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Ein Hauch vom Wildem Westen im Whites HotelVon Thomas Molke / Fotos: © Paula Malone Carty Obwohl Puccinis La fanciulla del West nicht zu seinen bekanntesten Opern zählt, soll der Komponist selbst das Stück als seine "größte Oper" bezeichnet haben. Dabei ist das glückliche Ende eher untypisch für Puccinis Werke, an deren Ende in der Regel der Tod der weiblichen Titelheldin steht. Von daher passt das Werk eigentlich sehr gut zum Wexford Festival Opera, das sich ja auf die Aufführung von eher unbekannten Werken konzentriert. So selten aufgeführt wird die Oper allerdings nun auch wieder nicht, so dass man sich entschlossen hat, das Stück im Rahmen der so genannten "Short Works" zu präsentieren, die mit einstündigen Kurzopern oder gekürzten Kammerfassungen gängiger Repertoire-Stücke seit vielen Jahren das Festival bereichern. Ob der Titel "short" hierbei allerdings passend ist, ist diskutabel, da die Aufführung an diesem Nachmittag gut 105 Minuten umfasst. Viel lässt sich bei dem Werk aber auch nicht kürzen, da die durchkomponierte Oper eine sich stets entwickelnde musikalische Darstellung der Handlung aufweist, die wenig Möglichkeiten zum Streichen bietet. Minnie (Elisabetta Farris) gibt den Goldgräbern (von links: Sonora (Jolyon Loy), Harry (Andrew Masterson), Trin (Chase Hopkins) und Joe (Dominick Felix)) Unterricht. Dafür bekommt man allerdings eine Inszenierung geboten, die auf jeglichen Regie-Schnickschnack oder zwanghafte Aktualisierungsversuche verzichtet, sondern trotz der eingeschränkten Bühnenmöglichkeiten im Whites Hotel einen Hauch vom Wilden Westen verbreitet. Verantwortlich zeichnet dafür die US-amerikanische Sopranistin Brenda Harris, die vor allem in den USA große Erfolge in dramatischen Partien des italienischen Belcanto feiert und beim diesjährigen Wexford Festival Opera auch als Carlotta Vance in William Bolcoms Dinner at Eight zu erleben ist. Angela Giulia Toso hat in rustikalen Holztönen einen Saloon entworfen, der sich blitzschnell in Minnies schlichte Kammer im zweiten Akt verwandeln lässt, indem die Holzverkleidung der hinteren Bühnenelemente und die Schwingtüren des Saloons entfernt werden und das Mobiliar ausgetauscht wird. Im dritten Akt reicht dann ein einfacher Strick, an dem Dick Johnson alias Ramerrez aufgehängt werden soll. Die Kostüme, für die ebenfalls Toso verantwortlich zeichnet, sind genauso historisch gehalten wie die Requisiten, so dass sich die Zuschauer wunderbar in die Zeit des Goldrausches in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurückversetzen können. Da muss Minnie nicht einmal am Ende der Oper auf einem Pferd zur Rettung ihres Geliebten Dick angeritten kommen. Es reicht, wenn man sie zunächst aus dem Hintergrund des Saals rufen hört und sie anschließend majestätisch mit dem "Pony Express Rider" (David Lynn) durch den Saal zur Bühne schreitet. Minnie (Elisabetta Farris) nimmt Dick Johnson (Richard Shaffrey, links) vor dem Sheriff Jack Rance (Craig Irvin, rechts) in Schutz. Musikalisch erinnert vieles an La bohème - kein Wunder also, dass Puccini selbst die Oper als seine "zweite Bohème" bezeichnet haben soll. Hinzu kommt eine beeindruckende Beschreibung eines in zahlreichen Erzählungen idealisierten Amerikas des Wilden Westens. Hier zeigt sich Puccinis großartiges Talent, in seiner Musik fremde Kulturen einzufangen. Leider ist es fast unmöglich, die Vielschichtigkeit der musikalischen Strukturen, die sich nur mit einem vollen Orchester richtig entfalten können, mit einer bloßen Klavierbegleitung einzufangen. Giorgio D'Alonzo leistet zwar am Klavier Außerordentliches, kann die Klangvielfalt eines kompletten Orchesterapparates aber bei allem Talent nicht ausgleichen. Dafür findet er für die intimen Momente zwischen Minnie und Dick Johnson eine ganz hervorragende Interpretation und ermöglicht so wunderbar tiefgreifende Charakterstudien der Figuren. Diese konzentriert Harris in einer ausgefeilten Personenregie nicht nur auf die drei Hauptfiguren. Auch die kleineren Partien erhalten sehr individuelle Züge und werden nicht auf eine undefinierbare Masse von Goldgräbern reduziert. Die Goldgräber (von links: Trin (Chase Hopkins), Harry (Andrew Masterson) und Sonora (Jolyon Loy)) und Ashby (Jack Sanderson, rechts) wollen Dick Johnson (Richard Shaffrey, vorne 2. von rechts) hängen sehen. Da sind vor allem Jolyon Loy als Sonora und Dominick Felix als Joe hervorzuheben. Loy überzeugt mit kräftigem Bariton und Felix mit hellem Tenor im eifrigen Werben um die Gunst Minnies. Da spendieren sie ihren Freunden auch gerne eine Runde Zigarren oder Whiskey, wenn der Wirt Nick sie glauben lässt, dass sie gute Chancen bei Minnie haben. José de Eça punktet als Nick mit strahlendem Tenor und spielt seine Verbundenheit zu Minnie überzeugend aus. Im zweiten Akt hat man den Eindruck, dass er den gesuchten Dick Johnson im Versteck bei Minnie bemerkt hat. Trotzdem verrät er seine Chefin nicht an den Sheriff. Fast schon wie kleine naive Jungen wirken die Goldgräber, wenn sie bei Minnie Bibelunterricht nehmen. Aber diese Ergebenheit und das entwickelte Vertrauen sind am Ende der Auslöser dafür, dass Minnie Dicks Begnadigung erlangen und in ein neues Leben aufbrechen kann. Den Solisten gelingt es mit ihrer glaubhaften Darstellung, diesen Schluss nicht im Kitsch versinken zu lassen. Große Anforderungen stellt die Musik an die drei Hauptpartien. Craig Irvin gestaltet den Sheriff Jack Rance mit kräftigem Bariton, der seine Unzufriedenheit über die Zurückweisung durch Minnie sehr deutlich macht. Während er im ersten Akt noch relativ unnahbar und kühl wirkt, verliert er im zweiten Akt, wenn er in Minnies Kammer auf der Suche nach dem geflohenen Banditen ist, seine Beherrschung. Eindrucksvoll gestaltet er die Poker-Partie, in der er Minnies falschem Spiel unterliegt und Dick zunächst nicht verhaften kann. Nicht ganz nachvollziehbar ist, wie Johnson anschließend doch in seine Gewalt gerät, so dass er im dritten Akt hingerichtet werden soll. Richard Shaffrey verfügt als Dick Johnson über einen strahlenden Tenor, der in den Höhen große Durchschlagskraft besitzt. Mit intensivem Spiel gelingt es ihm, Minnies Herz zu gewinnen, die ihm vor langer Zeit schon einmal begegnet ist. Da vergisst man beinahe, dass er ein gesuchter Verbrecher ist. Aber auch ihn scheint Minnie ja zu läutern. Elisabetta Farris gestaltet die anspruchsvolle Titelpartie mit kräftigem Sopran, der in den Höhen bisweilen ein wenig schrill klingt. Darstellerisch besitzt sie als Minnie die erforderliche Autorität, um in einer Männergesellschaft ihren Platz zu behaupten. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Brenda Harris gelingt es mit einem spielfreudigen Ensemble, das Publikum in die Zeit des Goldrausches eintauchen zu lassen, auch wenn die Inszenierung mit gut 105 Minuten eigentlich nicht mehr die Bezeichnung "short work" verdient.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2018 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGiorgio D'Alonzo Regie Bühne und Kostüme Licht
SolistenMinnie Jack Rance Dick Johnson Nick Ashby Sonora Trin Harry Joe Jim Larkens Wowkie Jake Wallace / Happy José Castro The Pony Express Rider
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- Fine -