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Traditionsreiche Pfingstfestspiele an der DonauDie 34. Tage Alter Musik in RegensburgText und Fotos von Ingo Negwer Mit siebzehn Konzerten boten die Tage Alter Musik Regensburg in ihrer 34. Auflage wieder ein überaus großes Angebot für die zahlreichen Fans der historischen Aufführungspraxis im Allgemeinen und des traditionsreichen Festivals im Speziellen. Ensembles aus Tschechien, Italien, Belgien, Großbritannien, Frankreich, Finnland, Norwegen, aus der Schweiz und aus Deutschland präsentierten sich am Pfingstwochenende in den nahezu stets ausverkauften altehrwürdigen Spielstätten. Den Auftakt gestalteten, wie gewohnt, die Regensburger Domspatzen. Unter der Leitung von Roland Büchner und begleitet von Concerto Köln sang der international bekannte Knabenchor Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy: zunächst die Choralkantate Verleih uns Frieden gnädiglich, anschließend die festliche Lobgesang-Sinfonie. Die Solisten der Sinfonie waren Miriam Alexandra (Sopran) und Werner Güra (Tenor) sowie ein leider nicht namentlich genannter Knabensopran der Domspatzen, der im Duett "Ich harrete des Herrn" zusammen mit Miriam Alexandra aufhorchen ließ. Eröffnungskonzert in der Dreieinigkeitskirche: Regensburger Domspatzen und Concerto Köln
Duette der besonderen Art waren am Samstagmorgen in der Schottenkirche zu hören. Hier wetteiferten die Sopranistin Hana Blažíková und der Zinkenist Bruce Dickey musikalisch miteinander. Hana Blažíková gehört mit ihrem makellosen, äußert flexiblen Sopran und einer exzellenten Deklamation derzeit zweifellos zu den Besten ihres Fachs. Gleiches gilt für Bruce Dickey, dessen brillantes Spiel das Vorbild der menschlichen Stimme stets erahnen lässt. Zusammen ließen sie die Musik von Maurizio Cazzati, Sigismondo d'India, Tarquinio Merula, Alessandro Scarlatti u.a. in einem hellen, makellosen Licht erstrahlen. Den Solisten zur Seite wirkten Veronika Skuplik und Francisca Anna Hajdu (Violinen) sowie Jakob Lindberg (Theorbe), Mieneke van der Velden (Viola da Gamba) und Kris Verhelst (Cembalo, Orgel) mit, die das Programm mit instrumentalen Intermezzi abrundeten. Eine besondere, mittelalterlich-modal anmutende Klangfarbe brachte das meditative "Mélena imí" (Nigra sum) der griechischen Komponistin Calliope Tsoupaki (geb. 1963) in das Konzert. Matinee in der Schottenkirche, v.l.n.r.: Jakob Lindberg, Hana Blažíková, Mieneke van der Velden, Bruce Dickey
Am Nachmittag erinnerte das belgische Ensemble InAlto um den jungen Zinkenisten Lambert Colson an die großen Pestepidemien, die Venedig im 16. und 17. Jahrhundert heimgesucht hatten. Im Mittelpunkt des Programms stand die Erbauung der Kirche Maria della Salute im Jahre 1631. Geistliche Kompositionen und Instrumentalmusik wurden in vier Themenblöcken stimmig zusammengeführt. Jedoch hätte man sich angesichts der dargebotenen Werke von Giovanni Gabrieli, Claudio Monteverdi und Zeitgenossen sowie der Thematik ein expressiveres, kontrastreicheres Musizieren gewünscht. So war alles recht gut, schön - und zu brav. Wie es auch anders gehen kann, zeigten im Abendkonzert das Vokalensemble Polyharmonique und das La Folia Barockorchester. Im besten Sinne beseelt sangen und spielten die hervorragenden Musiker Werke von Marco Giuseppe Peranda, Francesco Bartolomeo Conti, Giovanni Pierluigi da Palestrina und Francesco Durante in Bearbeitungen von Johann Sebastian Bach. Alessandro Marcellos Oboenkonzert d-Moll erklang im ersten Teil mit Tatjana Zimre als Solistin in der Originalgestalt, nach der Pause in Bachs Cembalo-Bearbeitung, gespielt von Andreas Küppers - hier musste man in der großen Dreieinigkeitskirche schon recht genau hinhören. Bach selbst wurde vom glänzend aufgelegten Ensemble Polyharmonique, in dem sich exzellente Einzelstimmen zu einem harmonischen Ganzen vereinten, mit der Motette Lobet den Herren die Ehre erwiesen. Tenebrae Consort, rechts im Bild: Nigel Short
Mit einem weiteren musikalischen Höhepunkt ging der Samstag in der Schottenkirche zu Ende. Das Tenebrae Consort führte die Missa pro defunctis von Tomás Luis de Victoria auf. Dabei überzeugte das zehnköpfige britische Vokalensemble unter der Leitung von Nigel Short mit einer verblüffenden Perfektion und Homogenität der Stimmen, denen bei aller Klarheit stets ein angenehm irdisch-raues Timbre anhaftete. Mit einer großen dynamischen Spannweite und, wo angebracht, quasi instrumentaler Schärfe verliehen die Sängerinnen und Sänger Victorias 1605 veröffentlichter Totenmesse eine bewegende Eindringlichkeit und Emotionalität. Stehende Ovationen zum Schluss. Bachs Motetten im WohlklangDer Geigenvirtuose Heinrich Ignaz Biber ist bekannt für seine extravaganten Kompositionen für Violine. Insbesondere liebte er das Experiment mit verschiedenen Stimmungen seines Instruments, so in den Triosonaten der Harmonia Artificiosa Ariosa aus dem Jahr 1712. Aus diesem Opus führte das Ensemble Les Passions de l'Ame in der Sonntagsmatinee vier Partiten auf. Die beiden Geigerinnen Meret Lüthi und Sabine Stoffer mussten für dieses anspruchsvolle Programm auf nicht weniger als acht Instrumente zurückgreifen, die ihnen Geigenbauer der Instrumentenausstellung (die, wie alljährlich, im Salzstadel stattgefunden hat) zur Verfügung gestellt hatten. Dieser Instrumentenwechsel ist hinsichtlich Intonation und Handhabung an sich schon eine große Herausforderung, erst recht unter den bekanntermaßen schwierigen klimatischen Bedingungen des historischen Reichssaals. Nichtsdestotrotz konnte das sympathische Ensemble aus der Schweiz mit Charme und Spielfreude das Publikum für sich gewinnen. Und das einmalige Klangerlebnis der verschiedenen Skordaturen - mal hell und brillant in der Partita Nr. 6, mal warm und dunkel in der Nr. 1 - ließ so manche Unsauberkeit schnell vergessen. Les Passions de l'Ame im Reichssaal: Meret Lüthi, Sabine Stoffer, Vincent Flückiger, Rebecca Rosen, Matthias Müller, Ieva Saliete
Am Nachmittag waren in der Minoritenkirche Auszüge aus dem Livre vermeil de Montserrat zu hören. Das Manuskript aus dem 14. Jahrhundert überliefert Musik, die von Pilgern am Ziel ihrer Reise zur Schwarzen Madonna im katalanischen Kloster Monserrat gesungen wurde. Die französische Formation La Camera delle Lacrime um den charismatischen Tenor Bruno Bonhoure erweckte die Gesänge der Pilger in einer stimmigen halbszenischen Aufführung (Regie: Khaï-dong Luong) zusammen mit Sängerinnen und Sängern aus dem Raum Regensburg zum Leben. Anschließend zog der Pilgerstrom der Festivalbesucher weiter zur Basilika St. Emmeram, wo Vox Luminis mit einem weiteren Höhepunkt der diesjährigen Tage Alter Musik aufwartete. Mit acht vorzüglichen Sängerinnen und Sängern interpretierte das belgische Ensemble Johann Sebastian Bachs Motetten BWV 225-229 in bestens austariertem Wohlklang. Lediglich zu Beginn, in der doppelchörigen Motette Singet dem Herrn, traten die begleitenden Instrumente etwas zu stark in den Vordergrund, fügten sich später aber ebenfalls homogen in das schöne Klangbild ein. Vorbildlich war, nicht nur in Jesu, meine Freude, die ausgezeichnete Deklamation der Vokalisten. Als instrumentale Intermezzi spielte Vox luminis die Sinfonia aus der Kantate Am Abend desselbigen Sabbats und das Adagio aus der Einleitung des Osteroratoriums. Hier verdienen die beiden Oboisten Jasu Moisio und Christopher Palameta für ihr Spiel eine lobende Erwähnung. Insgesamt ließ dieses Konzert kaum Wünsche offen. Lediglich die rhetorischen Gesten der Bachschen Musik hätten zugunsten deutlicherer Kontraste das eine oder andere Mal etwas pointierter herausgearbeitet werden können. La Camera delle Lacrime, Bildmitte: Bruno Bonhoure an der Trommel
Am Sonntagnachmittag feierte das französische Ensemble Alia Mens mit frühen Kantaten von Johann Am Sonntagabend fand man sich wieder in der Dreieinigkeitskirche ein, wo das Finnish Baroque Orchestra unter der Leitung von Amandine Beyer (Violine) Werke von Georg Philipp Telemann, Georg Muffat und Jean-Marie Leclaire spielte. Die Finnen, erstmals 2003 noch als "Sixth Floor Orchestra" bei den Tagen Alter Musik in Regensburg zu Gast, entfalteten von Beginn an mit Telemanns berühmter Hamburger Ebb' und Flut in recht großer Besetzung barocke Orchesterpracht. In Georg Muffats Concerto grosso Nr. 6 Quis Hic kam so der Kontrast zwischen solistisch besetztem Concertino und dem großen Ensemble gut zur Geltung. Nach der Pause, während Leclairs Suite aus Scylla et Glaucus erklang, gab es im Publikum einen medizinischen Notfall, der eine längere Unterbrechung des Programms zur Folge hatte. Mit Leclairs Violinkonzert a-Moll ging es aber schließlich weiter - keine einfache Aufgabe für die souverän aufspielende Solistin Amandine Beyer. Stylus Phantasticus: Claire Lefilliâtre, Jean Tubéry, Evangelina Mascardi
Am Sonntagnachmittag feierte das französische Ensemble Alia Mens mit frühen Kantaten von Johann Sebastian Bach seine erfolgreiche Deutschlandpremiere. In solistischer Besetzung mit Maïlys de Villoutreys (Sopran), Pascal Bertin (Altus), Jeffrey Thompson (Tenor) und Etienne Bazola (Bass) gelangen überzeugende Interpretationen der Weimarer Kantaten Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen und Gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt. Einige wenige Abstimmungsprobleme und gelegentliche Defizite in der Textverständlichkeit, die dem Nachhall der Alten Kapelle geschuldet gewesen sein mögen, konnten den Gesamteindruck nur wenig trüben. Den Höhepunkt des Konzerts bildete der Actus tragicus: Berückend schön das Arioso mit Choral Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Festlicher Abschluss mit Zelenkas GotteslobGuter Dinge und frisch ging es am Montagmorgen zunächst in den Reichssaal, wo Stylus Phantasticus eine "Geographie der Gefühle" ausbreitete. Mal spielerisch leicht, mal expressiv oder einfach tänzerisch galant zeigte das renommierte Ensemble den Facettenreichtum der französischen Airs de Cour des 17. Jahrhunderts. Claire Lefilliâtre erwies sich mit ihrem dunkel timbrierten, unaufdringlichen Sopran als stilsichere Interpretin der Kompositionen von Pierre Guédron, Étienne Moulinié, Charles Tessiers u.v.a. Sie wurde in variablen Besetzungen von Jean Tubéry (Zink), Friederike Heumann (Diskant-Gambe & Leitung), Frauke Hess (Alt-Gambe), Leonard Bortolotto (Bass-Gambe), James Munro (Violone) und Evangelina Mascardi (Laute) begleitet. So gelang mit diesen leider viel zu selten dargebotenen musikalischen Kleinodien ein kurzweiliger, unterhaltsamer Einstieg in den letzten Festivaltag. Sollazzo Ensemble in der Minoritenkirche (v.l.n.r.): Roger Helou, Vivien Simon, Andrew Hallock, Sophia Danilevskaia, Perrine Devillers, Anna Danilevskaia
Im folgenden Konzert widmete sich das Sollazzo Ensemble der Musik an der Schwelle vom Mittelalter zur Renaissance. Auf dem Weg des Abendlandes in die Neuzeit spielte Italien eine herausragende Rolle. Dies gilt insbesondere für die Stadt Florenz unter der Herrschaft der Medici. Das Schweizer Ensemble beleuchtete in seinem Programm mit "Musik aus der Blütezeit des Humanismus" die kulturelle Blüte um 1350, die prägend für den gesamten europäischen Kontinent werden sollte. Im Mittelpunkt standen geistliche und weltliche Kompositionen von Paolo da Firenze und Francesco degli Organi, genannt Landini. Stilsicher ließen Perrine Devillers (Sopran), Andrew Hallock (Countertenor) und Vivien Simon (Tenor) ihre Stimmen geradezu schwerelos in der für diese Musik idealen Akustik der Minoritenkirche aufsteigen. Sophia und Anna Danilevskaia (Fidel), Roger Helou (Organetto) und Franziska Fleischanderl (Salterio) bereicherten die Gesänge mit ihren Instrumenten und setzten mit manchem schönen Intermezzo, etwa dem anonymen Poi che veder non posso, eigene hörenswerte Akzente. Nach Lorenzo da Firenzes A poste messe, einer tonmalerischen Caccia, wurde das Sollazzo Ensemble vom Publikum mit großem Beifall bedacht. Abschlusskonzert der 34. Tage Alter Musik mit Ensemble Inégal - Prague Baroque Soloists
Das Abschlusskonzert der 34. Tage Alter Musik war einem leider immer noch viel zu wenig beachteten Zeitgenosse Johann Sebastian Bachs gewidmet: Jan Dismas Zelenka (1679-1745). Das Ensemble Inégal - Prague Baroque Soloists hat die Psalmi Vespertini des in Dresden wirkende Böhmen auf CD eingespielt und 2015 veröffentlicht. In der Dreieinigkeitskirche präsentierten die Tschechen unter der Leitung von Adam Viktora eine Auswahl dieser Kompositionen, in denen Zelenka eine große Spannweite religiöser Andacht musikalisch zum Ausdruck brachte. Allerdings galt es neben der liturgischen Funktion der Psalmi auch, dem repräsentativen Bedürfnis des sächsisch kurfürstlichen Hofes gerecht zu werden. Große Klangpracht mit Pauken und Trompeten kommt ebenso zum Tragen wie am Vorbild der italienischen Oper geschulte Virtuosität, insbesondere der Gesangssolisten. Gabriela Eibenová und Lenka Cafourková (Sopran), Terry Wey (Altus), Virgil Hartinger (Tenor) sowie Marián Krej?ík (Bass) - alle aus den Reihen des sehr guten 17-köpfigen Chores - ließen da kaum Wünsche offen. Das hervorragende Orchester gab ein weiteres Mal eine Kostprobe der vorzüglichen Barockorchestertradition Tschechiens. Mit stehenden Ovationen verlangte das Publikum eine Zugabe, so dass die Tage Alter Musik mit einem Da Capo des "Amen" aus Zelenkas Magnificat festlich zu Ende gingen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
18. bis 21. Mai 2018 Tage Alter Musik Regensburg Die Konzerte der 34. Tage Alter Musik: Freitag, 18. Mai 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Regensburger Domspatzen & Concerto Köln (Deutschland) 22.45 Uhr, Schottenkirche Alamire & The English Cornetti & Sackbut Ensemble (Großbritannien) Samstag, 19. Mai 11.00 Uhr, Schottenkirche Hana Blažíková, Sopran (Tschechien) & Bruce Dickey, Zink (Italien) 14.00 Uhr, Neuhaussaal, Theater am Bismarckplatz European Union Baroque Orchestra & Figurentheater "Favoletta" (Deutschland) 16.00 Uhr, St.-Oswald-Kirche Inalto (Belgien) 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche La Folia Barockorchester & Ensemble Polyharmonique (Deutschland) 22.45 Uhr, Schottenkirche Tenebrae Consort (Großbritannien) Sonntag, 20. Mai 11.00 Uhr, Reichssaal Les Passions de l'Ame (Schweiz) 14.00 Uhr, Minoritenkirche La Camera delle Lacrime (Frankreich) 16.00 Uhr, Basilika St. Emmeram Vox Luminis (Belgien) 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Finish Baroque Orchestra (Finnland) 22.45 Uhr, Konzertsaal Leerer Beutel Barokksolistene (Norwegen) Montag, 21. Mai 00.15 Uhr, Restaurant Leerer Beutel Barokksolistene (Norwegen) 11.00 Uhr, Reichssaal Stylus Phantasticus (Deutschland) 14.00 Uhr, Minoritenkirche Sollazzo Ensemble (Schweiz) 16.00 Uhr, Basilika U. L. Frau zur Alten Kapelle, Alter Kornmarkt Ensemble Baroque Atlantique (Frankreich) 20.00 Uhr, Dreieinigkeitskirche Ensemble Inégal - Prague Baroque Soloists (Tschechien)
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