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Klassik verkleidet, verfremdet, verknüpft
Das Mozartfest 2018 verabschiedet sich in einer "Jupiternacht" mit dem STEGREIF.orchester Text von Hiltrut Böhm / Fotos von Simon de Marco "Das Mozartfest steht ebenso für Bewahrung und Kontinuität wie für künstlerischen und intellektuellen Aufbruch. Große Musik der Vergangenheit mit dem Heute zu konfrontieren, sie neu zu befragen, in ihrer Aktualität neu begreifbar und fühlbar zu machen, das ist das Mozartfest im 21. Jahrhundert." So steht es im diesjährigen Pressetext zu lesen.
Folgerichtig hatte man zum Abschluss dieses Festivals ein Ensemble verpflichtet, das dem Anspruch, Klassik nicht als "museale Rückschau" aufzufassen, gerecht zu werden versprach, das STEGREIF.orchester aus Berlin unter der künstlerischen Leitung von Juri de Marco: Dreißig junge Musiker und Musikerinnen, die der Idee de Marcos folgend, auf der Grundlage klassischer Werke weit ausholende Improvisationen darbieten und dabei ganz ohne Dirigenten, ohne Noten, ja selbst ohne Stühle auskommen. Zu Beginn ist der Saal fast vollkommen in Dunkelheit gehüllt, das Orchester hat sich im Raum verteilt, es herrscht gespannte Stille, ehe sich langsam ein Klangteppich ausbreitet und durch die Seitentür eine Gruppe Streicher tanzend und spielend hereinzieht. Die ersten Takte der Symphonie KV 551 C-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart, der Jupitersymphonie erklingen - etwas schüchtern, aber deutlich erkennbar. Nur kurz allerdings wird dem Motto des Abends Rechnung getragen, dann findet man sich unvermittelt im Violinkonzert D-Dur von Johannes Brahms. Oder ist es ein Thema aus einer Symphonie? Glasklar und glockenrein löst sich die Solovioline aus dem Tutti, das inzwischen mit E-Gitarre und Schlagzeug den Saal erbeben lässt. Bald jedoch kehrt Ruhe ein. Eine Oboe improvisiert virtuos in Art der Klezmer - Musik, um schließlich in einem Thema aus der vierten Symphonie von Brahms zu münden. Nein, das muss die dritte sein? Nicht nur die Akteure, auch die Zuhörenden müssen flexibel sein, um das Wechselbad verschiedenster Stilrichtungen und Besetzungen nachzuvollziehen. Verstärkt werden die musikalischen Aussagen durch eine überwiegend rasante Choreographie: Die Musiker springen, kriechen, laufen über die Bühne und zwischen den Stuhlreihen hindurch, während sie auf ihren Instrumenten spielen, dazu singen oder auch einmal große symphonische Passagen niederbrüllen. Dazwischen immer wieder statische, meditative Momente, in denen nach Art des Jazz Solisten das Wort ergreifen. Es ist spürbar, dass die Mitglieder dieses Orchesters nicht nur fest verwurzelt sind in der Tradition der europäischen Klassik, sondern gleichzeitig vertraut mit den Klängen unserer globalisierten Welt und selbstbewusst genug, das eine mit dem anderen zu verknüpfen.
Erstaunlich, wie nahe alles beieinanderliegt und wie überzeugend sich Brahms´sche Melodien in einem orientalischen Gewand verstecken lassen. Es wäre allerdings hilfreich, wenn die zu erwartenden Stücke im Programmheft benannt würden. Immerhin bedarf solch ein Konzert trotz Stegreif und Spontaneität vorbereitende Absprachen, intensive Proben und ein schlüssiges Konzept. Wer weiß, ob man ohne ein solches zur Jupitersymphonie zurückgefunden hätte. Das war man dem Mozartfest jedoch schuldig. Und so gab es zum Schluss die letzten Takte dieses Werkes nahezu im Originalklang. Nun endlich ging das bis dahin zurückhaltende Publikum aus sich heraus. Mitreißende Musizierfreude, Einfallsreichtum und hohes technisches Können fanden ihren Widerhall in begeistertem Applaus. Bravorufe und Standing Ovation waren der Dank für einen spannenden, vergnüglichen Konzertabend der etwas anderen Art. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
24. Juni 2018 Vogel Convention Center, Würzburg Abschlusskonzert des 97. Mozartfests Jupiternacht mit dem STEGREIF.orchester
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