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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
16.07.2019 - 27.08.2019


La Dori (La schiava fortunata ó vero La Dori)

Dramma musicale in drei Akten
Libretto von Giovanni Filippo Apolloni
Musik von Pietro Antonio Cesti

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Premiere im Tiroler Landestheater in Innsbruck am 24. August 2019




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Verwirrspiel mit Geschlechter-Tausch

Von Thomas Molke / Fotos: © Innsbrucker Festwochen / Rupert Larl

Pietro Antonio Cesti galt neben Francesco Cavalli zu seiner Zeit als führender Opernkomponist Italiens in der Generation nach Claudio Monteverdi. Sein Verdienst war es vor allem, die italienische Oper in den Ländern nördlich der Alpen zu etablieren. Für Innsbruck ist er von ganz besonderer Bedeutung, da ihn der Tiroler Erzherzog Ferdinand Karl dorthin als Hofkapellmeister holte und für Cestis Werke ein kostspieliges Logentheater nach italienischem Vorbild bauen ließ. Von den in Innsbruck komponierten Opern erlebten wahrscheinlich sechs ihre Uraufführung in diesem neuen Theater. Die Oper La Dori war eine der erfolgreichsten dieser Opern und trat nach der Uraufführung 1657 in Innsbruck einen Triumphzug durch ganz Italien an. Dabei ist die Handlung so verworren, dass einige Wiederaufführungen in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht von allzu großem Erfolg gekrönt waren. Da sich in diesem Jahr Cestis Tod zum 350. Mal jährt, hat man bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik beschlossen, ihn neben dem alljährlichen Gesangswettbewerb, der in diesem Jahr zum 10. Mal unter seinem Namen stattfindet, auch mit La Dori als szenischer Opernproduktion zu ehren.

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Artaxerse (Federico Sacchi) preist dem Prinzen die zukünftige Braut Arsinoe an.

Schon die Vorgeschichte der in der Antike spielenden Oper ist so kompliziert, dass bereits bei der Uraufführung dem Libretto eine ausführliche Beschreibung in Italienisch und Deutsch beigefügt war, die man kennen musste, um der Handlung folgen zu können. Die Könige von Nikäa und Persien haben kurz nach der Geburt der Prinzessin Dori in Nikäa und des Prinzen Oronte in Persien beschlossen, die beiden als Erwachsene miteinander zu verheiraten, um die Freundschaft zwischen den beiden Reichen zu sichern. Da Dori aber als kleines Kind Piraten in die Hände gefallen und seitdem verschollen war, sollte Oronte später Doris jüngere Schwester Arsinoe heiraten. Dori war mittlerweile an den Hof von Ägypten gelangt, wo eine ägyptische Prinzessin mit dem gleichen Namen als kleines Kind auf tragische Weise gestorben war und Arsete, der sich für den Tod des Kindes verantwortlich fühlte, Dori als ägyptische Prinzessin ausgab. Oronte kam als junger Mann nach Ägypten und verliebte sich in Dori, was dazu führte, dass er Arsinoe nicht wie vertraglich vereinbart heiraten wollte. Dori folgte ihm aus Liebe nach Persien, tarnte sich allerdings als Mann, fiel erneut Seeräubern in die Hände und landete in Nikäa, wo sie von Arsinoe gerettet wurde. Fortan begleitete sie sie als Sklave Alì. Gemeinsam mit Arsinoe gelangte sie nun nach Babylon, um die Einhaltung des Ehevertrags zwischen Oronte und Arsinoe einzufordern. Der ägyptische Prinz Tolomeo begab sich auf der Suche nach seiner vermeintlichen Schwester Dori ebenfalls nach Persien, verliebte sich in Arsinoe und verkleidete sich als Dienerin Celinda, um Arsinoe nahe sein zu können. Danach erst beginnt die Opernhandlung.

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Arsinoe (Francesca Lombardi Mazzulli, rechts) blickt mit der Amme Dirce (Alberto Allegrezza, links) freudig der bevorstehenden Vermählung entgegen.

Die folgenden drei Akte sind ein munteres Verwirrspiel, bei dem das Regie-Team um Stefano Vizioli auf die Komik der Vorlage und die Kraft der Musik vertraut und auf Modernisierungsansätze verzichtet. Die opulenten Kostüme von Anna Maria Heinrich weisen eher auf die Entstehungszeit der Oper als auf den Zeitpunkt der Handlung hin. Das Bühnenbild von Emanuele Sinisi zeigt auf der rechten und linken Bühnenseite zwei hohe antik anmutende Stadtmauern, auf denen man das tosende Meer sieht, was vielleicht die innere Unruhe der einzelnen Figuren widerspiegelt. Einige Felsen im Hintergrund und auf der linken Seite deuten eine leicht unwirtliche Gegend an. Szenenwechsel werden mit vereinzelten Requisiten und einem Zwischenvorhang angedeutet. Der Übergang zwischen den einzelnen Akten ist so fließend wie die musikalischen Nummern, die von bewegten Rezitativen in ariose Strukturen und Ensembles übergehen. Damit ist Cesti der durchkomponierten Form der Opern des 19. Jahrhunderts musikalisch beinahe näher als der Barockoper des 18. Jahrhunderts mit ihren Da-capo-Arien. Auch sind die Affekte der Figuren nicht auf die Arien beschränkt, sondern entfalten sich ebenso in den Rezitativen, was sich vor allem in deren musikalischen Ausarbeitung zeigt.

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Erasto (Pietro Di Bianco) begehrt Celinda (Emöke Baráth), ohne zu ahnen, dass es sich dabei um den ägyptischen Prinzen Tolomeo handelt.

Während bei der Uraufführung 1657 in Innsbruck wahrscheinlich auch die weiblichen Rollen von Kastraten gesungen wurden, treibt die Inszenierung bei den Festwochen das Spiel mit den Geschlechtern noch weiter. So werden nicht nur die beiden Prinzessinnen Dori und Arsinoe von zwei Frauen gesungen sondern auch die Partie des Tolomeo, der sich als Frau verkleidet und in den sich dann auch noch Orontes Hauptmann, der Bass Erasto, verliebt. Der Prinz Oronte wird von einem Countertenor interpretiert, dessen Stimme höher als die der von ihm geliebten Dori ist, so dass auch hier in gewisser Weise ein Rollentausch vorliegt und man Dori durchaus als den aktiveren Part in der Liebesbeziehung deuten kann, selbst wenn sie sich im Laufe des Stückes aus Liebeskummer permanent das Leben nehmen will und daran stets von anderen gehindert werden muss. Dass die alte Amme Dirce von einem Tenor dargestellt wird, ist für die Oper des 17. Jahrhunderts eigentlich keine Besonderheit. Frauen, die ihren weiblichen Reiz verloren haben, wurden häufig in komischen Rollen mit Männerstimmen besetzt. Hier ist Dirce aber nicht nur eine lüsterne Alte, die erfolglos Orontes Diener und Hofnarr Golo nachstellt und sich wunderbar mit dem Eunuchen Bagoa streitet, sondern auch noch Doris Retterin, da sie deren Gifttrank gegen ein Schlafmittel austauscht. So klärt sich nach zahlreichen Verwirrungen alles auf, und Oronte darf schließlich doch noch seine geliebte Dori heiraten, während Arsinoe mit dem ägyptischen Prinzen Tolomeo vermählt wird.

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Glückliches Ende mit Doppelhochzeit (vordere Reihe von links: Bagoa (Konstantin Derri), Dori (Francesca Ascioti), Arsinoe (Francesca Lombardi Mazzulli), Erasto (Pietro Di Bianco), Tolomeo (Emöke Baráth), hintere Reihe von links: Golo (Rocco Cavalluzzi), Oronte (Rupert Enticknap), Arsete (Bradley Smith), Artaxerse (Federico Sacchi) und Dirce (Alberto Allegrezza))

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Ottavio Dantone lotet mit der Accademia Bizantina die musikalisch sehr reichhaltige und bunte Partitur differenziert aus und vermittelt ein wunderbares Bild von Cestis Melodienvielfalt und Kunst, musikalisch Emotionen zu beschreiben. Francesca Ascioti gestaltet die Titelpartie mit einem dunklen Alt, der ihre Verkleidung als Sklave Alì durchaus glaubwürdig macht. Mit großer Intensität stellt sie die Zerrissenheit der jungen Prinzessin dar, die sich ihrer Retterin Arsinoe einerseits verpflichtet fühlt und andererseits Oronte selbst liebt. Bewegend gelingt ihr auch ihr Auftritt als Erscheinung von Orontes Mutter Parisatide in einer Traumsequenz, in der sie nur als Schatten hinter einem Vorhang zu erkennen ist. Dabei gibt sie dem Schatten eine ganz andere, wesentlich höhere Stimmfärbung, die dem Optimismus entspricht, den die Erscheinung prophezeit. Rupert Enticknap verfügt als Oronte über einen weichen Countertenor, der unterstreicht, dass er Schwierigkeiten hat, sich dem ihm bestimmten Schicksal zu widersetzen. Dabei ist er immer wieder zu dramatischen Ausbrüchen in den Höhen fähig, wenn er von seiner Liebe zu Dori überwältigt wird und Arsinoe zurückweist. Vor allem wenn er Arsinoe wegen angeblicher Untreue mit dem Sklaven Alì zum Tode verurteilen will, zeigt Enticknap stimmlich eine entschlossene Härte.

Federico Sacchi verfügt als persischer Regent Artaxerse über einen profunden Bass, der mit großer Autorität deutlich macht, was zur Wahrung des Reiches erforderlich ist. So ist er nicht bereit, Orontes Weigerung, Arsinoe zu heiraten, zu akzeptieren, und lenkt erst ein, als sich Dori als verschollene Prinzessin aus Nikäa entpuppt. Francesca Lombardi Mazzulli stattet Doris jüngere Schwester Arsinoe mit leuchtendem Sopran aus und zeigt im Verlaufe der Oper sehr klar, dass sie nicht unter allen Umständen bereit ist, sich in eine Ehe mit Oronte zu fügen, besonders nachdem sie in ihrer treuen Freundin Celinda den ägyptischen Prinzen Tolomeo erkannt hat, der unter Einsatz seines Lebens bereit ist, die Geliebte zu schützen. Emöke Baráth verfügt als Tolomeo über einen strahlenden Sopran, der wunderbar mit Mazzullis Stimme harmoniert und unterstreicht, dass sich dieses Paar auch stimmlich auf Augenhöhe bewegt. Alberto Allegrezza gefällt als lüsterne Amme Dirce mit komischem Spiel und herrlichen Tanzeinlagen. Mit viel Spielwitz und leichtem Buffo-Bass versucht Rocco Cavalluzzi als Golo ihren Annäherungsversuchen zu entfliehen. Pietro Di Bianco gibt sich als Erasto mit dunklem Bass sehr leidenschaftlich, wenn er die vermeintliche Celinda umwirbt und scheint auch noch nicht ganz abgeneigt zu sein, nachdem diese sich als Prinz Tolomeo entpuppt hat. Konstantin Derri und Bradley Smith runden als Eunuch Bagoa und als Doris Lehrer Arsete das Ensemble überzeugend ab, so dass es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Trotz der verworrenen Handlung hat der Abend musikalisch seine Meriten und macht deutlich, dass Cesti es verdient, neben Monteverdi und Cavalli einen Platz im Repertoire zu erhalten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ottavio Dantone

Regie
Stefano Vizioli

Bühnenbild
Emanuele Sinisi

Kostüme
Anna Maria Heinreich

Lichtdesign
Ralph Kopp



Accademia Bizantina

Statisterie


Solisten

Dori, Tochter des Königs Archelaos von Nikäa
Francesca Ascioti

Oronte, Prinz von Persien
Rupert Enticknap

Artaxerse, Onkel von Oronte und persischer Regent
Federico Sacchi

Arsinoe, Tochter des Königs Archelaos
Francesca Lombardi Mazzulli

Tolomeo, Prinz von Ägypten
Emöke Baráth

Arsete, Doris alter Lehrer
Bradley Smith

Erasto, Hauptmann Orontes
Pietro Di Bianco

Dirce, Orontes alte Amme
Alberto Allegrezza

Golo, Orontes Diener und Hofnarr
Rocco Cavalluzzi

Bagoa, Eunuch und Hüter des Serails
Konstantin Derri

Erscheinung von Orontes Mutter Parisatide
Francesca Ascioti

 


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