Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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44. Tage Alter Musik in Herne14.11.2019 - 17.11.2019 Tod und Verklärung Trauermusiken im galanten Stil Musik von Niccolò Jommelli und Anonymus In lateinischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 1 h 35' (keine Pause) Aufführung in der Kreuzkirche in Herne am 17. November 2019 |
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Requiem mit Unterbrechungen Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR Niccolò Jommelli zählt zu den Repräsentanten der Neapolitanischen Schule, deren Werke heute größtenteils in Vergessenheit geraten sind. In seinen 15 Jahren als Hofkapellmeister unter dem Herzog Carl Eugen formte er das Orchester zu einem der besten Europas und verhalf mit seinen mehr als 70 komponierten Opern dem württembergischen Hof zu einer kulturellen Blüte, die weit über die Grenzen hinausstrahlte. Dass er auch zahlreiche geistliche Werke schuf, gerät in diesem Zusammenhang häufig in Vergessenheit. Bevor er vom Herzog 1754 an den württembergischen Hof engagiert wurde, stand er vier Jahre als Vizekapellmeister in päpstlichen Diensten in Rom und prägte dort die geistliche Musik in enormem Maße. In der Kreuzkirche kommt nun sein berühmtes Requiem Es-Dur, das er anlässlich des Todes von Herzog Carl Eugens Mutter Maria Augusta von Württemberg 1756 komponierte, mit dem fünf Jahre zuvor in Rom vertonten Bußpsalm Miserere zur Aufführung. Den Anfang macht das Miserere. Jommelli vertonte den Bußpsalm Nr. 50 insgesamt sechs Mal. Das Miserere d-Moll orientiert sich ganz am alten Kirchenstil und wird vom Coro e Schola Gregoriana Ghislieri unter der Leitung von Giulio Prandi mit Francesco Moi an der Orgel vorgetragen. Die vier Solostimmen werden dabei von Choristen übernommen. Das Stück besteht aus insgesamt elf relativ kurzen Sätzen, bei denen nur die ungeraden Psalmverse mehrstimmig vertont worden sind. Die geraden Verse trägt der Chor einstimmig und a-cappella im gregorianischen Psalmton vor. In der Akustik der Kreuzkirche entwickelt sich beim bewegenden Vortrag des Chors eine sakrale Atmosphäre, die nachvollziehbar macht, dass auch fast ein Jahrhundert nach der Uraufführung Jommellis Werk das Publikum noch begeistern konnte. Der traurige Tonfall leitet passend zum Requiem über, auch wenn eine kleine Unruhe entsteht, weil der Chor zunächst die Bühne verlässt, um dann mit dem Orchester erneut aufzutreten. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Choristen für das Requiem anders gruppieren müssen. Beim Miserere rahmen die Frauenstimmen die Männerstimmen auf beiden Seiten ein. von links: Sandrine Piau, Carlo Vistoli, Giulio Prandi, Raffaele Giordani und Salvo Vitale beim Requiem Es-Dur (dahinter: Orchestra, Coro e Schola Gregoriana Ghislieri) Das Requiem Es-Dur ist die erste geistliche Musik, die Jommelli für den württembergischen Hof komponierte. Bis dahin hatte er sich hier vor allem der Oper gewidmet. Angeblich hat er die ganze Messe innerhalb von drei Tagen aufgrund des Todes der Mutter des Herzogs komponiert, wie in einer der mehr als 80 zeitgenössischen Partiturabschriften behauptet wird. Jedenfalls übernahm er Motive, Themen und teilweise sogar ganze Sätze aus seinen früheren geistlichen Werken, die er für Venedig oder Rom komponiert hatte. Die gewählte Tonart erinnert an die pathetischen Momente, die Jommelli in seinen Opern häufig für so genannte "Ombra-Szenen" verwendete, in denen menschliche Figuren auf überirdische Wesen oder Verstorbene treffen. Die vier Solostimmen werden in den Chorgesang eingebettet und haben häufig nur kurze Phrasen im Ablauf des gesungenen Textes. Einzig die Sopranstimme erhält beim "Benedictus" eine eigene, fast ariose Passage. Sandrine Piau begeistert in der Kreuzkirche mit strahlend leuchtendem Sopran. Carlo Vistoli punktet mit einem warmen, weichen Countertenor, der häufig mit dem Sopran eine wunderbare Einheit bildet. Dass Raffaele Giordani und Salvo Vitale als Tenor und Bass relativ blass bleiben, ist weniger den beiden Sängern als vielmehr der Komposition geschuldet, da die Tenor- und Bass-Solostimmen nicht viel Gewicht erhalten. Schlussapplaus: von links: Sandrine Piau, Carlo Vistoli, Giulio Prandi, Raffaele Giordani und Salvo Vitale mit dem Orchestra, Coro e Schola Gregoriana Ghislieri Für etwas Verwirrung sorgen die eingefügten gregorianischen Gesänge eines unbekannten Komponisten, die das Requiem ein wenig zerstückeln. So erklingt vom Chor vor dem "Introitus" eine gregorianische Antiphon. Während diese noch als Einleitung zum folgenden Requiem verstanden werden kann, wirkt die Unterbrechung des Requiems nach dem "Kyrie" schon beinahe störend, da der nun folgende Traktus den Zuhörer ein wenig aus dem Genuss von Jommellis Melodiebögen herausreißt. Nach der Communio folgt dann noch eine gregorianische Postcommunio, die ein Chorist von der Kanzel vorträgt. Hier wird direkt auf die verstorbene Mutter des Herzogs Bezug genommen. Vielleicht soll so mit diesen Einschüben die damalige Trauerfeier nachempfunden werden. Das Orchesta Ghislieri setzt unter der Leitung von Giulio Prandi Jommellis Musik mit feinen Nuancen differenziert um, und auch der Chor begeistert erneut mit sakralem Klang, so dass es verdienten Beifall für alle Beteiligten gibt. FAZIT Auch wenn man das Requiem gerne ohne Unterbrechungen gehört hätte, entfaltet das Konzert in der Kreuzkirche eine sakrale Stimmung. |
AusführendeSandrine Piau, Sopran Carlo Vistoli, Countertenor Raffaele Giordani, Tenor Salvo Vitale, Bass
Coro e Schola Gregoriana Ghislieri
Orchestra Ghislieri Giulio Prandi, Musikalische Leitung
WerkeNiccolo Jommelli Requiem Es-Dur Anonymus Absolve Domine animas Oremus: Inveniat, quaesumus Domine
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