefan Schmöe
Nichts ist, wie es scheint. Schuberts Klaviersonate H-Dur aus den Jahren 1817/18 beginnt zwar mit einem signalartig gebrochenen Dreiklang, aber alsbald geht die Tonart verloren. Vergleichbar irritierend wechseld abrupt die Lautstärke, stehen Piano und Forte, ein paar Takte später gar Fortissimo und Pianissimo hart nebeneinander. Mitsuko Uchida betont in ihrem erst dritten Auftritt in der 30jährigen Geschichte des Klavierfestival Ruhr eben diese Kontraste, glättet nichts, im Gegenteil: Harter, trockener Anschlag, sehr kraftvoll und energisch. Kleine Verschiebungen der Akzente und Zäsuren, winzige Pausen stehen als Irritationsmomente dem musikalischen Fluss entgegen. Sie kann auch anders, der überraschend schnell einsetzende Seitensatz beginnt romantisch zart und überaus delikat gespielt, erklingt hier aber ganz bewusst wie ein Fremdkörper. So konstruiert die Pianisten diesen Satz und die gesamte Sonate mitunter wie eine Collage aus disparaten Elementen, die aber durch unbedingten Formwillen aufeinander bezogen werden. Manche Passagen klingen dabei in ihrer Strenge wie Nachfahren Bach'scher Inventionen. Mitsuko Uchida präsentiert keine romantisch gefällige Interpretation, sondern eine ungeheuer spannende mit großer Klarheit.
Mitsuko Uchida (Foto: Mark Wohlrab)
Extreme Kontraste prägen auch die Interpretation der in ihrer Dramatik eingänglichere Sonate a-Moll D845 aus dem Jahr 1825. Grandios ist, wie es Uchida gelingt, die Gegensätze ganz selbstverständlich miteinander zu verbinden, etwa das hämmernde Achtelmotiv mit Oktavsprung und Tonrepetition im Fortissimo mit den nachfolgenden Staccato-Vierteln im Piano, sodass Polarität und logische Verbindung gleichermaßen zum Ausdruck kommen. Geradezu verängstigend hängt dieses Motiv fortan über jedem kleinen Melodiefragment, als warte die Pianistin geradezu darauf, dass es wie eine Falle zuschnappt. Und auch hier wird man durch den Einbruch des Romantischen mitunter geradezu überrumpelt. Unwirklich und mit beinahe impressionistischer Farbgebung beginnt der Durchführungsteil mit dem Anfangsmotiv in Oktavparallelen, später wird auch das Trio im Scherzo-Satz mit ganz ähnlichen Farben wie eine ferne Vision inmitten des Dramas aufleuchten. Diese Interpretation hat etwas Theatralisches, wie ein fortdauernder Dialog - ein sehr schneller, ständig wechselnder Schlagabtausch, sehr pointiert in der Charakterisierung der einzelnen Motive, die einander ins Wort fallen.
Mitsuko Uchida (Foto: Mark Wohlrab)
Im Gegensatz zu dieser kleinteilig ausgestalteten, aber immer die Logik des großen Zusammenhangs mitdenkenden Interpretation hebt Mitsuko Uchida im Kopfsatz der Sonate D-Dur D850 (ebenfalls aus dem Jahr 1825) stärker die Sogkraft hervor, lässt ihn vom ersten Ton an auf das Ende zustürzen. Die Sonate wirkt bei ihr geschlossener, weniger erratisch als die vorangegangenen, ohne dass sie auf Irritationsmomente verzichten würde: Der merkwürdige Beginn des Scherzos, bei dem der ganze erste Takt wie ein überdimensionierter Auftakt wird, hat ebenso bärbeißigen Witz wie das provokativ naive Thema des Finales, nach Schuberts eigenen Worten "eine Satire auf den Pleyel-Vanhal'schen Schlafmützenstil" (gemeint sind Schuberts Zeitgenossen Ignaz Pleyel und Johann Baptist Vanhal). Die vermeintliche Harmlosigkeit entpuppt sich schnell als Täuschung. Eine Zugabe mochte die charismatische Grande Dame der Klaviermusik trotz stehender Ovationen nicht geben.
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Klavierfestival Ruhr 2018 Mülheim an der Ruhr, Stadthalle 26. April 2018 AusführendeMitsuko Uchida, KlavierProgrammFranz Schubert:Sonate Nr. 9 H-Dur D 850 Franz Schubert: Sonate Nr. 16 a-Moll D 845 - Pause - Franz Schubert: Sonate Nr. 17 D-Dur D 850 "Gasteiner" Klavierfestival Ruhr 2018 - unsere Rezensionen im Überblick
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