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Bayreuther Festspiele 2019
25.07.2019 - 28.08.2019

Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5 h 55' (zwei Pausen)

Aufführung im Festspielhaus Bayreuth am 16. August 2019 (3. Aufführung im Rahmen der Bayreuther Festspiele 2019)
(Premiere der Produktion: 25.07.2015)


Bayreuther Festspiele 2011 / Übersicht

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Liebestod ohne Tod

Von Thomas Molke, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

"O sink hernieder, Nacht der Liebe". Dieser Anfang des berühmten Duetts aus Wagners Tristan und Isolde mag wohl als Konzept über der Deutung durch Wagners Urenkelin Katharina, der Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele, gestanden haben. Denn so dunkel und düster hat man Wagners "Handlung in drei Aufzügen" wohl selten gesehen. Dabei mag schon der Begriff "Handlung", den Wagner für sein Meisterwerk verwendet, verwundern, denn allzu viel passiert in dieser Oper trotz ihrer Länge von fast vier Stunden reiner Spielzeit eigentlich nicht. Der Hauptteil der Aktion, die Unterwerfung Irlands durch König Markes Ziehsohn Tristan mit der Ermordung des Bräutigams der Isolde, Morold, und die Heilung des verwundeten Tristan durch Isolde, hat bereits stattgefunden, wenn sich der Vorhang hebt, und Tristan ist mit Isolde auf dem Weg zu König Marke, um diesem Isolde als Gattin zuzuführen. Danach erlebt man ein wort- und klanggewaltiges Drama über einen der traurigsten Ehebrüche der Operngeschichte, ohne dass viel geschieht, und auch im fünften und letzten Jahr von Katharina Wagners Inszenierung lässt sich ergänzen, dass man zusätzlich auch nicht viel sieht.

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Der Liebestrank wird von Tristan (hier: Stephen Gould, oben) und Isolde (Petra Lang, oben) nicht getrunken sondern verschüttet (unten: Kurwenal (Greer Grimsley) und Brangäne (Christa Mayer)).

Schon das Schiff, mit dem Tristan die zukünftige Gattin seines Königs nach Cornwall bringt, ist in der Inszenierung als solches kaum zu erkennen. Das riesige Konstrukt, das die beiden Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert, auf die Bühne gestellt haben, erinnert mit seinen labyrinthartigen Treppen und Wegen an ein Bild von Escher, bei dem sich weder Anfang noch Ende ausmachen lässt. Angelehnt ist es an ein Gemälde von Giovanni Battista Peranesi, "Carceri d'Invenzione" (Die Zugbrücke), einer düsteren Vision eines Höllenkerkers. Tristan und Isolde scheinen sich also schon direkt zu Beginn in einer Art Gefängnis zu befinden, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Kostüme von Thomas Kaiser sind zeitlos gehalten und arbeiten mit Farbsymbolik. Tristan und Isolde tragen blau, um sie als zwei Wesen zu beschreiben, die verbotene Grenzen überschreiten. Brangäne und Kurwenal sind grün kostümiert, womit sie als bodenständige Figuren gezeichnet werden sollen. Marke und Melot treten später in gelb-beige auf, was ihren neidvollen und missgünstigen Charakter unterstreichen soll. Katharina Wagner sieht Marke nämlich keineswegs als gutmütigen alten Mann, der am Ende sogar Verständnis für die verbotene Liebe zeigt, sondern als eine Art Mafia-Boss, der Tristan und Isolde mit voller Absicht in die Falle tappen lässt.

Für die Liebe zwischen Tristan und Isolde bedarf es folglich auch keines Trankes. Die starke Bindung zwischen den beiden ist bereits von Anfang an da. Schließlich hat Isolde den Mörder ihres Bräutigams gerettet, weil sie sich beim ersten Blick unsterblich in ihn verliebt hat. Wenn die beiden im ersten Aufzug aufeinander treffen, begrüßt sie ihn direkt mit einem leidenschaftlichen Kuss. Der Todestrank, den sie zuvor bei Brangäne eingefordert hat, braucht nicht durch einen Liebestrank ausgetauscht werden, da die beiden ihn sowieso nicht trinken. Stattdessen steigern sie sich auf einer Art Zugbrücke in Ekstase und schütten den Trank über ihre Hände aus. Kurwenal und Brangäne müssen von unten hilflos zusehen, wie die beiden unweigerlich ins Verderben laufen. Direkt bei der Ankunft werden Tristan und Isolde gewissermaßen in flagranti ertappt und abgeführt.

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"O sink hernieder, Nacht der Liebe": Tristan (hier: Stephen Gould) und Isolde (Petra Lang) gehen auf einen diffusen Lichttunnel zu.

Im zweiten Aufzug befinden sich Isolde und Brangäne in einem schwarzen Kerker mit metallenen Foltergeräten an den Wänden und auf dem Bühnenboden. Von oben werden sie mit Scheinwerfern von Marke und seinen Männern überwacht. Hier bleibt kein Schritt unbeobachtet. Mit Tristan wird auch Kurwenal in dieses Verlies geführt. Während Brangäne und Kurwenal einen Ausweg aus diesem Gefängnis suchen und dabei mit den diversen Folterinstrumenten an den Wänden in Berührung kommen, versuchen Tristan und Isolde, sich mit einem dunklen Tuch eine Art Höhle zu bauen, unter der sie von den Scheinwerfern ungesehen bleiben. Mit kleinen LED-Lämpchen gestalten sie sich in diesem Versteck einen Sternenhimmel, erkennen aber die Ausweglosigkeit ihrer Handlung, reißen das Tuch herab und stellen sich den gnadenlosen Scheinwerfern. Im berühmten Duett "O sink hernieder, Nacht der Liebe" schreiten sie dann mit dem Rücken zum Publikum auf zwei fahle Lichttunnel zu, in denen man jeweils den Schatten eines Menschen sieht, der sich auf dem Weg immer mehr verjüngt, bis er sich schließlich in ein Kind verwandelt hat. Dieses Licht soll wohl an ein Nahtoderlebnis erinnern. Eine riesige Spirale, die zuvor auf dem Boden vor Tristan und Isolde gelegen hat, hat sich währenddessen zu einem weiteren Folterinstrument aufgerichtet, an dem Tristan und Isolde im Anschluss versuchen, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Wenn die beiden im Tod Vereinigung suchen, taucht Marke mit Melot auf und gibt sich überrascht, obwohl er das Treiben die ganze Zeit von oben durch die Scheinwerfer beobachtet hat. Isolde und Brangäne werden abgeführt, während Tristan mit einer schwarzen Augenbinde zur Hinrichtung vorbereitet wird und Melot ihm ein Messer in den Rücken rammt.

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König Marke (Georg Zeppenfeld, rechts) hat mit Hilfe von Melot (Raimund Nolte, hinter Isolde) Tristan (hier: Stephen Gould, links vorne) und Isolde (Petra Lang) der Untreue überführt (im Hintergrund rechts: Brangäne (Christa Mayer)).

Wie Kurwenal mit dem schwer verwundeten Tristan überhaupt aus diesem Gefängnis nach Kareol entkommen sein soll, erschließt sich nicht. Der dritte Aufzug stellt bezüglich des düsteren Bühnenlichts von Reinhard Traub noch eine Steigerung dar. Auf der rechten Bühnenseite rahmt in fahl schimmerndem Licht Kurwenal mit dem Steuermann, dem Hirten und aus Symmetriegründen einem Statisten den auf dem Boden liegenden sterbenden Tristan ein. Im Folgenden hat dann Tristan immer wieder Visionen von Isolde, deren Ankunft er sehnsüchtig erwartet. Dazu leuchten an verschiedenen Stellen auf der in totale Finsternis getauchten Bühne Tetraeder auf, in denen sich jeweils ein Phantom von Isolde befindet. Mal verschwindet das Phantom im Bühnenboden, wenn Tristan es zu greifen versucht, dann zerfällt es plötzlich in einen bloßen Umhang oder agiert in solcher Höhe auf der Bühne, dass Tristan es nicht erreichen kann. In diesem Teil geht das düstere Konzept der Inszenierung am besten auf. Wenn Isolde dann schließlich wirklich ankommt, schimmern Gestalten auf der rechten Bühnenseite, die wie Geister wirken. Diese entpuppen sich aber kurz darauf als Marke und seine Männer, die das ganze Szenario scheinbar wieder geplant haben. Tristan hat sein letztes "Isolde" ausgehaucht und wird aufgebahrt. Kurwenal, Melot, der Hirt, der Steuermann und der Statist werden im Kampf getötet, und Marke legt mit seinen Männern inmitten der Leichen eine schwarze Schärpe zum Zeichen der Staatstrauer an.

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Keine Erlösung im "Liebestod": König Marke (Georg Zeppenfeld, rechts) zerrt Isolde (Petra Lang, rechts) vom toten Tristan (hier: Stephen Gould, links) weg. Nur Brangäne (Christa Mayer, links) bleibt zurück.

Isolde begreift nicht, dass ihr geliebter Tristan tot ist. Den abschließenden "Liebestod" verweigert ihr Katharina Wagner in ihrer Inszenierung jedoch. Stattdessen zerrt Marke sie von der Bahre, auf der sie neben dem toten Tristan Platz genommen hat, in den Bühnenhintergrund, nachdem sie ihren letzten Satz gesungen hat. Brangäne bleibt allein beim toten Tristan zurück. Musikalisch gibt es im letzten Jahr nicht nur Altbewährtes sondern auch einige Neuerungen. Neben Stephen Gould übernimmt für ein paar Aufführungen Stefan Vinke die Partie des Tristan, da Gould in diesem Jahr auch als Tannhäuser zu erleben ist und es selbst für einen Heldentenor zu viel sein dürfte, diese beiden Rollen an zwei aufeinander folgenden Tagen zu singen. Vinke verfügt über strahlende Höhen und im dritten Aufzug über scheinbar unendliche Kraftreserven. Wie er das lange Warten auf Isolde stimmlich und darstellerisch umsetzt, gehört zu den ganz großen Momenten des Abends. Auch mit dem Rücken zum Publikum vermag er im berühmten Duett "O sink hernieder, Nacht der Liebe" mit wunderbarer Textverständlichkeit zu begeistern. Neu ist auch Greer Grimsley als sein Gefährte Kurwenal, der die Partie mit markantem Bassbariton und einer hervorragenden Diktion gestaltet. Petra Lang hat die Isolde bereits in den vergangenen Jahren in Bayreuth interpretiert. Sie gestaltet die Partie mit dunklem, dramatischem Sopran. Ihr stellenweise recht starkes Vibrato geht allerdings vor allem im ersten Aufzug zu Lasten der Textverständlichkeit. Im oben genannten Duett findet sie mit Vinke zu einer wunderbaren Innigkeit und lässt diesen Augenblick neben ihrem "Liebestod" am Schluss zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends avancieren.

Christian Thielemann erweist sich am Pult des Festspielorchesters als absoluter Meister und lässt das Publikum in einen regelrechten Klangrausch versinken. Wie differenziert er die Tempi ansetzt, um die unterschiedlichen Stimmungen der Partitur einzufangen, ist wirklich großartig. Den Saal zum Toben bringen auch Christa Mayer als Brangäne und Georg Zeppenfeld als König Marke. Mayer glänzt mit dunklem Timbre und einer hervorragenden Textverständlichkeit. Zeppenfeld begeistert mit unendlich scheinenden Tiefen und autoritärem Bass. Da verzeiht man der Regie sogar, dass sie ihn als derartigen Bösewicht darstellt. Raimund Nolte gestaltet den intriganten Melot mit kräftigem Bassbariton. Tansel Akzeybek und Kay Stiefermann haben als Hirt (bzw.  junger Seemann im ersten Aufzug) und Steuermann zwar nicht allzu viel zu singen, dafür aber um so mehr zu spielen, da sie mit Kurwenal bis zu ihrer Ermordung am Bett Tristans wachen. Akzeybek verfügt über einen jugendlichen Tenor mit großer Textverständlichkeit, und Stiefermann überzeugt mit dunklem Bariton. So gibt es zumindest für die musikalische Leistung des Abends großen Beifall im Publikum. Ob die Zuschauer mit Katharina Wagners düsterer Deutung einverstanden sind, lässt sich nicht sagen, da sich Frau Wagner, obwohl es sich um eine Aufführung handelt, in der zahlreiche Stipendiatinnen und Stipendiaten der Wagner-Verbände anwesend sind, nicht dem Publikum stellt.

FAZIT

So dunkel und düster hat man Tristan und Isolde wohl selten gesehen. Den beiden Liebenden die Vereinigung im Tod zu versagen, dürfte bei einem Großteil der Zuschauer keine Zustimmung finden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Thielemann

Inszenierung
Katharina Wagner

Bühnenbild
Frank Philipp Schlößmann
Matthias Lippert

Kostüme
Thomas Kaiser

Licht
Reinhard Traub

Chorleitung
Eberhard Friedrich

Dramaturgie
Daniel Weber



Chor und Statisterie der Bayreuther Festspiele

Orchester der Bayreuther Festspiele


Solisten

*rezensierte Aufführung

Tristan
Stephen Gould /
*Stefan Vinke

König Marke
Georg Zeppenfeld

Isolde
Petra Lang

Kurwenal
Greer Grimsley

Melot
Raimund Nolte

Brangäne
Christa Mayer

Ein Hirt
Tansel Akzeybek

Ein Steuermann
Kay Stiefermann

Junger Seemann
Tansel Akzeybek


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