Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
Klangvokal Musikfestival Dortmund 16.05.2019 - 16.06.2019
Händels Heroinen in englischer und italienischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 2 h 15' (eine Pause) Kooperation mit den Händel-Festspielen Halle Aufführung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Maschinenhalle am 14. Juni 2019 |
|
Frauen-Power und Trompete Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum Obwohl der Privatmann Händel sein Leben lang unverheiratet blieb, war das weibliche Geschlecht für ihn als Komponisten äußerst inspirierend. So hat er in seinen Opern und Oratorien ungefähr 170 Frauenrollen geschaffen, die hinter ihren männlichen Kollegen, den damaligen Starkastraten, in der Virtuosität der Arien keineswegs zurückstehen mussten. Die englische Sopranistin Carolyn Sampson, die im Bereich der Alten Musik große Erfolge feiert - vom Fachmagazin "Gramophone" wurde sie 2017 für ihr Purcell-Album Lost is My Quiet als beste britische Sopranistin ausgezeichnet -, widmet sich nun mit dem 1980 von Robert King gegründeten britischen Ensemble The King's Consort in dem Programm Händels Heroinen einem Teil dieser herausragenden Frauenfiguren. Des Weiteren hat sie noch den Trompeter Neil Brough in die Maschinenhalle des LWL-Industriemuseums der Zeche Zollern mitgebracht, der zwischen den Arien einen Eindruck davon vermittelt, welche Instrumentalperlen Händel für die Solotrompete komponiert hat. Carolyn Sampson Der erste Teil bis zur Pause enthält größtenteils Auszüge aus Oratorien Händels, die in London überwiegend zu einer Zeit entstanden, als Händel mit seinen Opern keine großen Erfolge mehr verbuchen konnten. Nach der Pause widmet sich Sampson dann Opernheldinnen, die Händel seinen damaligen Starsopranistinnen in London, Francesca Cuzzoni, Anna Maria Strada Del Pò und Elisabeth Duparc in die Kehle gelegt hat. Ganz scharf ist diese Trennung allerdings nicht. So erklingt bereits im ersten Teil inmitten der Oratorien die berühmte Arie der Cleopatra aus dem dritten Akt aus Händels Giulio Cesare in Egitto, "Piangerò". In diesem Lamento beklagt Cleopatra ihr Schicksal, da sie selbst in Gefangenschaft ihres Bruders Tolomeo geraten ist und ihren Geliebten Cesare für tot hält. Sampsons leuchtender Sopran entwickelt in der Akustik der Maschinenhalle einen betörenden Klang, der die nahezu tropischen Temperaturen im Raum vergessen lässt. Auch die Instrumentalstücke zwischen den Arien stammen teilweise aus Händels Opern. So erklingt beispielsweise direkt zu Beginn unter dem Titel "Mr Handel's Waterpieces" zwischen zwei Auszügen aus Händels berühmter Wassermusik eine Sarabande aus Händels erster Oper Almira, Königin von Castilien. Diese Melodie verwendete Händel später für die berühmte Arie "Lascia ch'io pianga" aus Rinaldo. Doch auch die Auszüge aus den englischsprachigen Oratorien im ersten Teil sind nicht so weit von Opernklängen entfernt. Das Oratorium Semele hat beispielsweise noch nicht einmal ein biblisches Thema, sondern geht zurück auf Ovids Metamorphosen und Jupiters Liebe zu der sterblichen Semele, die begehrt, ihn in seiner wahren Gestalt zu sehen, was dazu führt, dass sie bei seinem Anblick verbrennt. Sampson präsentiert Semeles erste Arie aus dem ersten Akt, in der Semele noch unschlüssig ist, ob sie den ihr bestimmten Prinzen Athamas heiraten soll, und deshalb Jupiter um Rat fragt. Da dieser Interesse an der schönen Sterblichen gefunden hat, erscheint er daraufhin in Gestalt eines Adlers und entführt sie. Sampson gestaltet die Zweifel der jungen Frau mit weichem Sopran. Eine ganz andere Stimmung vermittelt Sampson in der folgenden Arie aus Händels 1750 uraufgeführtem Oratorium Theodora. In "With darkness deep" ist die Märtyrerin Theodora fest entschlossen, sich den Mächten der Finsternis zu stellen und in den Tod zu gehen. Sampson punktet hier mit großer Dramatik. In den beiden anderen Auszügen aus Deborah und Athalia begeistert Sampson anschließend durch schillernde und bewegliche Koloraturen. Robert King findet mit dem auf historische Aufführungspraxis spezialisierten Ensemble The King's Consort zu einem feingliedrigen Klang. Carolyn Sampson (links) mit Neil Brough (rechts), Frances Norbury an der Oboe (rechts), Robert King (Mitte) und The King's Consort Nach der Pause bleibt es dann bei Opernauszügen in italienischer Sprache. Während Sampson im ersten Teil die Arien häufig noch um die einleitenden Rezitative ergänzt hat, gibt es nun die Arien pur. Noch einmal schlüpft sie in die Rolle der Cleopatra und präsentiert die schwermütige Arie "Se pietà di me non senti", in der sie um Cesares Leben bangt. Im Zusammenspiel mit dem Fagott entsteht hier eine betörende Verflechtung der Stimmen, die die Melancholie dieser Arie noch unterstreicht. Im Anschluss schlüpft sie in die Rolle der Teofane aus der Oper Ottone, Re di Germania. Die Arie "Affani del pensier" zeigt die junge byzantinische Prinzessin sehr verwirrt, weil sie gerade im Begriff war, einen Mann zu heiraten, den sie für den König Ottone hielt, der sich aber plötzlich als ein anderer entpuppt, während der wahre Ottone gerade in die Stadt einzieht. Sampson macht mit zartem Sopran die Unsicherheit der jungen Frau sehr glaubhaft. Absolut fröhlich klingt die Arie der Ginevra aus der Oper Ariodante, in der die Intrige noch nicht in Gang gesetzt worden ist und die Tochter des Königs von Schottland noch glaubt, den Geliebten Ariodante bald heiraten zu können. Sampson untermalt das Glück der jungen Frau mit glockenklaren und leuchtenden Koloraturen. Zum Abschluss des Programms gibt es dann einen gemeinsamen Auftritt von Sampson und dem Solotrompeter Neil Brough, der in den Instrumentalstücken mit luzidem Klang überzeugt. In der Arie der Melissa aus Amadigi di Gaula ruft die Zauberin die Furien herbei, um an Amadigi und seiner Geliebten Oriana Rache zu nehmen. Sampson schießt hier ein regelrechtes Koloraturfeuerwerk ab und tritt dabei beeindruckend in einen Wettstreit mit Brough an der Trompete. Auch für die Zugabe hat man sich ein Stück ausgewählt, in dem Stimme und Sopran gemeinsam glänzen können. Die Wahl ist dabei auf eine Arie aus Händels Kantate Tra le fiamme gefallen: "Pien di nuovo e bel diletto". Auch hier begeistert Sampson mit beweglichen Koloraturen und verabschiedet sich unter großem Applaus vom Publikum. FAZIT Carolyn Sampson macht mit The King's Consort einen musikalisch bewegenden Streifzug durch Händels Opern- und Oratorienschaffen und lässt dabei die nahezu tropischen Temperaturen in der Maschinenhalle vergessen. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2019
|
AusführendeCarolyn Sampson, Sopran The King's Consort Neil Brough, Trompete Robert King, Dirigent
Werke
Georg Friedrich Händel
"Oh Jove, in pity"
"With darkness deep"
"Choirs of angels all around thee"
Musica Bellicosa
"Piangerò"
"My vengeance awakes me" Ouvertüre aus der Oper Atalanta HWV 35
"Se pietà di me non senti"
Mr Handel's Divers Symphonies
"Affani del pensier"
Chaconne aus dem Prologo Terpsicore
"Volate, amori"
"D'estero dall' empia"
Weitere |
- Fine -