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Zweimal Verismo mit schockierendem EndeVon Thomas Molke / Fotos: © Clive Barda
Obwohl Franco Leoni und Umberto Giordano
Uin-Scî (Leon Kim, links) prophezeit dem Händler
Hu-Tsin (Benjamin Cho, rechts) zwei schreckliche Todesfälle.
Den Anfang macht Leonis Oper
Beim chinesischen Neujahrsfest fasst Cim-Fen (Joo
Won Kang, vorne links) den grausamen Plan, Hu-Tsins (Benjamin Cho, vorne Mitte)
kleien Sohn Hu-Cî (Cillian McCarnley) zu entführen (rechts vorne: Hua-Quî
(Louise Innes), dahinter der Chor).
Uin-San-Lui (Sergio Escobar) will den kleinen
Hu-Cî (Cillian McCarnley) retten..
Vito (Sergio Escobar, Mitte) legt vor Gott einen
Schwur ab, dass er ein "gefallenes" Mädchen aus ihrem Elend befreien werde, wenn
er von seiner Krankheit geheilt wird (um ihn herum das Volk (Chor) und Amalia
(Dorothea Spilger, im roten Kleid)).
Nach der Pause folgt dann Giordanos Mala vita. Die Geschichte spielt um
1810 in der Nähe des Hafens von Neapel einige Tage vor dem traditionellen
Piedigrotta-Fest, was dazu führte, dass das Stück bei der Aufführung in Neapel
zwei Monate nach der Uraufführung in Rom einen Eklat auslöste und nach der
ersten Vorstellung abgesetzt wurde. So viel Realismus wollte man im damaligen
Neapel scheinbar nicht auf der Bühne sehen. Giordano arbeitete daraufhin die
Oper 1897 noch einmal unter dem Titel Il voto um, nahm ihr dabei
allerdings zahlreiche Schärfen und Kanten. In Wexford greift man auf die
Urfassung zurück. Darin unterhält der Färber Vito bereits seit längerer Zeit ein
Verhältnis mit Amalia, ohne dass ihr Mann, der Kutscher Annetiello, etwas davon
weiß. Vito ist an Tuberkulose erkrankt und hat gerade einen heftigen Anfall, so
dass die Friseuse Nunzia ihm rät,
ein Gelübde vor Gott abzulegen, um von der Krankheit geheilt zu werden. Vito
schwört vor Gott, ein "gefallenes" Mädchen aus ihrem Elend zu befreien und zu
heiraten. Kurz darauf begegnet er der unglücklichen Prostituierten Cristina,
die ihn fasziniert und der er sofort verspricht, sie zur Frau zu nehmen.
Cristina schöpft Hoffnung auf ein glücklicheres Leben. Als Amalia von Vitos Plan
erfährt, wird sie sehr wütend, ruft Cristina zu sich und fordert sie auf, Vito
zu verlassen. Cristina weigert sich, und Amalia bedroht sie, aber Cristina
bleibt standhaft. Kurz darauf stellt Amalia Vito zur Rede. Dabei gelingt er ihr,
ihn erneut zu verführen. Durch das Fenster beobachtet Cristina, wie die beiden
sich umarmen und küssen. Beim Piedigrotta-Fest stellt Cristina Vito zur Rede.
Doch er weist sie zurück und geht mit Amalia zum Fest. Während das Volk fröhlich
feiert, beklagt Cristina ihr Schicksal und sieht sich gezwungen, ins Bordell
zurückzukehren. Vor der Tür bricht sie zusammen.
Vito (Sergio Escobar) verspricht der
Prostituierten Cristina (Francesca Tiburzi) die Ehe.
Gaitanou lässt das Stück im gleichen Bühnenbild spielen wie die erste Oper des
Abends. Aus Chinatown ist nun Little Italy in New York geworden. Die Geschäfte
im Erdgeschoss tragen nun italienische Namen, und so trifft man sich zum Feiern
im "Café Napoli". Auch hier unterstreicht Gaitanou den veristischen Charakter
durch brutale Nebenhandlungen. So wird direkt zu Beginn der Oper ein Mann völlig
unnötig krankenhausreif geschlagen. Auch am Ende ahnt man schon, dass Gaitanou
sich nicht damit zufrieden geben wird, Cristina vor der Tür des Bordells
zusammenbrechen zu lassen, und einen einen "spektakuläreren" Schluss
anstrebt wird.
Folglich hält sich Cristina einen Revolver an die Schläfe und drückt ab, während das
Volk im Hintergrund ausgelassen das Piedigrotta-Fest feiert. Sieht man von
diesen Effekten ab, überzeugt Gaitanous Regieansatz erneut durch eine sehr
präzise Personenführung. Etwas fragwürdig bleibt im Libretto, wieso der schwer
an Tuberkulose erkrankte Vito, im weiteren Verlauf des Stückes völlig gesundet
zu sein scheint. Sollte es wirklich der geschworene Eid sein? Dann müsste die
Krankheit ja spätestens dann zurückkehren, wenn er Cristina verlässt. Hier sucht
Gaitanou einen nachvollziehbareren Ansatz, der mit der Musik und dem gesungenen
Text durchaus in Einklang zu bringen ist. Bei einer Prozession mit dem Kreuz, die wunderbar
parallel zum Auftritt mit dem Drachen im ersten Stück in Szene gesetzt wird, hat
er erneut einen schlimmen Hustenanfall, bei dem er Blut spuckt. Dies
scheint, ihm den Eindruck zu vermitteln, dass sein Gelübde gar nichts gebracht
hat. Er erkennt, dass er die Krankheit nicht überwunden hat und überlegt sich
deshalb, seine Beziehung zu der verheirateten Amalia nicht ruhen zu lassen.
Unklar bleibt allerdings, wieso Gaitanou mehr oder weniger andeutet, dass
Amalias Ehemann Annetiello von dem Verhältnis seiner Frau weiß oder ahnt. Das
gibt das Stück nun wirklich nicht her, weil das bei dieser Figur sicherlich eine
andere Reaktion hervorgerufen und zu einem anderen Ende geführt hätte.
Musikalisch übertrifft dieser Teil noch Leonis L'oracolo. Giordanos Musik
ist wesentlich farbenreicher und effektvoller gestaltet und weist zahlreiche
Parallelen zu Puccinis Dramatik auf, die Cilluffo mit dem Orchester sehr
emotional herausarbeitet. Bemerkenswert ist, dass Vito im dritten Akt vor dem
traditionellen Piedigrotta-Fest eine Melodie anstimmt, die Eduardo di Capua in
seinem berühmten Lied "O sole mio" wieder aufgenommen hat. Im Gegensatz zu
Webber bei Leonis L'oracolo weiß man bei di Capua allerdings, dass er
Giordanos Oper gekannt hat, so dass ihn die Melodie sicherlich inspiriert haben
dürfte. Der Chor begeistert auch in diesem Teil mit fulminantem Klang.
Grandioser Schlagabtausch zwischen zwei
Rivalinnen: Cristina (Francesca Tiburzi, rechts) und Amalia (Dorothea Spilger,
links)
Francesca Tiburzi begeistert als Cristina
mit kräftigem Sopran und dramatischen Höhen. Ihr erstes Duett mit Vito weckt
musikalisch Erinnerungen an die erste Begegnung von Rodolfo und Mimì in Puccinis
La bohème. Dabei lässt Gaitanou Cristina allerdings nicht ganz so naiv
wie Puccinis Mimì auftreten. Zu Beginn ist sie durchaus noch als Prostituierte
zu erkennen, und die Blume, die sie Vito "zuwirft", landet eher zufällig vor
seinen Füßen, als sie ihr Bettlaken auf dem Balkon ausschüttelt. Erst allmählich
schenkt sie seinem Werben Glauben und entwickelt nun ein Gefühl der Hoffnung,
ihrem trostlosen Leben entfliehen zu können. Umso tiefer ist dann ihr Fall im
großen Finale des dritten Aktes, wenn Vito sie verlassen hat, was von Tiburzi
derart leidenschaftlich gestaltet wird, dass man auch den eingefügten Selbstmord
fast als zwangsläufige Notwendigkeit akzeptiert. Sergio Escobar verfügt als Vito
über einen kraftvollen Tenor, der in den extremen Höhen große Strahlkraft
besitzt. Darstellerisch bewegend gestaltet er Vitos inneren Kampf, von seiner
sündhaften Beziehung zu Amalia endlich abzulassen, den er schließlich doch
verliert. Erschreckend kalt serviert er dann Cristina ab, nach der ihr zunächst
falsche Hoffnungen gemacht hat. Dorothea Spilger glänzt als Amalia mit farbigem
und verführerischem Mezzosopran und überzeugt auch darstellerisch als Femme
fatale, die keine Grenzen akzeptiert. Ein musikalischer Glanzpunkt ist ihr
Schlagabtausch mit Tiburzi im zweiten Akt, wenn Amalia auf ihre Rivalin Cristina
trifft. Hier punkten Tiburzi und Spilger mit dramatischen Höhen und intensivem
Spiel. Leon Kim gestaltet die Partie von Amalias Ehemann Annetiello mit
beweglichem Bariton und scheint in seinem Spiel dem einen oder anderen
Seitensprung gegenüber auch nicht abgeneigt zu sein. Vielleicht soll das
als Erklärung dafür dienen, dass er dem erahnten Verhältnis seiner Frau mit Vito
nicht weiter nachgeht. Benjamin Cho und Anna Jeffers runden als Marco und Nunzia
das Solisten-Ensemble hervorragend ab, so dass alle Beteiligten mit großem
Applaus belohnt werden.
FAZIT
Beide Stücke würden musikalisch mit Mascagnis Cavalleria rusticana
genauso gut funktionieren wie Leoncavallos Pagliacci, wobei musikalisch
vielleicht Giordanos Mala vita der Vorzug zu geben wäre.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2018 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungFrancesco Cilluffo Regie Bühne und Kostüme Licht Chorleitung Kinderchor
Chor und Kinderchor des
SolistenL'oracolo Uin-Scî
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- Fine -